Neue Tendenz in Frankreich: Erneuerbare Energien verdrängen AKW
Das französische Atomkraftwerk Fessenheim steht am Ufer des Rheinseitenkanals. Der Bau einer Anlage zur Verarbeitung leicht radioaktiven Schrotts sorgte 2023 für Unmut auf der deutschen Seite
Während Deutschland komplett aus der Atomkraft ausgestiegen ist, betreibt Frankreich an 18 Standorten noch 56 Kernkraftwerke. Doch auch diese werden zuletzt immer öfter abgeschaltet. Der Hauptgrund ist der Ausbau der erneuerbaren Energien und die dadurch steigende Produktion von grünem Strom bei sonnigem und stürmischem Wetter.
Da es gleichzeitig an Batteriespeichern fehlt, wurden die französischen Strompreise an der Börse am vergangenen Wochenende wieder negativ, wie das Nachrichtenportal Bloomberg berichtet. Zur Kenntnis: Bei negativen Preisen erhalten die Abnehmer den Strom nicht nur kostenlos, sondern bekommen von den Stromerzeugern noch Geld, weil der Strom meistens sofort verbraucht werden muss. Der französische sogenannte Day-Ahead-Strompreis, zu dem die Stromlieferungen für jede Stunde des folgenden Tages gehandelt werden, fiel bei einer Auktion auf der europäischen Strombörse Epex Spot auf -5,76 Euro pro Megawattstunde, den niedrigsten Wert seit vier Jahren.
Der tägliche Stromverbrauch in Frankreich sank von Donnerstag bis Sonntag laut einer Bloomberg-Berechnung um etwa sechs Gigawatt. Da das passende Wetter die Stromerzeugung aus Solar- und Windkraft gleichzeitig in die Höhe getrieben hatte, forderten die französischen Netzbetreiber den Stromerzeuger Electricite de France (EDF) auf, mehrere Kernkraftwerke vom Netz zu nehmen.
EDF legte bereits am Donnerstag seine Kernkraftwerke Golfech 2, Cruas 2 und Tricastin 1 im Süden des Landes und am vergangenen Wochenende drei weitere still. Einige Produzenten erneuerbarer Energien mussten ihre Stromerzeugung ebenfalls drosseln, um wegen der negativen Preise keine Gebühren zahlen zu müssen.
Die steigende Produktion erneuerbarer Energien und der Mangel an Batteriespeichern führen nicht nur in Frankreich dazu, dass Atomreaktoren in Zeiten geringer Nachfrage abgeschaltet werden, sondern auch in den nordischen Ländern und in Spanien. Frankreich bezieht allerdings noch rund zwei Drittel seines Stroms aus den Atomkraftwerken, sodass eine vorübergehende Abschaltung einiger Reaktoren eher infrage kommt.
Die Zahl der Stunden mit negativen Strompreisen seit ihrer Einführung im Jahr 2008 nimmt tendenziell zu. Auch Deutschland erlebte Anfang Mai an acht Tagen hintereinander negative Strompreise, verursacht durch den massiven Ausbau der Photovoltaik. Dynamische Stromtarife ermöglichen es bisher nur wenigen Kunden, vom Preisverfall an der Börse zu profitieren, sollen aber in der Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Für den deutschen Staatshaushalt bedeutet das bisher nur steigende Ausgaben, denn der Staat hat den Betreibern von Windkraft- und PV-Anlagen eine feste Einspeisevergütung pro Kilowattstunde Strom garantiert. Selbst Finanzminister Christian Lindner (FDP) sprach Anfang Juni auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum im brandenburgischen Bad Saarow dieses Problem an. Ob der Staat bald gegensteuert? Es bleibt abzuwarten.
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