Wie eine Berliner Vermieterin meine Waschmaschine als Geisel nahm
Kann man sich in eine Waschmaschine verlieben? Man kann!
Meine Waschmaschine wurde von meiner Vermieterin als Geisel genommen. Ich kann mich noch erinnern, als ich sie gekauft habe. Rund 330 Euro hat das gute Stück gekostet. Für mich nicht wenig Geld, doch als ich den ersten Waschgang laufen ließ, verstand ich sofort, dass sie jeden Cent wert war.
Den ganzen Abend verbrachte ich damit, die kreisenden nassen Kleider durch das Bullauge zu bewundern. Eine imaginäre Freudenträne kullerte von meiner Wange und tropfte auf den Boden. Davor musste ich nämlich etwa vier Monate lang meine Wäsche in den Waschsalon bringen. Bei etwa zehn Euro pro Reinigung, inklusive Trockner, wurde es langsam zu einer sehr kostspieligen Angelegenheit.
Deswegen benutzte ich eine Weile lang die Waschmaschine meiner Schwester. Da sie am anderen Ende der Stadt lebt, musste meine dreckige Wäsche die halbe Ringbahn durchqueren, um wieder nach Weichspüler zu duften. Die alte Waschmaschine, die mir die italienische Vermieterin Donatella hinterlassen hatte, war nicht nur ein Fossil, sondern auch ein wahres Ökosystem an Bakterien und Schimmel.
Die Waschtrommel war verrostet, Kleider wurden beim Waschen nur noch schmutziger. Dann fing es an komisch zu riechen und da sich die Maschine genau neben dem Herd befand, war es klar: Das Teil musste weg. Es begann ein langer Streit mit Donatella, die durch ihre melodramatische Art und Weise alles versuchte, um mich vom Erwerb einer neuen Waschmaschine abzuhalten.
Denn in ein paar Monaten wäre sie zurückgekommen, zu diesem Zeitpunkt hätte ich dann die Wohnung verlassen müssen. Ungern hätte ich deswegen die Kosten einer neuen Waschmaschine getragen, doch für Donatella kam ein Ersatz nicht infrage. „Die ist vollkommen in Ordnung“, schrie sie am Telefon. In Ordnung, wenn man eine Pilzerkrankung will, erwiderte ich. Sie hatte aber bereits aufgelegt.
Ich musste es also allein regeln. Bei einem Neuköllner Gebrauchtverkäufer fand ich sie dann: Eine wunderschöne Siemens E14-44, glänzend und schneeweiß, sogar mit einem Schnellmodus für Sportkleidung. Wenn man ein Objekt heiraten könnte, hätte ich es getan. Ich entschied mich, die Kosten selbst zu tragen und die Waschmaschine nach meinem Auszug mitzunehmen. Der Mann, der die alte Waschmaschine abholte, bestätigte, dass sie auf die Mülldeponie gehörte. „Das Ding hat ja die Wende miterlebt, wa?“, sagte er mit Berliner Akzent. Dann brachte er die alte Kiste nach unten, verstaute sie in seinem Lastwagen und verschwand. Das hässliche Ding hätte ich nie wieder gesehen, doch bald stellte ich fest, dass der Stress erst begonnen hatte.
Denn als die Vermieterin von der neuen Waschmaschine erfuhr, flippte sie förmlich aus. Sie würde keine einzigen Euro dazu beitragen, schrie sie. Zudem mochte sie keine Waschmaschine mit Bullauge, sie hatte eine Vorliebe für Maschinen, deren Öffnung sich oben befand.
Das war mir egal, ich wollte einfach nur wieder saubere Kleider und Bettwäsche. Die neue Maschine hätte ich dann einfach mitgenommen, oder verkauft, wenn ich von der Wohnung weggezogen wäre. Bald erfuhr ich, dass dieser Tag viel näher war als gedacht. Denn die Beziehung mit der Vermieterin verschlechterte sich dramatisch nach der Waschmaschinen-Affäre. „Ich halt dich nicht mehr aus“, schrie sie so laut, dass die Gläser auf dem Regal klirrten. Das wäre nicht das letzte Mal gewesen, dass ich das von ihr hören würde.
Eins war klar: Wie die alte Waschmaschine musste ich nun auch aus dieser Neuköllner Wohnung raus. Mittlerweile fing ich an, mit ihr zu sprechen, vielleicht hätte es mir sogar gutgetan, wegzuziehen. Doch meine große Waschliebe musste mit mir mit. Ich hätte sie nie zurückgelassen.
Ein Kinderspiel war unsere frische Beziehung indes nicht. Ende Dezember hätte ich die Wohnung verlassen müssen, doch bereits am 20. befand ich mich im Urlaub in Italien. Den Umzug hatte ich schon hinter mir, nur eine Sache war in der Wohnung geblieben: die Waschmaschine. Ich wollte sie Anfang Januar abholen, so war es mit der Vermieterin abgesprochen. Pustekuchen!
„Die bekommst du wieder, sobald die Stromabrechnung da ist“, kreischte sie ins Telefon. Ich hätte alles gegeben, um ihre Stimme nie mehr hören zu müssen. Jedoch wusste ich, dass ich einen Plan brauchte, um meine Waschmaschine wiederzuerobern. Wie Prinzessin Peach aus den Super Mario-Spielen von Nintendo wartete sie einsam in der Küche auf ihren Helden. Der neue Mieter würde sie jetzt bestimmt benutzen – ich konnte es nicht aushalten, dass jemand anderes sie bediente.
Ich musste meine Waschmaschinenprinzessin retten. Wobei ich auch wusste, dass in meiner neuen WG kein Platz für meine Geliebte war. Deswegen hatte ich einer Kollegin versprochen, dass sie sie haben konnte. Auch sie war gerade umgezogen, zeitlich passte alles genau. Und ich konnte dann in Ruhe schlafen, einmal, dass sie in vertrauten Händen war.
Die Strategie war ganz einfach: nerven, nerven und noch mal nerven. Ich hätte Donatella keine Sekunde in Ruhe gelassen, bis ich meine Waschmaschine wiederbekommen hätte. Die Anrufe wurden mehr, der Ton penetrant. „Ich habe es mit Güte versucht, aber ich kann auch anders“, sagte ich zuletzt und klang dabei wie ein sizilianischer Mafiaboss.
Ich drohte ihr mit meinen nichtexistierenden Kontakten bei der Berliner Polizei. Der Plan ging bald auf. Es ist nicht klar, ob sie sich eingeschüchtert fühlte oder einfach keine Lust mehr hatte, sich mit einem ebenso sturen Italiener anzulegen. „Soll ich dir das Geld für die Waschmaschine überweisen?“, fragte sie. Zwar habe ich die Waschmaschine nicht wiederbekommen, doch dies war mir letzten Endes auch egal. So löste das gute alte Geld einen langen Disput. Der Preis der Liebe? 200 Euro.