Bilder des Grauens: Immer mehr Tierhalter im Fokus des Soester Veterinäramtes
Abgemagert, verfilzt, zu Tode gequält
Bilder des Grauens: Immer mehr Tierhalter im Fokus des Soester Veterinäramtes
Mit Stricken gequält, verfilzt, abgemagert: Die Schicksale mancher Haustiere im Kreis Soest zerreißen einem das Herz.
Immer mehr Tierhalter stehen im Kreis Soest im Fokus des Veterinäramtes. Die Schicksale vieler Tiere sind herzzerreißend.
Kreis Soest – In der Nacht zu Dienstag wird am Hiddingser Weg in Soest eine Katze zu Tode gequält. Das Soester Tierheim berichtet, dass das Tier mit einem Ledergurt und mehreren Stricken so gefesselt wurde, dass sie sich nicht mehr befreien konnte „und alle inneren Organe zerquetscht wurden“. Retter hätten die Katze befreit, doch der Tierarzt konnte dem schwarzen Vierbeiner nicht mehr helfen.
Das schreckliche Schicksal der Katze vom Hiddingser Weg ist kein Einzelfall. Im Gegenteil: Mehr als 400 Tierschutzkontrollen in Privat-Haushalten musste das Soester Kreis-Veterinäramt 2023 infolge von Hinweisen aus der Bevölkerung durchführen. Mehr als jemals zuvor.
Wenn ein Tier plötzlich nicht mehr ins Leben passt
Seit Jahren zeigt der lineare Verlauf der Kontrollzahlen steil nach oben. Zum Vergleich: 2022 hatte es 305 Kontrollen gegeben. Kreis-Veterinärin Dr. Martina Poppe berichtete im vergangenen Kreis-Ordnungsausschuss: „Die Zahl der Kontrollen wächst vor allem im privaten Bereich unglaublich.“ Dass das Veterinäramt immer mehr Meldungen bekommt, liege unter anderem daran, dass „die Leute aufmerksamer sind“. Zudem würden sich immer mehr Leute Haustiere anschaffen. „Da ist seit Corona eine deutliche Zunahme erkennbar.“
Damit würde manches Problem einhergehen: „Die Folgen der Haltung werden oftmals nicht überblickt. Manchmal passt das Tier plötzlich nicht mehr zur Lebenslage eines Menschen.“ Hintergründe von Tierwohlgefährdungen seien oftmals psychische Erkrankungen oder Alkoholprobleme. „Dann erhalten wir Hinweise aus der Bevölkerung oder beispielsweise infolge von Feuerwehreinsätzen. Bekommen wir einen Hinweis, müssen wir handeln.“
In vier Fällen übernahm sogar die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen
Von den 412 Kontrollen im vergangenen Jahr hatten 151 Maßnahmen als Folge. Darunter: mündliche oder schriftliche Anordnungen und Nachkontrollen. In sechs Fällen wurden Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, in 18 Fällen gab es Ordnungsverfügungen, in vier Fällen übernahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen. Dr. Poppe erklärte: „Es gibt dramatische Fälle. Viele unserer Maßnahmen münden in der Fortnahme von Tieren.“
Von einigen dieser dramatischen Fälle berichtete sie den Ausschussmitgliedern, wobei „die schlimmsten Horrorbilder bereits rausgestrichen“ worden seien, schickte Dezernentin Ricarda Oberreuter voraus. Die Kreis-Veterinärin schilderte Fälle, in denen beispielsweise ein „vollkommen verwahrloster Hund mit verfilzten Fellplatten am ganzen Körper“ aus einer Wohnung gerettet werden musste. Außerdem gab es unter anderem einen bis auf die Knochen abgemagerten Dalmatiner im Haushalt eines Alkoholikers.
Dieser Hund hatte verfilzten Fellplatten am ganzen Körper.
Mit Stricken gequält, verfilzt, gefangen in Müllbergen, abgemagert: Die Schicksale mancher Haustiere im Kreis Soest zerreißen einem das Herz.
Mit Stricken gequält, verfilzt, gefangen in Müllbergen, abgemagert: Die Schicksale mancher Haustiere im Kreis Soest zerreißen einem das Herz.
Völlig abgemagert wurde dieser Hund gerettet.
Während von Hundefutter weit und breit keine Spur war, war der Wohnzimmertisch und Teile des Bodens von leeren Bierdosen übersät. Für öffentliche Empörung sorgten die Fälle, in denen 38 Katzen in einem Haus in Werl und 168 Katzen in einem Haus in Lippstadt gehortet wurden. Zudem zeigte Poppe die Schicksale einer Venezuela-Gelbstirn-Amazone, die in einem viel zu kleinen Käfig gefangen war, von verwahrlosten Nymphensittichen, zurückgelassenen Reptilien und einer Pantherschildkröte, die über 20 Jahre lang falsch gehalten worden war, sodass ihr Panzer schwere Verformungen hatte, die für schwerste Behinderungen sorgten. Poppe kommentierte mit Blick auf die schockierenden Bilder: „Und was auf diesen Bildern fehlt, ist der Gestank. Wer einmal durch so ein Haus gegangen ist, wird es nie wieder vergessen.“
Veterinärin: „Besteht die Sorge, dass wir an Grenzen angekommen sind“
Angesichts der Meldungsflut erklärte die Kreis-Veterinärin: „Es besteht die große Sorge, dass wir an Grenzen angekommen sind. Wir haben die Pflicht, zu handeln, doch müssen mittlerweile versuchen, eingehende Anzeigen zu priorisieren.“ Sie richtete ihren großen Dank an die Tierheime in Soest und Lippstadt: „Ohne die Tierheime könnten wir so gar nicht mehr arbeiten.“ Grundsätzlich werde jeder Hinweis anonym behandelt. „Wir sind ja dankbar, dass sich die Hinweisgeber offenbaren.“ Personalien von ihnen braucht das Veterinäramt trotzdem: „Um Rücksprache zu halten und um herauszufinden, was genau im Vorfeld beobachtet wurde und wie lange es diesen Zustand schon gibt.“ Zudem betonte die Expertin: „Natürlich kann ich nur von den Fällen berichten, die an uns herangetragen wurden. Es ist nicht alles schlecht.“
Kreis-Veterinärin Dr. Martina Poppe.
Wer Hinweise auf den Katzen-Quäler vom Hiddingser Weg hat, soll sich beim Tierheim Soest (02921/15241 oder [email protected]) oder bei Dr. Katharina Bonitz vom Kreis-Veterinäramt (02921/302188) melden.