Parlamentskehraus: Blaues Misstrauen, roter Rundumschlag und pinke Angst vor „Wahlzuckerln“
Parlamentskehraus: Blaues Misstrauen, roter Rundumschlag und pinke Angst vor „Wahlzuckerln“
183 Abgeordnete haben in ihrer aktuellen Zusammensetzung nur noch wenige gemeinsame Plenartage vor sich. Ab Mittwoch steht die letzte Parlamentswoche vor der Sommerpause an, an deren Ende der Nationalratswahlkampf stehen wird. Zum dichten Programm, das bis zu 60 Beschlüsse umfassen wird, steht u.a. die Erleichterung von Sammelklagen, eine Tierschutzgesetz-Novelle, die Anhebung der Zuverdienstgrenze für die Familienbeihilfe, eine bessere rechtliche Absicherung von Home-Office und die Auflösung der Cofag. Zu Letzterer wie auch zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ stehen zudem noch die Abschlussberichte der beiden Untersuchungsausschüsse zur Diskussion.
Die Oppositionsparteien brachten sich bereits in Stellung, um sich vor der vorletzten Sitzung für den nahenden Wahlkampf in Position zu bringen. Die FPÖ kündigte einen Misstrauensantrag gegen Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) wegen ihrer Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz an. Die SPÖ schloss bereits aus, diesem zuzustimmen. Die Neos ließen das noch offen.
Neos mahnen Budgetdisziplin ein
Sie teilte am Dienstag dennoch einmal generell gegen die Regierung aus: Vize-Klubchefin Julia Herr zog Bilanz über fünf Jahre Türkis-Grün. Seither sei jeder Österreicher um 1300 Euro ärmer sei als bei deren Amtsantritt. Sie befürchte infolge des „Budgetlochs“ ein Sparpaket, sagte sie bei einer Pressekonferenz, das ÖVP und FPÖ bereits im Hintergrund plane. Sie verlangte Herr einen „Kassasturz“, um zu sehen, wie dramatisch die Lage tatsächlich sei. Ausgeschlossen ist nach Herrs Ansicht ein Kürzen von Pensionen. Das Defizit reduzieren will Herr etwa über eine Millionärssteuer und zielgerichtete Investitionen, sowie direkte Markteingriffe zur Bekämpfung der Teuerung.
Die Neos setzen auf gegenteilige Maßnahmen: Der stellvertretende Klubchef Nikolaus Scherak nahm bei seiner Pressekonferenz die ÖVP, nicht aus wahlkampftaktischen Grünen Geld zu verteilen: „Ich erwarte mir, dass die ÖVP konsequent bleibt“, sagte Scherak. In der Vergangenheit sei die Volkspartei nämlich „fast immer dabei“ gewesen, wenn es darum ging, „Wahlkampfzuckerln“ zu verteilen. Ein solches sieht Scherak bereits in der Erhöhung des Klimabonus.
Kritisiert wurde von den Neos auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), der es „trotz Rekordsteuereinnahmen“ nicht schaffe, eine „verantwortungsvolle Budgetpolitik“ zu betreiben. Man werde sich „langfristig anschauen müssen“, wie man das Budget wieder in den Griff bekommen könne. Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre urteilte wiederum über Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP): Als Neos erleide man bekanntermaßen „großen Schmerz“ angesichts eines Ministers, der nur „verwaltet und überhaupt keine gestalterischen Ideen hat“. Sie forderte einmal mehr Schulautonomie, einen Plan für den Lehrermangel und mehr Vollzeitstellen für Sozialarbeiter, Psychologen und School Nurses. Dazu wolle man auch einen „Dringlichen Antrag“ stellen.
Koalition braucht Zwei-Drittel-Mehrheit
Im Hinblick auf grüne Gesetzesvorhaben, etwa die Grün-Gas-Offensive und das „Made in Europe“-Bonus bei Photovoltaik-Anlagen zur notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit kommt. Herr verwies am Dienstag auf laufende Verhandlungen mit der Koalition. Wie immer spießt es sich an der Frage, wer für die Kosten aufkommen soll. Die SPÖ plant auch eine Kurzdebatte in Sachen Pensionen.