Haushaltsstreit der Ampel: Die Schuldenbremse gefährdet unsere Sicherheit

Eine unbequeme Wahrheit: Deutschland muss für Europas Sicherheit geradestehen, erst recht im Fall einer neuen Trump-Präsidentschaft. Es ist sonst niemand da, der die Mittel dazu hätte. Worauf warten wir?

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Haushaltsstreit der Ampel: Die Schuldenbremse gefährdet unsere Sicherheit

Einfache politische Regeln sind wertvoll, gerade in einer Demokratie. Sie sind leicht zu verstehen. Die Bevölkerung kann die Regierenden ohne großen Aufwand daran messen. Das ist prinzipiell gut: Transparenz in Fragen, die die Nation als ganze betreffen, stärkt das Vertrauen in die Institutionen.

Insofern war es eine gute Idee, die „Schuldenbremse“ einzuführen. 2009 war das, die Älteren erinnern sich vielleicht. Es gab damals einen breiten Konsens darüber, nicht nur in der Politik, auch in der Gesellschaft.

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Die Zeiten waren heikel: Die Finanzkrise strebte ihrem Höhepunkt zu. Viele westliche Staaten, auch der deutsche Fiskus, gaben gigantische Summen aus, um einen Zusammenbruch des Finanzsektors und der Wirtschaft insgesamt zu verhindern sowie Kurzarbeiter und Arbeitslose über diese Durststrecke zu bringen. Und der Bund finanzierte diese Ausgaben mit hunderten Milliarden an neuen Schulden. Die Sorge vor einer weiteren Destabilisierung stand im Raum. Die Schuldenbremse sollte das verhindern.

Während es aktuell in der Berliner Regierung im Haushaltsstreit wieder mal ums Ganze zu gehen scheint und – zum wievielten Mal eigentlich? – von einer „Ampelkrise“ die Rede ist, lohnt es sich, an diese Ursprungsgeschichte zu erinnern.

Im Kern war die Finanzkrise ebendies: eine Vertrauenskrise. Die Zahlungsfähigkeit von Banken, Versicherungen, Unternehmen und ganzer Länder stand auf dem Spiel. Indem sich der deutsche Staat verpflichtete, die Verschuldung nach der akuten Krise wieder zurückzuführen, sollte ein Anker gesetzt werden.

Tatsächlich hat die Schuldenbremse funktioniert, ziemlich gut sogar. Aber das ist Geschichte. Sie passt nicht mehr in die Zeit – in einen historischen Epochenbruch, der finanzpolitische Flexibilität zu einer Überlebensfrage macht; dazu etwas weiter unten mehr.

Was Deutschland von anderen unterscheidet

Die Schuldenbremse hat insofern funktioniert, als sie Deutschland auf einem nachvollziehbaren finanzpolitischen Kurs gehalten hat. Keine Selbstverständlichkeit. Ein Blick auf unsere Partner in Europa und in der Welt zeigt, dass diese finanzpolitische Zurückhaltung eine enorme Leistung darstellt. Während anderswo die Schuldenquoten auf deutlich über 100 Prozent gestiegen sind, liegt der deutsche Vergleichswert bei 64 Prozent, etwa so viel wie bei der Euroeinführung vor 25 Jahren.

Die Bundesrepublik ist, neben Kanada, das einzige verbliebene G7-Land, das als Top-Schuldner gilt, prämiert mit dem Spitzenrating AAA. Die USA (Schuldenquote 123 Prozent), Frankreich (111 Prozent), Großbritannien (104 Prozent), Italien (139 Prozent), Japan (Schuldenquote 255 Prozent) sowieso – überall ist die Bonität abgesackt. (Zahlen finden Sie hier).

Innerhalb der EU gibt es noch einige kleinere Länder, die Niederlande, Schweden, Dänemark oder Luxemburg, die ebenfalls Topbonität genießen. Aber diese Volkswirtschaften sind nicht groß genug, um den europäischen Finanzmärkten als Anker dienen zu können. So gesehen, profitiert die gesamte EU von Deutschlands finanzpolitischer Zurückhaltung: Auch europäische Gemeinschaftsschulden (von denen es immer mehr gibt, insbesondere in Form des Corona-Krisenfonds) bleiben dadurch günstiger.

Schulden wiegen immer schwerer – anderswo

Zugegeben, zeitweise schien die Schuldenbremse völlig widersinnig. Solange die Zinsen extrem niedrig waren und die Notenbanken in großem Stil Staatsanleihen aufkauften, konnten sich Staaten zu äußerst günstigen Bedingungen verschulden. Inzwischen aber zeigt sich, dass die deutsche Skepsis, die günstigen Finanzierungsbedingungen als dauerhaft gesetzt anzusehen, gerechtfertigt war. Die Zinsen sind rapide gestiegen. Es gibt wenige Gründe anzunehmen, dass sie auf absehbare Zeit sinken.

Schuldentragfähigkeit wird eines der bestimmenden Themen der kommenden Jahre sein. Entsprechend schlittert Frankreich gerade unsicheren Zeiten entgegen: Die wacklige innenpolitische Lage droht angesichts angespannter Staatsfinanzen erhebliche Verwerfungen an den Finanzmärkten auszulösen. (Wir sprachen kürzlich darüber. Kommenden Sonntag findet die zweite, entscheidende Runde der Parlamentswahlen statt.) Deutschland ist nicht zuletzt durch seine simple Schuldenregel gegen solche Panikattacken immunisiert, bislang jedenfalls.

Übrigens halte ich das Argument, die Schuldenbremse sei schuld daran, dass die staatlichen Investitionen über viele Jahre zu niedrig waren, für nicht stichhaltig. Die Regierungen der Ära Angela Merkel (69) hätten Ausgaben – etwa für die Instandhaltung der Verkehrs- und den Ausbau der Strom- und Digitalnetze – durchaus aus den laufenden Budgets finanzieren können. Schließlich sprudelten damals dank gehörigem wirtschaftlichem Rückenwind die Staatseinnahmen. Stattdessen entschieden sich die schwarz roten Koalitionen dafür, Sozialleistungen auszuweiten, die teils dauerhafte Belastungen der Staatsfinanzen mit sich brachten, zumal bei der Altersversorgung („Rente mit 63“, „Mütterrente“).

Was kurzfristig opportun erscheinen mag, kann sich langfristig als schwerer finanzpolitischer Fehler erweisen. In normalen Zeiten wären spätere Regierungen aufgerufen, den Kurs zu korrigieren. So funktioniert Demokratie. Das sollte kein Grund sein, das grundgesetzlich verankerte fiskalische Regelwerk über den Haufen zu werfen.

Es ist nur so: Die Zeiten sind alles andere als normal.

Eine fürchterliche neue Normalität

Das Ausnahmeregeln der Schuldenbremse sind auf normale Konjunkturschwankungen ausgelegt. Bei schrumpfender Wirtschaft kann der Staat ins Defizit gehen. Wenn die Krise vorbei ist, muss die Schuldenquote wieder sinken. Soweit, so richtig.

Doch was wir seit 2022 erleben, ist etwas anderes: Wir stecken mitten in einer rapiden geopolitischen Machtverschiebung. Unsere Sicherheitslage hat sich massiv verschlechtert. Deutschland und seine europäischen Partner sind akut bedroht, insbesondere durch ein expansionistisches Russland. Und zwar auf unabsehbare Zeit.

Ob die USA künftig noch bereit und in der Lage sein werden, Europas Sicherheit zu garantieren, ist höchst fraglich. Wir müssen uns darauf einstellen, als Europäer auf uns allein gestellt zu sein. Dabei geht es nicht nur um akute Invasionsszenarien, etwa an der Suwalki-Brücke, jener rund 100 Kilometer kurzen polnisch-litauischen Grenze, eingeklemmt zwischen Weißrussland und dem russischen Kaliningrad-Gebiet, die auch von deutschen Soldaten beschützt werden soll. Es geht auch um Cyberattacken, die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch Fake News und Propaganda und vieles mehr – wir erleben es täglich.

So sieht die fürchterliche neue Normalität aus: Russland bleibt als Aggressor präsent, und auf die USA als Schutzmacht ist nur noch begrenzt Verlass, erst recht, falls Trump im Herbst abermals zum Präsidenten gewählt wird – was nach dem TV-Duell der US-Präsidentschaftskandidaten in der abgelaufenen Woche noch wahrscheinlicher geworden ist.

Die unbequeme Wahrheit lautet: Es gibt letztlich nur ein europäisches Land, das eine Antwort auf diese radikal veränderte Sicherheitslage geben kann. Nur Deutschland hat die finanziellen und personellen Möglichkeiten, ein wirkliches europäisches Gegengewicht zu Wladimir Putins Expansionismus zu schaffen. Alle anderen europäischen Länder sind entweder zu klein oder zu finanzschwach, als dass sie eine massive Aufrüstung stemmen könnten.

100 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr, mindestens

Um wie viel Geld geht es? Um auf Militärausgaben zu kommen, die gemessen an unserer Wirtschaftskraft dem US-amerikanischen Niveau entsprechen – etwa 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) –, müsste die Bundesrepublik jährlich 150 Milliarden Dollar ausgeben, rund dreimal soviel wie heute im regulären Bundeshalt dafür vorgesehen ist. Natürlich, aktuell kommen dazu noch Mittel aus dem Zeitenwende-Topf „Sondervermögen Bundeswehr“, aber der ist bald ausgeschöpft. Bei einem US-Abzug aus Europa dürfte diese Summe die absolute Untergrenze des Verantwortbaren darstellen.

Woher diese zusätzlichen Mittel kommen sollen, wenn nicht wenigstens teilweise aus neuen Schulden, übersteigt meine Vorstellungskraft. Ein Großteil des Bundeshaushalts wird schon heute von den Zuschüssen zur Rentenversicherung beansprucht – Ausgaben, die sich nicht kürzen lassen; allenfalls ihr Anstieg lässt sich bremsen, etwa durch eine sukzessive Anhebung des Renteneintrittsalters. Um jetzt handlungsfähig zu werden, braucht es viel mehr Geld für die Verteidigung. Und dafür sollte Deutschland seine finanziellen Spielräume nutzen.

Dies ist keine vorüberziehende Rezession, wie sie die Schuldenbremse als Ausnahme von der Regel vorsieht. Dies ist eine dauerhafte existenzielle Bedrohung, die entschiedenes Handeln erfordert.

Wir stehen vor einer Abwägung zwischen finanzieller und sicherheitspolitischer Stabilität. Im Zweifel sticht letztere. Überspitzt ausgedrückt: Die Vorstellung, Wladimir Putin Teile Europas schuldenfrei zu überlassen, weil wir die Schuldenbremse eingehalten haben, ist vollkommen absurd.

Entsprechend sollten sich alle seriösen Parteien dazu aufraffen, diese schöne, einfache Fiskalregel zu reformieren – und militärische Ausgaben davon auszunehmen. Und zwar nicht irgendwann nach der Bundestagswahl 2025, wenn man die Bürgerinnen und Bürger vielleicht wieder mit unbequemen Wahrheiten behelligen mag – sondern jetzt.

Falls die Unionsparteien, deren Zustimmung für eine entsprechende Grundgesetzänderung nötig wäre, mit dieser Argumentation Probleme haben sollten: Es gibt ein historisches Vorbild.

Die informelle Schuldenbremse des Dr. Kohl

Unter CDU-Kanzler Helmut Kohl gab es bereits einmal so etwas wie eine informelle Schuldenbremse. In den 80er Jahren verharrten die Verbindlichkeiten des Staats bei 40 Prozent. Diese Finanzpolitik war ein Markenzeichen der ersten Phase des Langzeitkanzlers: grundsolide, personifiziert durch den bieder, aber entschieden wirkenden Finanzminister Gerhard Stoltenberg.

Doch dann kam der Fall der Mauer, die Wiedervereinigung – die vorletzte historische „Zeitenwende“. Kohl rief den „Aufbau Ost“ zur Generationenaufgabe aus. Der Staat ging massiv ins Defizit. Binnen weniger Jahre stieg die Schuldenquote auf über 60 Prozent. (Eine Bilanz der Finanzpolitik jener Jahre finden Sie hier)

Wo stünde Deutschland heute, sofern wir damals in finanzpolitischer Orthodoxie verharrt wären? Wo werden wir in zehn Jahren stehen, wenn wir heute darauf beharren?

Die wichtigsten Wirtschaftsereignisse der bevorstehenden Woche

Montag

Wiesbaden – Langer Rückweg – Das Statistische Bundesamt gibt eine erste Schätzung für die Inflationsrate im Juni bekannt. Der Rückweg zu stabilen Preisen – gemeinhin definiert als Verbraucheranstieg von unter 2 Prozent – erweist sich als lang und holprig.

Frankfurt – Frühindikator – Der Maschinenbauverband VDMA veröffentlicht neue Zahlen zu den Auftragseingängen.

Sintra – Beim Ziehen der Bilanz – Die Europäische Zentralbank veranstaltet in Portugal ihr jährliches Treffen von Notenbankern und Experten (bis Mittwoch). Womöglich gibt es neue Erkenntnisse zur Inflationsdynamik, zur Unabhängigkeit von Notenbanken unter rechtsnationalistischen Regierungen, zur Schuldentragfähigkeit, zur Bilanz der Anleihekäufe in den 2010ern sowie während der Pandemie.

Dienstag

Luxemburg – Euflation – Die EU-Statistikbehörde Eurostat veröffentlicht eine Schnellschätzung zur Inflation im Euroraum im Juni.

Mittwoch

Frankfurt – Kaufkraftsicherung –Tarifverhandlungen für die Beschäftigte bei den privaten Banken.

Donnerstag

London – Rote Wand – Parlamentswahl in Großbritannien. Umfragen sagen einen überwältigen Sieg der sozialdemokratischen Labour-Partei voraus. Sogar die erzliberale Zeitschrift „Economist“ hat sich für Labour-Chef als Starmer als nächsten Premier ausgesprochen. Die seit 14 Jahren regierenden Tories gelten als abgewirtschaftet.

Freitag

Washington – Jobs, Jobs, Jobs – Die US-Regierung veröffentlicht Daten zur Arbeitslosenquote. Unter Präsident Biden hat sich die Wirtschaft und auch der Arbeitsmarkt gut entwickelt. Aber die meisten Leute glauben es nicht.

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