„Besteuert die Reichen“: Mehrheit der Deutschen für Vermögenssteuer
Bei G20-Treffen auf der Agenda
„Besteuert die Reichen“: Mehrheit der Deutschen für Vermögenssteuer
reichensteuer abgabe deutschland umfrage meinungsforschung g20 staaten
Beim G20-Finanzminister-Treffen steht eine Sondersteuer für Superreiche erstmals auf der Agenda. Der Großteil der Menschen in den größten Volkswirtschaften der Welt befürwortet eine solche Steuer.
Berlin – In einer Welt, in der das reichste Prozent fast die Hälfte des weltweiten Reichtums besitzt, wird der Ruf nach einer Vermögenssteuer lauter. „Tax the rich“ – zu Deutsch etwa „Besteuert die Reichen“ – lautet etwa eine Forderung einer europäischen Bürgerinitiative. Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Ipsos zeigt, dass die Mehrheit der Menschen in den G20-Staaten diese Idee befürwortet: 68 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, das Vermögen von Reichen höher zu besteuern.
G20-Umfrage: Rund zwei Drittel der Deutschen befürworten Vermögenssteuer
Deutschland liegt beim Thema Reichensteuer genau im Schnitt der 20 größten Volkswirtschaften der Welt: Hierzulande sprachen sich ebenfalls 68 Prozent der Befragten für eine Steuer für Vermögende aus, um wichtige Veränderungen in der Wirtschaft etwa für den Klima-Umbau zu finanzieren. Die größte Zustimmung fand eine Reichensteuer in Indonesien: Dort waren 86 Prozent der befragten Menschen dafür, in Saudi-Arabien und Argentinien war die Zustimmung mit jeweils 54 Prozent am niedrigsten.
Was genau mit einer Vermögenssteuer laut Umfrage gemeint ist und bei welcher Höhe an Vermögen diese beginnen soll, definierten die Meinungsforscher nicht genauer. Geht es um die Besteuerung von vermögenden Menschen, ist in der Regel von einer Steuer auf große Vermögen die Rede. Laut der Bürgerinitiative „Tax the rich“ geht es dabei um eine höhere Besteuerung extremen Reichtums. Die Umfrage kommt nicht von ungefähr: Beim Treffen der Finanzminister der G20-Länder in Brasilien im Juli steht das Thema einer Sondersteuer für Superreiche zum ersten Mal auf der Tagesordnung.
RAlexandria Ocasio-Cortez Met Gala steuer superreiche aoc tax the rich
Zwei Drittel der Befragten in G20-Staaten für sofortige Klimaschutzmaßnahmen
Die Umfrage ergab auch, dass 71 Prozent der Bürger und Bürgerinnen in den 18 befragten G20-Ländern glauben, dass die Welt beim Klimaschutz sofort handeln müsse. Mehr als zwei Drittel sind demnach der Meinung, dass Emissionen aus Strom, Verkehr, Lebensmitteln, Industrie und Gebäuden innerhalb eines Jahrzehnts reduziert werden müssen. Die höchste Zustimmung gab es in Mexiko mit 91 Prozent, Südafrika mit 83 Prozent und Brasilien mit 81 Prozent. Länder, in denen sich der Klimawandel in Form von Naturkatastrophen bereits deutlich bemerkbar macht.
Am wenigsten Zustimmung fanden sofortige Klimaschutzmaßnahmen in Saudi-Arabien mit 62 Prozent, Japan mit 53 Prozent und den USA und Italien mit jeweils 62 Prozent. Doch auch hier waren noch immer mehr als die Hälfte aller Befragten der Meinung, dass sofortiger Klimaschutz nötig sei. In Deutschland glaubten dies 66 Prozent der Befragten. Auch einer im Juni veröffentlichten Umfrage des UN-Entwicklungsprogramms UNDP unter 75.000 Menschen in 77 Ländern zufolge forderten 80 Prozent der Befragten eine Verstärkung des Kampfes gegen die globale Erwärmung in ihrem Land.
Allein: Diese in den Umfragen gemessenen Überzeugungen der Menschen schlagen sich nicht in den Wahlergebnissen vieler Länder oder der Europawahl nieder. Dort wurden Klimaschutz-Parteien zuletzt abgestraft, rechte Parteien legten deutlich zu. Meinungsforscher betonen, dass bei Befragungen auch die soziale Erwünschtheit einer Antwort eine Rolle spielen kann.
Über die Ipsos-Studie
Ipsos befragte im Auftrag von Earth4All und der Global Commons Alliance 22.000 Menschen zwischen 18 und 55 bis 75 Jahren repräsentativ hinsichtlich Alter, Geschlecht, Region und Erwerbsstatus in insgesamt 22 Staaten, darunter in 18 G20-Staaten. Jeweils 1000 Menschen befragte das Institut in den G20-Ländern Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, China, Frankreich, Deutschland, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Mexiko, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, Vereinigtes Königreich und den USA. Einige der Fragen wurden allerdings in China nicht gestellt und damit nur in 17 G20-Staaten. Weitere befragte Länder, die nicht zu den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern zählen, waren Österreich, Dänemark, Kenia und Schweden. Die prozentualen Gesamtergebnisse der G20 sind laut den Meinungsforschern die arithmetischen Mittel der nationalen Ergebnisse. Umfragen stellen immer Momentaufnahmen dar.
Reichensteuer und Vermögenssteuer in Deutschland: Mögliche Effekte
In Deutschland gibt es schon eine „Reichensteuer“: Diese gilt für zu versteuernde Einkommen von 277.826 Euro pro Jahr oder mehr. Wer mehr verdient, zahlt den Steuersatz von 45 Prozent auf den Anteil, der über dieser Grenze liegt. Schätzungen zufolge könnte eine Verschärfung der Erbschaftssteuer in Kombination mit einer Vermögenssteuer für sehr große Vermögen in Deutschland Mehreinnahmen pro Jahr von rund 70 Milliarden Euro erzielen. Statt die Reichsten der Reichen mehr zur Kasse zu bitten, drehte sich die Debatte zuletzt vermehrt über Kürzungen bei den Ärmsten, wie die zahlreichen Diskussionen über das Bürgergeld oder Asylhilfen zeigen.
Im April hatte die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) in einem Gastbeitrag im Spiegel zusammen mit anderen Regierungsmitgliedern aus Spanien, Südafrika und Brasilien die Besteuerung für Superreiche gefordert. Weltweit gebe es ungefähr 3000 Milliardäre, diese sollen eine Mindestabgabe in Höhe von zwei Prozent auf ihre Vermögen bezahlen, so der Vorschlag. Der Ökonom Rüdiger Bachmann plädiert aus praktischen Gründen für eine Erbschaftssteuer statt einer Vermögenssteuer. Denn für die Vermögenssteuern müssten Vermögen bewertet werden, bei manchen Vermögensgegenständen sei das einfacher, bei anderen komplexer, erklärte der Experte im Podcast „Lage der Nation“. Dann „gibts Umgehungstatbestände, dann investieren die Leute in die Assets, die schwierig zu bewerten sind, die man vielleicht herausgenommen hat“.