Experte: Macron hat wohl einen Plan, er will, dass Le Pen die Wahl gewinnt
Der französische Präsident Emmanuel Macron (r) gibt seinen Stimmzettel für die erste Runde der vorgezogenen französischen Parlamentswahlen ab, im Hintergrund wartet seine Frau Brigitte. Die mit Spannung erwartete Parlamentsneuwahl in Frankreich ist in die erste Runde gestartet.
Vor den Wahlen in Frankreich sagten zahlreiche Kommentatoren, dass Emmanuel Macron überstürzt Neuwahlen ausgerufen hätte. Der Plan sei gewesen, bei einer Parlamentswahl die Franzosen zu provozieren und sie vor die Frage zu stellen, ob sie ihrem Land wirklich einen Rechtsruck verpassen möchten. Es hieß, Macron hätte darauf gesetzt, dass viele Franzosen am Ende doch für eine liberale oder linksliberale Partei stimmen würden. Falls dies der Plan war, ist er nicht aufgegangen.
Laut Hochrechnungen erhält Marine Le Pens Partei Rassemblement National in der ersten Runde der Parlamentswahlen, die am Sonntag stattfanden, etwa 33 Prozent der Stimmen. Nouveau Front populaire (die vereinte Linke) erhält etwa 28,1 Prozent, Emmanuel Macrons Partei etwa 20,3 Prozent, die Konservativen Les Républicains etwa 10 Prozent. Am 7. Juli 2024 finden die Stichwahlen in Frankreich statt.
Es melden sich nun vermehrt Kommentatoren zu Wort, die gar nicht davon ausgehen, dass Macron den Plan hatte, dass die Liberalen siegen. Das sagt etwa der Politikwissenschaftler Joni Askola. Er schreibt auf Twitter, dass Macron sich wohl wünscht, dass Le Pens Partei Rassemblement National die Wahl in der zweiten Runde gewinnt und den Ministerpräsidenten stellen kann. Askola geht davon aus, dass die RN in den nächsten Jahren ihre Wahlversprechen nicht umsetzen kann. Dann würde sie in der Wählergunst verlieren und geringere Chancen haben, die Präsidentschaftswahlen 2027 zu gewinnen. Daher hofft Askola, dass auch der linke Kandidat Mélenchon die Wahlen in der Stichwahl nicht gewinnt. Eine starke Linke, die den Ministerpräsidenten stellt, würde der RN helfen, den Märtyrermythos weiterhin vor sich her zu tragen und somit die Aussichten auf einen Sieg in den weit wichtigeren Präsidentschaftswahlen 2027 vergrößern.
Joni Askola schreibt auf X:
„Ruhe bewahren: Die Ergebnisse der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen entsprechen Macrons Plan. Ungeachtet dessen, was viele (...) in den nächsten Tagen behaupten werden, ist das Ergebnis von heute Abend weder ein Erdbeben noch eine Überraschung. Alle Umfragen deuteten in diese Richtung, und die Ergebnisse entsprechen genau Macrons Plan. Macrons Ziel bei der Auflösung des Parlaments war es, die Rassemblement National für die nächsten drei Jahre in eine Kohabitationsregierung zu bringen, sie zum Regieren zu zwingen und ihre Aussichten auf einen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2027 zu verringern. Für diejenigen unter uns, mich eingeschlossen, die fest entschlossen sind, den Sieg der extremen Rechten zu verhindern, mag dies paradox erscheinen. Um die Chancen der RN auf einen Sieg im Jahr 2027 zu verringern, ist ihr Sieg bei dieser Wahl jedoch entscheidend. Der zweite Wahlgang verspricht spannend zu werden, und es wird von entscheidender Bedeutung sein, zu beobachten, ob die RN eine absolute Mehrheit erringen kann. Eine andere Frage ist, ob wir auf das Erreichen dieser Mehrheit hoffen sollen oder nicht. Es ist immer schwierig, den Ausgang der zweiten Runde in Frankreich vorherzusagen. Es wird zahlreiche ‚Triangulaires‘ geben, d. h. drei Kandidaten, die in der zweiten Runde antreten, was die Vorhersagen weiter erschwert.“
Dann heißt es weiter: „Die NFP (Nouveau Front populaire, Anm. d. Red.) ist immer noch aktiv auf der Suche nach einem Sieg. Nichtsdestotrotz deuten die Prognosen auf einen möglichen Sieg der RN hin. Mélenchon bewirbt sich offensichtlich um die Rolle des potenziellen nächsten Premierministers, eine Entwicklung, die für diejenigen, die den Erfolg der RN im Jahr 2027 verhindern wollen, ungünstig wäre. Erhält die RN die absolute Mehrheit, kann sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen und sich nicht herausreden. Gelingt es ihnen hingegen nicht, die absolute Mehrheit zu erlangen, haben sie den Vorteil, dass sie ihre Ziele nicht so leicht erreichen können und Schwierigkeiten beim Regieren haben werden. Die Tripolarisierung Frankreichs wird zu einer greifbaren Realität. Macron hat sie aktiv angestrebt, und jetzt wird sie Wirklichkeit. Es wird spannend sein zu beobachten, ob sich seine Spielchen 2027 auszahlen. Diejenigen, die gegen die RN sind, sollten sich wünschen, dass die NFP in der zweiten Runde keinen Erfolg hat. Mélenchon als Premierminister wäre die effektivste Methode, um den Weg für die Wahl eines RN-Präsidenten im Jahr 2027 zu ebnen, was wesentlich schlechter wäre als eine RN-Regierung im Moment.“
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