Geplatzte Wachstumsträume – Diese Sparte bereitet Airbus große Sorgen
Der Flugzeugbauer erwartet einen Ertragsrückgang. Die Produktion der A320-Maschinen fällt 2024 geringer aus als ursprünglich geplant. Die liegt zwar immer noch deutlich über den Zielen des Dauerrivalen Boeing. Das größte Problem macht jedoch vor allem ein Geschäftsfeld.
Ein Airbus A300-600ST – auch „Beluga“ genannt AFP/ED JONES
Flugzeugen fehlen Triebwerke, Satelliten bereiten Probleme: Bei Europas größtem Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus ist der Aufschwung weitgehend gestoppt. Die erst vor zwei Monaten bestätigten höheren Auslieferziele für die meistverkaufte Flugzeugfamilie A320 sowie die erwartete Ergebnisverbesserung sind Makulatur. Statt mehr Gewinn in diesem Jahr wird ein Ertragsrückgang erwartet.
Airbus musste jetzt zugeben, dass nur 770 statt 800 Exemplare der A320-Familie 2024 aus der Produktion rollen. Das ist immer noch mehr als im Vorjahr und liegt deutlich über den Jahreszielen des in einer tiefen Krise steckenden Dauerrivalen Boeing. Doch den größten Beitrag zu den geplatzten Aufschwungträumen liefert das Satellitengeschäft.
Binnen zwei Jahren summieren sich jetzt die Wertberichtigungen auf 1,5 Milliarden Euro. Soeben verkündete Airbus, dass nach 600 Millionen Euro für 2023 weitere 900 Millionen Euro abgeschrieben werden. Das bereinigte operative Ergebnis wird damit im Konzern im Gesamtjahr auf etwa 5,5 Milliarden Euro zurückgehen und nicht auf 6,5 bis sieben Milliarden Euro steigen. Damit läge das Ergebnis sogar unter dem Wert von 2023.
In der Raumfahrtsparte hat eine umstrukturierte Führung alle Projekte nochmals genau unter die Lupe genommen und weitere Probleme statt Positivüberraschungen gefunden. Airbus-Chef Guillaume Faury nannte vor Analysten zwar keine Details und verwies nur allgemein auf Telekommunikations-, Navigations- und Erdbeobachtungssatelliten.
Aus der Branche ist aber zu hören, dass es sich um eine Mischung aus Verzögerungen und technischen Herausforderungen handelt. Die Auswirkungen seien über die nächsten Jahre hochgerechnet worden, was zu der Riesenabschreibung führte.
Ein Analyst wollte von Faury wissen, ob das Raumfahrtgeschäft zur neuen Problembaustelle mit immer wiederkehrenden Abschreibungen und Verlusten führe, wie einst beim Militärtransporter A400M. Das verneinte der Airbus-Chef.
Airbus verschiebt Produktionsziele erneut
Aus seinen Äußerungen geht hervor, dass die Raumfahrtprobleme nicht unmittelbar mit der neuen Riesenrakete Ariane 6 verknüpft sind, die am 9. Juli zu ihrem Premierenflug abheben soll. Der Generalauftragnehmer ArianeGroup, an dem Airbus zur Hälfte beteiligt ist, schrieb im vergangenen Jahr aber Verluste. In der Raumfahrt gibt es derzeit viel Unruhe. Marktführer SpaceX von Elon Musk setzt mit Technologiesprüngen die Branche unter Druck. Neue Satellitenentwicklungen ändern zudem die Geschäftsmodelle.
Die Airbus-Sparte Rüstung und Raumfahrt wird mit den neuen Wertberichtigungen zum großen Sorgenfall – weil Airbus auch im Rüstungsbereich bislang kaum von der Aufrüstung der Bundeswehr profitieren kann. Die jüngst vom Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete Bestellung von 20 Eurofighter-Kampfjets sind noch lange kein Umsatz.
Dass Airbus in seiner mit Abstand größten Sparte Flugzeugbau die Auslieferungen nicht so rasant hochfahren kann, wie vom Konzernchef Faury gewünscht, kommt nicht wirklich überraschend. Faury würde gerne die Lieferschwäche von Boeing nutzen, aber die Zulieferkette kommt nicht im gewünschten Tempo nach.
Jetzt musste der Airbus-Chef sogar die zweite Verschiebung von Produktionszielen verkünden. Schon im Frühjahr 2023 musste er einräumen, das Ziel von monatlich 75 Flugzeugen der A320-Familie nicht 2025 zu erreichen – sondern erst 2026. Dieses Vorhaben kassiert Airbus erneut. Jetzt heißt es, dieses Ziel würde erst 2027 erreicht.
Offensichtlich ist die Zulieferbranche viel träger als von Faury vermutet. Allerdings sind die Herausforderungen auch enorm. Erst stürzte die Branche durch die Covid-Pandemie in eine tiefe Luftfahrtkrise und jetzt soll sie die Produktion in zuvor noch nie erreichte Stückzahlen ausbauen. Da kommt nicht jeder mit.
In vergangenen Jahren gab es immer mal wieder den Vorwurf von Airbus an die Triebwerkhersteller, dass der Konzern keine Segelflugzeuge bauen will, weil die Turbinen fehlen. Vor Analysten bezeichnete der Airbus-Chef jetzt beide Triebwerke-Lieferanten für die A320-Familie – CFM und Pratt & Whitney – als Engpass.