Schützt die Demokratie vor faschistischen Ideen!
Kolumne
Schützt die Demokratie vor faschistischen Ideen!
Hierzulande und in anderen EU-Staaten werden die Menschen weiter gegen Rechtspopulisten und Rechtsextreme demonstrieren müssen.
Das Einsickern faschistischer Slogans und Ideen in die Gesellschaft muss gestoppt werden. Sonst übernehmen jene die Macht, die ein anderes Land wollen. Die Kolumne.
Es gibt schleichende Entwicklungen, die man wahrnimmt und bei denen man zugleich den Impuls verspürt, sich bloß nicht zu sehr davon beeindrucken zu lassen. Es wird schon nicht so schlimm kommen. Wir haben ja gelernt, Warnrufen zu begegnen. Unser Misstrauen gegenüber den Verkündern apokalyptischer Aussichten – ob sie jüngste russische Atom-Drohungen oder die nahende Klimakatastrophe betreffen – hält sich noch wacker.
Aber die Schutzschicht unserer Selbstgewissheit wird dünner, und an manchen Stellen bricht sie auf. Wir beginnen, uns mit Wahlergebnissen abzufinden, die eine rechtsradikale Partei demnächst auf Landesebene siegen ließen – die letzte Hoffnung heißt Brandmauer. Doch wenn diese fällt, wird wohl auf die Freiwillige Feuerwehr kein Verlass mehr sein, weil auch ihre Mitglieder das normale Wahlvolk abbilden.
Jüngst wurde in Hamburg und in Berlin ein Staatsgast zunächst mit einer Hayek-Medaille für rechtsliberale Marktlogik geehrt und dann im Bundeskanzleramt empfangen. Der Präsident Argentiniens ist ein Trump-Verehrer, er bezeichnet das Parlament im eigenen Land als Rattennest, bekennt sich zu „staatlicher Grausamkeit im Sinne der Freiheit“, die Kettensäge war das Markenzeichen seines Wahlkampfs.
Dieser Tage ist ein aktualisiertes Buch erschienen, das Jason Stanley, Philosophieprofessor an der Yale University, nicht ganz zufällig zum ersten Amtsantritt Trumps veröffentlichte: „Wie Faschismus funktioniert“. Seine in Berlin lehrende Kollegin Rahel Jaeggi nennt es in ihrem Vorwort eine „Handreichung zur Früherkennung“, um sich dem Sog der Normalisierung des faschistischen Mythos zu entziehen. Es gelte, der eigenen Abwehrhaltung, die den Warnruf vor dem Faschismus für übertrieben hält, zu misstrauen.
Wir erleben doch, wie Spuren von antidemokratischem und zuweilen menschenfeindlichem Verhalten in den Alltag eindringen, wie sich das einst Unsagbare in plötzlich Sagbares verwandelt. Außer Kontrolle befindliche „soziale“ Medien haben das ihrige dafür getan.
Jaeggi wie auch der Autor gehen nicht alarmistisch vor. Nicht der Faschismus droht als Wiederkehr – es geht um dessen Taktiken und ebensolches Denken. Stanley hat eine außerordentlich gründliche und auch tief in die US-Geschichte des Rassismus und der Gewaltverherrlichung eindringende Analyse vorgelegt.
Faschistische Politik zur Mehrung von Macht
Den Faschismus definiert er als Ultranationalismus, der mit hohem Propagandaaufwand die ethnische, religiöse und kulturelle Überlegenheit gegenüber „den anderen“ verbreitet. Die Nation wird durch einen autoritären Anführer vertreten. Faschistische Politik dient als Instrument zur Mehrung von Einfluss und Macht.
Es bedarf nicht eines Militärputsches. So wie in Deutschland nach einem Wahlsieg der NSDAP die Politik der Gleichschaltung und allmählichen Nazifizierung die ganze Gesellschaft in den Abgrund zog, der als Siegeszug gefeiert wurde, seien auch heute ähnliche Prozesse in einigen der größten Demokratien vorstellbar.
Stanley beschreibt – und wir können es in Italien, Ungarn, möglicherweise demnächst auch in Frankreich verfolgen –, wie überall auf der Welt rechtsextreme Bewegungen auf dem Vormarsch sind. Demagogische Anführer folgen ultranationalistischen Konzepten und setzen diese – wo sie nicht genug Gegenwehr erfahren – auch um.
Dieses lesenswerte Buch ist als Appell geschrieben: Verweigert euch, den Betörungen durch faschistische Mythen zu folgen! Schützt die Demokratie vor jenen, die sie nutzen wollen, nur um sie am Ende zu zerstören!
Klaus Staeck ist Grafiker.