„Auf Trans folgt non-binär und pansexuell: Die Abschaffung des Geschlechts ist gewollt“
Gastbeitrag
„Auf Trans folgt non-binär und pansexuell: Die Abschaffung des Geschlechts ist gewollt“
Nemo aus der Schweiz ist non-binär und hat den Eurovision Songcontest gewonnen. Psychologin Esther Bockwyt bewertet die Diskussion um das Geschlecht
In der Gesellschaft vollzieht sich ein tiefer Wandel im Verständnis von Geschlecht. Eine Expertin erklärt, was dahintersteckt und warum Vorsicht geboten ist.
Esther Bockwyt ist studierte Psychologin. Sie arbeitet als Rechtspsychologin, Autorin und Sachverständige für Strafgerichte. In ihrem Buch „Woke: Psychologie eines Kulturkampfs“ analysiert sie, dass die ursprünglich progressive linke Identitätspolitik zu einer militanten Ideologie geworden ist, indem sie Menschen in Opfergruppen und Privilegierte einteilt und daraus Verhaltensregeln ableitet. In ihrem Gastbeitrag beleuchtet sie die Diskussion um das Geschlecht.
Der politisch aufgeladene Eurovision Song Contest kennt 2024 einen neuen Helden. Nemo fuhr den Sieg für die Schweiz ein. Es dauerte keine 24 Stunden, bis sein Obsiegen von Aktivisten politisch zu instrumentalisieren versucht wurde. Einen dritten offiziell-behördlichen Geschlechtseintrag solle es in der Schweiz künftig geben. Denn die Person Nemo kämpfe als „non-binärer“ (weder weiblich noch männlich) und „pansexueller“(Anziehung zu Menschen, nicht zu deren Geschlecht) Mensch für die Rechte seiner Identitätsgruppe.
Den hochtrabend klingenden Gender-Bezeichnungen liegt eine queer-feministische Bewegung zugrunde
Die breite Bevölkerung dürfte sich gerade erst mit der Existenz von Transidentität vertraut gemacht haben und über wieder neue Geschlechtsidentitäten irritiert sein. Unverstanden bleibt in der unnötigen und künstlich erzeugten Geschlechter-Verwirrung stets: Den hochtrabend klingenden Gender-Bezeichnungen liegt eine queer-feministische Bewegung zugrunde, die danach strebt, das Geschlecht als biologische Realität und Identitätsmerkmal des Menschen gänzlich überflüssig zu machen.
Anders als in der Schweiz ist es in Deutschland seit 2018 möglich, beim Eintrag ins Personenstandsregister neben „männlich“ und „weiblich“ auch „divers“ zu wählen. Die Regelung war Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das für die sehr seltene Erscheinung der Intersexualität, die Menschen mit biologischen Merkmalen beider Geschlechter, betrifft, vorgesehen war, obwohl auch diese biologisch kein drittes Geschlecht ausmachen. Queeraktivisten deuten das Urteil seit langer Zeit auch für Menschen mit Transidentität oder anderen vermeintlichen Geschlechtsidentitäten um, die mit Intersexualität jedoch rein gar nichts gemein haben.
Mit staatlichen Fördergeldern wurde ermöglicht, eine Ideologie zu verfestigen
Mit „non-binär“ und „pansexuell“ finden zwei ideologisch gewachsene Konstrukte zusammen, die die Überwindung des Geschlechts zum „emanzipatorischen“ Ziel haben. Dem vorausgegangen war eine außerhalb akademisch-intellektueller Milieus zunächst wenig bemerkte, aber lang andauernde Entwicklung, deren Ursprung man wohl bei der US-amerikanischen Philosophin Judith Butler ausmachen muss. Gender- und Queerstudies nahmen Einzug in Universitäten, weiterhin öffentlich zunächst wenig beachtet. Im stillen Echokämmerlein und mit staatlichen Fördergeldern wurde ermöglicht, eine Ideologie zu verfestigen, die sich heute einer breiten Bevölkerung mit einer beachtlichen Beharrlichkeit präsentiert, medial vielfach repliziert.
Nur am Rande geht es um Rechte von Minderheiten
Nie ging es dabei im Kern um die Frage, wie viele Geschlechter es gibt. Und nur am Rande geht es um Rechte von Minderheiten. Butler formulierte bereits 1991: »Die kulturellen Konfigurationen von Geschlecht und Geschlechtsidentität könnten sich vermehren […], indem man die Geschlechter-Binarität in Verwirrung bringt.« Für jene Verwirrung mussten auf dem Weg zur Auflösung des Geschlechts die ursprünglich an der Zahl sehr wenigen Transpersonen herhalten. Der Trans-Trend mit prozentualen Anstiegszahlen um bis zu 4500 Prozent bei minderjährigen Mädchen forderte eine noch unbekannte Anzahl an jugendlichen Opfern, die in Identitätsunsicherheiten oder psychischen Krisen vorschnell auf die falsche Fährte geführt wurden. In Großbritannien versucht man derweil die destruktiven Auswirkungen wieder einzudämmen, eine bekannte Klinik für „Transgender-Medizin“ wurde bereits 2022 geschlossen.
Menschen könnten sich eine „Identität basteln“
Doch der Wunsch nach einer geschlechtlichen Transition vom einen in das zweite Geschlecht bestätigt gerade die Bedeutung der sogenannten Binarität des Geschlechts, die nur männlich und weiblich kennt. Bestätigt gerade die fundamentale Bedeutung, das Geschlecht bei Menschen im Rahmen unseres Identitätserlebens ausmacht. Die Existenz von Transgender eignet sich so nur bedingt zur konsequenten Durchsetzung der Annahme, dass Menschen geschlechtsneutral zur Welt kämen und nur durch Sozialisation in toxische Geschlechtsstereotype gedrängt würden, die Menschen unfrei machten und das Patriarchat aufrechterhielten. Eignet sich nicht, um gesellschaftlich die Erzählung durchzusetzen: Geschlecht ist schlecht. Mit „Non-Binarität“ und „Pansexualität“ drückt man nun präziser aus, worum es eigentlich geht: Geschlecht soll weg. Sabine Hark, Professorin der Gender-Studies spricht offen vom zu schaffenden geschlechtlichen Neutrum: „Geschlecht ist vollkommen irrelevant.“ Menschen könnten sich eine „Identität basteln“. Das wäre für sie das Ende der „Heteronormativität.“ In einer „Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt“ -Mentalität soll etwas Reales, das als störend verklärt wird, ausradiert werden.
Grundlegend verkannt werden bei diesem Menschenbild nicht nur die biologischen Einflüsse auf Geschlechtsunterschiede. Sondern auch: Man kann Menschen ihre genuine Wahrnehmung über die beiden Geschlechter nicht wegnehmen. Männer und Frauen, Jungen und Mädchen werden sich entsprechend ihrer biologische Anlagen auch bei einer ihrem menschlichen Naturell zuwiderlaufenden „geschlechtsneutralen Erziehung“ stets unterschiedlich verhalten – bereits in den „Kinderläden“ der 68-er, welche die psychologische Geschlechterforscherin Bischof-Köhler in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung zutreffend als „Menschenversuche“ benannte, offenbarte sich diese Realität eindrücklich.
Nimmt man Kindern die Möglichkeit, sich mit ihrem biologischen Geschlecht zu identifizieren, verunsichert und stört man ihre gesunde psychische Entwicklung. Geschlecht engt Menschen nicht ein, macht Menschen nicht unfrei. Die Existenz der beiden Geschlechter ermöglicht seit Jahrtausenden die menschliche Fortpflanzung. Die Unterschiede zwischen der Gruppe der Männer und der Frauen mit all ihren natürlichen Varianzen ist eine in jeder Hinsicht fruchtbare gegenseitige Ergänzung in den in mancher Hinsicht verschiedenen Herangehensweisen an das Leben. Mit einem aber gemeinsamem menschlichen Wesenskern. Trotz der zweifellosen Errungenschaften des Feminismus in Bezug auf gelockerte Geschlechterrollen bleibt wahr: Geschlecht hat sich bewährt.