Grundschulen in Northeim: Freies Lernen und machtlose Lehrer
Tansanische Austauschlehrer berichten von ihren Erfahrungen in Deutschland
Grundschulen in Northeim: Freies Lernen und machtlose Lehrer
Tanzen mit den Grundschulkindern: Die Austauschlehrer aus Tansania besuchten nicht nur den Unterricht, sondern sorgten auch dafür, dass die Schüler der Martin-Luther-Schule sich bewegen.
Für Austauschlehrer aus Tansania ist der deutsche Schulalltag eine besondere Erfahrung.
Northeim – 7 Uhr. Kinder versammeln sich vor einer Schule. Ein Lehrer zählt die Schüler durch, jeder hat eine Nummer. Dann geht es los: Die Schüler gehen auf ihre allmorgendliche Joggingrunde, die mindestens 500 Meter lang ist. Danach versammeln sie sich wieder, singen gemeinsam die Nationalhymne und ein paar andere Lieder. Um 8 Uhr beginnt der Unterricht.
So sieht ein normaler Start in einen Schultag in Tansania aus. Dass das in Deutschland ganz anders ist, durften sieben tansanische Austauschlehrkräfte aus verschiedenen Schulen in den vergangenen zwei Wochen erleben. Die Unterrichtsinhalte in Tansania unterscheiden sich kaum von denen in Deutschland. „Die Fächer heißen zwar anders, aber im Großen und Ganzen lehren wir in Tansania das Gleiche, wie in Deutschland“, sagt Blandina William Ngolle im Gespräch mit der HNA. Die Struktur eines tansanischen Schultags sei dagegen etwas anders als hier: Von 8 bis 12.20 Uhr sitzen die Kinder im Klassenraum. Dann gibt es für alle Schüler ein Mittagessen. Wenn sie damit fertig sind, gehen sie zurück in die Klassen. Der Schultag endet um 16.30 Uhr.
Einen deutlichen Unterschied sieht Ngolle in den unterschiedlichen Lehrmethoden der beiden Länder. „In Deutschland können sich die Schüler viel mehr aussuchen, was sie lernen“, erzählt die Austauschlehrerin über ihren Besuch der Martin-Luther-Schule. In Tansania gebe es feste Aufgaben, die die Schüler in einer bestimmten Zeit erledigen müssen. Dabei blieben langsame Schüler oft auf der Strecke.
Neben dem Unterricht gibt es für Schüler in Tansania noch einiges anderes zu tun. „Bei uns ist es normal, dass die Kinder den Klassenraum aufräumen“, erzählt Ngolle. An jedem Freitag räumten die Schüler zudem die ganze Schule auf.
Sie besuchten die Northeimer Schulen: (von links) Blandina William Ngolle, Susanne Barth, Simon Raphael Haule, Kisururi Masero Mwita, Rehema Philiponunby, Teruka Mahenke, Flora Sinai Kusiluka, Luitgardes Parasie und Martha Sanga.
Ganz anders als in Tansania ist der Umgang mit Smartphones an deutschen Schulen. Die Austauschlehrer sind sich einig: Smartphones gehören nicht in die Hände von Kindern, schon gar nicht in der Schule. In Tansania habe kein Schüler ein Smartphone dabei. In Deutschland hätten sie das Gegenteil erlebt – jedes Kind habe ein Handy.
Die tansanischen Austauschlehrer sind auf Einladung der Apostelkirche in Northeim. Vorher waren sie bereits für eine Woche in Hamburg. Dort hospitierten sie in zwei Schulen. In Northeim besuchten sie die Martin-Luther-Schule und die Astrid-Lindgren Schule sowie in Moringen die KGS.
Laut Pastorin Luitgardis Parasie kamen die ersten tansanischen Austauschlehrer im Jahr 2011 nach Northeim. Die Apostelkirche organisiert den Austausch gemeinsam mit einer Kirchengemeinde in Metzingen. „Die Gemeinde ist seit 25 Jahren in Tansania tätig. Die Kosten für die Reise übernimmt Brot für die Welt“, sagt Parasie.
Dass sich der Austausch lohnt, zeigen die vielen Beobachtungen, von denen die Austauschlehrer berichten: „Ich fand es faszinierend, wie viele Kinder aus unterschiedlichen Nationen hier in einem Klassenraum sitzen und wie gut schon die kleinen Kinder mit Computern umgehen können“, erzählt Simon Raphael Haule über seine Erfahrungen an der KGS in Moringen.
Verwundert waren die Austauschlehrer über das Auftreten mancher Eltern in Deutschland. Die Lehrer hätten hier keine Macht gegenüber den Eltern, findet Flora Sinai Kusiluka: „Während einer Unterrichtsstunde, bei der ich dabei war, kam sogar ein Elternteil in unseren Klassenraum, um sich bei dem Lehrer zu beschweren“.
Am Sonntag endet das Programm für die Austauschlehrer. Dann reisen sie zurück in ihre Heimat und versuchen, dort den Unterricht weiterzuentwickeln .