Exklusives Interview mit FOCUS online - Top-Ökonom Lars Feld: So stoppen wir die Firmenflucht ins Ausland

exklusives interview mit focus online - top-ökonom lars feld: so stoppen wir die firmenflucht ins ausland

Prof. Dr. Lars P. Feld IMAGO/IPON

Ökonom Lars Feld berät seit Jahren die Politik als Wirtschaftsweiser und aktuell auch als Berater für Finanzminister Christian Lindner. Im Interview mit FOCUS online erklärt er, warum die Politik nicht immer die wirtschaftlich besten Entscheidungen trifft - und welche das für Deutschland wären.

FOCUS online: Die Politik mischt sich gefühlt immer tiefer in die deutsche Wirtschaft ein. Das ist eigentlich aber nicht die Strategie der FDP, deren Chef Christian Lindner Sie beraten. Macht das dann noch Spaß, was Sie da machen?

Lars Feld: Naja, es ist natürlich ein bisschen komplizierter. Mir macht Politikberatung Spaß, sonst würde ich lassen. Es gibt manchmal Verpflichtungen, an denen kommt man nicht vorbei, aber als Universitätsprofessor habe ich schon sehr viel Freiraum zu entscheiden, was ich wirklich mache und was nicht.

Aber man muss doch irgendwas umsetzen können, sonst ist der Spaß zumindest bei mir begrenzt.

Feld: Ich bewege mich in der Politikberatung nicht mit der Vorstellung, dass die Politik gefälligst die Mehrheiten zusammenbringen solle, um meine Vorschläge umzusetzen. Abgesehen davon, dass dies ein seltsames Demokratieverständnis wäre, funktioniert Politik so nicht. Ich kann nur Argumente für oder gegen bestimmte Politikmaßnahmen liefern, aber am Ende verantworten die Politiker ihre Entscheidungen und nicht ich.

Surftipp:Lesen Sie hier Teil 1 unseres Interviews mit Lars Feld.

Haben Sie den Eindruck, dass das Verständnis für Ihre Vorschläge und die Bereitschaft, sich beraten zu lassen, in der Politik groß genug sind?

Feld: Ein offenes Ohr habe ich nie vermisst. Auch unter Angela Merkel nicht, ganz im Gegenteil. Wenn wir mit dem Sachverständigenrat bei Angela Merkel und ihrem Kabinett zu Gast waren, war die Kanzlerin jedes Mal die am besten Vorbereitete. Das wird ihr ja in allen Zusammenhängen nachgesagt. Sie hat deutsche Interessen in Europa gut vertreten, weil sie in der Lage war, in den Nächten bis in die frühen Morgenstunden wach und konzentriert zu bleiben. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass politische Entscheidungen eben anders laufen. Manchmal lassen sich Maßnahmen nicht verhindern, die wirtschaftspolitisch unvernünftig sind. Man denke an die Rentengeschenke der Vergangenheit, wie die Mütterrente oder die Rente mit 63 für langjährig Versicherte.

Dass Politiker in einem schwierigen Spannungsverhältnis agieren, muss man also als Berater akzeptieren?

Feld: Ich bin politischer Ökonom, also habe ich politische Zusammenhänge aus volkswirtschaftlicher Sicht intensiv analysiert. Ich kenne die Anreize von Politikern und habe ein ganz gutes Verständnis dafür, wie Politik hierzulande funktioniert. Und wenn man das weiß, dann geht man schon mal mit viel, viel mehr Bescheidenheit in diese Rolle hinein. Ich habe nicht die Vorstellung, dass ich einen Vorschlag mache, den ich super finde und dann findet den der Rest der Welt, die politisch zu entscheiden hat, auch super. Das ist nun mal nicht so.

Und wie steht es um das Verständnis?

Feld: Wir haben sicherlich Politiker und Politikerinnen, die noch deutliche Verbesserungen in ihrer wirtschaftspolitischen Kompetenz erreichen können. Zugleich habe ich bei denjenigen, die länger im Geschäft sind und sich in den Ausschüssen spezialisiert haben, sehr viel Kompetenz feststellen können. Die Kompetenz in den Ministerien, was die Beamtinnen und Beamten anbetrifft, ist ebenfalls sehr hoch, wobei es natürlich Unterschiede gibt. Es gibt Ministerien, die gut laufen und Ministerien die schlechter laufen, das Bundesfinanzministerium gehört zu den am besten laufenden.

Der IWF rechnet dieses Jahr mit 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum in Deutschland.  Was würden Sie, ganz einfach erklärt, tun, um die Prognose zu verbessern?

Feld: Ich würde die Rahmenbedingungen allgemein so verbessern, dass wir insbesondere beim Mittelstand eine größere Investitionsfreude schaffen.

Wie das?

Feld: Indem wir Arbeitskosten und Energiekosten reduzieren. Angesichts der Rahmenbedingungen wäre es zwar leichter, Steuerbelastung und Regulierungskosten herabzusetzen. Dies ist jedoch politisch nicht ganz einfach, weil innerhalb der Bundesregierung Interessen gegeneinanderstehen.

Warum?

Feld: Einer Entschärfung des Arten- oder des Lärmschutzes, um Infrastrukturinvestitionen zu erleichtern, stimmen nicht alle Koalitionspartner mit Freude zu. Ähnlich ist es beim Datenschutz und beim Arbeitsrecht.

Der Mittelstand ächzt tatsächlich unter vielen Regularien. Ein Werk, das in den USA innerhalb von elf Monaten steht, baut man in Deutschland eher in drei Jahren.

Feld: Ja, das ist absurd: Es fängt ja schon mit dem Zeitpunkt an, zu dem Sie den Bauantrag stellen. Stellen Sie den im Herbst nach der Sommerpause und das Problem könnte sein, dass es am Bauort eine seltene Insektenart gibt, dann warten Sie ganz sicher die neun Monate bis zum Frühjahr, um dann, wenn die Larven geschlüpft sind, zu überprüfen, wie selten die Käfer sind. Was wir uns da mittlerweile leisten, kann einfach nicht sein.

Was kann man steuerpolitisch tun?

Feld: Der Bund könnte den Solidaritätszuschlag stufenweise abschaffen. Der Rest-Soli liegt inzwischen zu deutlich mehr als der Hälfte auf unternehmerischen Einkünften. Wenn es diese Bundesregierung nicht schafft, dann wird das Bundesverfassungsgericht dies anordnen. Die Chancen stehen relativ gut, dass der Soli dann abgeschafft wird.

Und deswegen könnte die Bundesregierung das direkt freiwillig machen?

Feld: Dann hätte sie zumindest den politischen Vorteil. Wenn sie vom Verfassungsgericht gezwungen wird, dann hat sie keine politischen Vorteile.

Was schlagen Sie darüber hinaus vor oder würden Sie es beim Soli belassen?

Feld: Der Soli hat vom Finanzvolumen schon genügend Wumms, würde ich sagen. Das wären mittlerweile gut zehn Milliarden Euro im Jahr. Das muss der Bundeshaushalt erstmal jährlich verkraften. Bei anderen Maßnahmen bin ich zurückhaltend. Bei der Körperschaftsteuer oder der Gewerbesteuer müssten ja die Länder mitmachen. Und die Länder sind bisher nicht bereit gewesen, Abstriche zu machen. Wenn der Leidensdruck bei den Ländern hinsichtlich der Wirtschaftsentwicklung steigt, wäre die Bemessungsgrundlage ein guter Ansatzpunkt.

Wie stehen Sie zum Bürokratieabbau insgesamt, jetzt mal losgelöst von den Kosten?

Feld: Ich habe bereits zwei Punkte angesprochen, also Arbeitsmarktregulierung und Umweltrecht, die vereinfacht werden müssen. Datenschutz ist ebenfalls ein Thema, bei dem ich ansetzen würde. Denn wenn Deutschland bei der künstlichen Intelligenz mehr Entwicklung haben will, dann wird man das deutsche Datenschutzniveau reduzieren müssen.

Sonst sind wir wieder diejenigen, die hinterherhecheln und sich wundern.

Feld: Das sind wir sowieso. Man kann die jüngsten Nachrichten über Unternehmensentscheidungen auch als Alarmsignale verstehen. Die werden gern relativiert, weil es Einzelbeispiele sind. Aber nehmen Sie die Erweiterungsinvestition, die BioNTech vorgenommen hat, die fand nicht in Mainz statt, sondern in England. Erstens, weil die Baugenehmigung für das Werk schneller da war, zweitens wegen der Genehmigung von Tierversuchen. Die Pharmaindustrie kommt nicht ohne Tierversuche aus, in Deutschland ist das aber extrem schwierig. Hinzu kommt, dass BioNTech die Datenauswertung auf einem ganz anderen Niveau durchführen kann, weil der britische Datenschutz im Gesundheitswesen nicht so stark ausgeprägt ist wie in Deutschland. Um Forschungsergebnisse entsprechend evaluieren zu können, brauchen Sie nun mal Daten, und zwar eine große Menge an Daten. Schließlich gibt es wohl steuerliche Gründe für den Wechsel. BioNTech könnte vielleicht zukünftig nicht mehr in Deutschland versteuern; Rheinland-Pfalz würde wieder Nehmerland im Finanzausgleich.

Zum Abschluss: Was wäre ein Grund, warum sie zuversichtlich sind, dass wir unsere wirtschaftliche Situation geregelt kriegen?

Feld: Ich will die Alarmsignale, insbesondere die Erweiterungsinvestitionen des Mittelstandes im Ausland, nicht relativieren. Die sind alarmierend! Wenn eine Firma wie Stihl lieber in der Schweiz die nächste Erweiterung vornimmt, was ja wirklich kein Niedrigkostenstandort ist, oder eine Firma wie Miehle Arbeitsplätze in Deutschland ab- und in Polen aufbaut, dann ist das besorgniserregend. Aber auf der anderen Seite muss man beachten, dass es dieses Land sowohl politisch als auch gesellschaftlich immer wieder geschafft hat, in schwierigen Phasen umzusteuern, – und zwar besser, als es unsere europäischen Partner in Frankreich, Italien oder Spanien in der Vergangenheit hinbekommen haben.

Wie viel Zeit haben wir dafür?

Feld: Die Zeit drängt.

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