Bürgergeld für Flüchtlinge? So schaut die Ukraine auf die deutsche Debatte

bürgergeld für flüchtlinge? so schaut die ukraine auf die deutsche debatte

Eine aus der Ukraine geflüchtete Familie läuft am Grenzübergang Medyka kurz hinter der ukrainischen Grenze auf polnischer Seite zur Weiterfahrt mit dem Bus auf.

Die Bürgergeld-Debatte für geflüchtete Ukrainer sorgt für Zündstoff. Hierzulande sprechen sich immer mehr Parteien dafür aus, die Unterstützungsmaßnahmen für geflüchtete Ukrainer zu überdenken. Dabei speist sich die Diskussion nicht nur aus innenpolitischem Kalkül vor den Herbstwahlen in drei ostdeutschen Bundesländern. Hat vielleicht auch die ukrainische Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Interesse daran, dass mehr Ukrainer wieder in ihre Heimat zurückkehren – angesichts der dramatischen Lage an der Front im Osten und Süden des Landes?

Die Kritik an den Unterstützungsmaßnahmen für geflüchtete Ukrainer in Deutschland wächst jedenfalls innerhalb der Parteienlandschaft. Nicht nur oppositionelle Parteien – von der AfD über die CDU bis zum BSW – fordern ein Umdenken beim Bürgergeld, auch aus der Ampelkoalition, namentlich aus der FDP, haben sich nun Politiker gegen die Sozialleistung für Ukrainer ausgesprochen.

„Neu angekommene Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten kein Bürgergeld mehr erhalten, sondern unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen“, sagte beispielsweise FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Bild-Zeitung vor wenigen Wochen. Dies, so sein Vorschlag, würde mehr Menschen aus der Ukraine dazu zwingen, sich einen Job zu suchen. „Wir haben überall Arbeitskräftemangel – zum Beispiel in der Gastronomie und im Baugewerbe oder im Pflegebereich“, argumentiert Djir-Sarai, „wir sollten nicht länger Steuergelder verwenden, um Arbeitslosigkeit zu finanzieren, sondern wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen Arbeit bekommen.“

Die SPD und Bundeskanzler Olaf Scholz sowie die Grünen lehnen diesen Vorschlag ihres Koalitionspartners ab. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte in einem Radiointerview, er finde, „dass diejenigen, die als Geflüchtete im Bürgergeld sind, besser und schneller in Arbeit kommen müssen“. Bereits jetzt seien 187.000 ukrainische Geflüchtete in sozialversicherungspflichtiger Arbeit. Es wäre für Heil falsch, das Bürgergeld für Ukrainer zu streichen. Sein Argument: Durch Investitionen in die Arbeitsfähigkeit mache man Menschen beschäftigungsfähig.

Im Gegensatz dazu erhielt der Vorschlag der FDP große Unterstützung von der Union. Laut Michael Stübgen, dem Innenminister der Brandenburger CDU, „passt es nicht zusammen, davon zu reden, die Ukraine bestmöglich zu unterstützen, und im gleichen Atemzug fahnenflüchtige Ukrainer zu alimentieren“. Der gebürtige Lausitzer hatte die Bürgergeld-Debatte hierzulande mit seiner Aussage mehr oder weniger ins Rollen gebracht. Das Bürgergeld ist für Stübgen zu einem „Bremsschuh“ für die Arbeitsaufnahme geworden. Allerdings sollten nicht nur ukrainische Männer im wehrfähigen Alter kein Bürgergeld mehr erhalten; auch für ukrainische Frauen müsse es eine neue Regelung geben.

Die in Deutschland hochkochende Debatte wird auch in der Ukraine verstärkt wahrgenommen. Schon im Februar zitierten ukrainische Medien den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), der damals kritisierte, dass sich Ukrainer, verglichen mit anderen Bevölkerungsgruppen, die nach Deutschland kommen, am einfachsten integrieren lassen –  dass allerdings nur 20 Prozent von ihnen arbeiten würden.

Die Kiewer Wochenzeitung Dzerkalo Tyzhnia, die in der ukrainischen Geschäftswelt und im Polit-Establishment viel gelesen wird, schrieb vor einer Woche: „Deutschland plant keine Kürzung der Hilfe für die Ukrainer.“ Sie bezog sich auf Regierungssprecher Steffen Hebestreit, der bei einer Pressekonferenz der Bürgergeld-Kürzung für Ukrainer eine Absage erteilt hatte. Die Autorin ging in wenigen Worten auf die sich ausbreitende Debatte in Deutschland ein und beendete ihren Text mit den Sätzen: „Es sei daran erinnert, dass Deutschland keine Anreize für die Rückkehr von Flüchtlingen aus der Ukraine in ihre Heimat setzen wird. Die Bundesregierung sagt, dass dies die persönliche Entscheidung jedes einzelnen Flüchtlings sei.“

Während die Bürgergeld-Thematik in anderen ukrainischen Online-Medien, etwa bei der Nazionalna Suspilna Teleradiokompanija Ukrajiny, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Land, oder beim ukrainischsprachigen Ableger der Deutschen Welle in den vergangenen Tagen ebenfalls verstärkt behandelt wird, haben sich auch ukrainische Blogger und YouTuber geäußert. Der Kanal „I’m from Ukraine“ (zu Deutsch: Ich komme aus der Ukraine) mit mehr als 50.000 Abonnenten erwähnte in einem Nachrichtenrückblick die Aussagen des CSU-Politikers Alexander Dobrindt, der vor wenigen Tagen gefordert hatte, Ukrainer müssten in Deutschland einer Arbeit nachgehen oder in den – vermeintlich sicheren – Westteil ihres Landes zurückkehren.

Hunderte User kommentieren das Video: Sie fragen, wie sich die Situation rund um das Bürgergeld in Deutschland entwickeln werde, begründen ihre Arbeitslosigkeit mit mangelnden Deutschkenntnissen, monieren hohe Sprachanforderungen oder klagen über unterqualifizierte Arbeitsstellen, die ihnen angeboten würden.

Die Berliner Zeitung fragte bei Gesprächspartnern in der Ukraine nach, ob die Debatten in das osteuropäische Land überschwappen. Hannah, eine 30-Jährige aus dem westukrainischen Lwiw, hat vor wenigen Tagen über einen Instagram-Kanal erstmals von der Bürgergeld-Diskussion erfahren. „Ich kann die Forderungen verstehen, die Gelder vorübergehend zu kürzen oder gänzlich zu stoppen“, sagt sie. Hannah, eine glühende Unterstützerin der ukrainischen Armee, fordert insbesondere die Rückkehr wehrpflichtiger Männer, die in Anbetracht der Lage an der Donbassfront benötigt würden.

Ein in Kiew verbliebener Student der Wirtschaftsuniversität, der anonym bleiben möchte, sagt, er habe vorausgesehen, dass die Subventionen für geflüchtete Ukrainer im EU-Raum mit der Zeit zu Problemen führen würden: „In Deutschland arbeiten viel weniger ukrainische Kriegsflüchtlinge als in Polen, im Baltikum oder in Tschechien.“ Das habe auch etwas mit dem Bürgergeld zu tun. Außerdem habe er schon vor der aufflammenden Debatte erkannt, dass die Solidarität der deutschen Bevölkerung mit der Zeit abnehmen werde: „Berichte über den fatalen Wohnungsmangel in deutschen Städten werden auch in der Ukraine übermittelt.“

Geflüchtete aus der Ukraine erhalten in Deutschland im Rahmen der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie Bürgergeld. Die EU-Mitgliedstaaten beschlossen erstmals wenige Tage nach Beginn der russischen Invasion im Februar 2022, diese Richtlinie zu aktivieren. Geschaffen wurde das Flüchtlingsrecht in Krisenzeiten schon 2001 nach dem Bürgerkrieg auf dem Balkan.

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Europaweit liegt Deutschland im Tabellenkeller: Nur etwa 19 Prozent der geflüchteten Ukrainer gehen hierzulande einer Arbeit nach.

Alleinstehende Ukrainer bekommen einen monatlichen Betrag von 563 Euro; für Ehepaare gibt es jeweils 506 Euro. Hinzu kommt noch das Geld für eine Wohnung und weitere Kosten, etwa für Schulmittel bei Kindern. Insgesamt übersteigen die Leistungen das, was Asylbewerber hierzulande nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten – sie bekommen gut 200 Euro weniger im Monat, also 354 Euro, und darüber hinaus keinerlei Hilfe vom Jobcenter.

Die im europaweiten Vergleich niedrige Erwerbstätigenrate beschäftigt Beobachter seit mehreren Monaten. Auch wenn seit Beginn des Krieges laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen etwa sechs Millionen Ukrainer in der EU Zuflucht fanden, haben sich die Verhältnisse in Europa unterschiedlich entwickelt. Deutschland hat mit mehr als 1,1 Millionen Ukrainern mit Abstand die meisten aufgenommen, gefolgt von Polen mit 960.000. „In Tschechien ist jeder dreißigste Einwohner ein Flüchtling aus der Ukraine, in Frankreich dagegen nur jeder tausendste. In Deutschland gibt es permanente Unterstützungszahlungen, in Polen nur für 120 Tage und für Arbeitsunfähige“, heißt es in einer Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) vom Oktober 2023.

So stellen die Autoren der Studie auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine geringere Integrationsbereitschaft als in anderen europäischen Ländern fest. Während in Deutschland nur 19 Prozent der Geflüchteten aus Charkiw, Odessa, Kiew und anderen Regionen einer Beschäftigung nachgehen, sind es in Polen oder Tschechien 65 und 66 Prozent.

Spitzenreiter sind die Dänen, bei denen 78 Prozent aller geflüchteten Ukrainer arbeiten. Die Kehrseite der Medaille ist laut FES, dass es in Polen oder den Niederlanden (50 Prozent Beschäftigung) viele Berichte von Ausbeutung und Unterbezahlung hoch qualifizierter Ukrainer gibt.

Auch der Vergleich mit den Leistungen für geflüchtete Ukrainer in anderen EU-Ländern lohnt sich: In Belgien erhalten Alleinlebende eine staatliche Sozialhilfe von fast 1300 Euro plus die gesetzliche Krankenversicherung. In Frankreich ist es die Hälfte – und ohne Krankenversicherung. Ukrainische Flüchtlinge in Österreich erhalten 40 Euro Taschengeld im Rahmen einer sogenannten Grundversorgung mit Unterbringung in „geeigneten Unterkünften“ sowie Verpflegung und Krankenversorgung.

Im südosteuropäischen Rumänien bekommen alleinstehende Ukrainer umgerechnet 150 Euro. In Polen erhalten ukrainische Erwachsene überhaupt keine dauerhaften Geldleistungen, sondern lediglich umgerechnet 69 Euro anlässlich der Ankunft. In polnischen Städten können Ukrainer 120 Tage lang kostenlos in einer öffentlichen Unterkunft wohnen, im Anschluss müssen sie die Hälfte der Miete selbst zahlen.

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An der rumänisch-ukrainischen Grenze bildeten sich im Frühjahr 2022, kurz nach Beginn der russischen Invasion, lange Menschenschlangen.

Im politischen Kiew verfolgt man die Unterstützungsleistungen für ukrainische Geflüchtete mit Argusaugen. Die militärische und ökonomische Lage im Land ist dramatisch; akuter Soldatenmangel und fortlaufende Fluchtbewegungen halten an. Im April stoppten die ukrainischen Behörden die Verteilung von Reisepässen an im Ausland lebende männliche Staatsangehörige im Alter von 18 bis 60 Jahren. Männer sollen mit diesem Schritt zur Rückkehr bewegt werden. Zudem verschärfte Kiew die Mobilisierungsregeln. Verweigerern drohen höhere Strafen, verurteilte Häftlinge können jetzt einberufen werden.

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