„Reichsbürger“-Prozess in Frankfurt: Reuß verwahrt sich gegen Anklage
„Reichsbürger“
„Reichsbürger“-Prozess in Frankfurt: Reuß verwahrt sich gegen Anklage
Prinz Reuß.
Der mutmaßliche Putschisten-Chef Prinz Reuß sagt unter Tränen aus und bestreitet im Frankfurter Prozess jede NS-Sympathie.
Der Hauptangeklagte im Frankfurter „Reichsbürger“-Prozess, Heinrich XIII. Prinz Reuß, hat den Vorwurf der Anklage zurückgewiesen, er habe die Demokratie in Deutschland mit Gewalt stürzen wollen. „Natürlich lehne ich Gewalt ab, auch wenn immer wieder durch die Anklage versucht wird, mir das Gegenteil zu unterstellen“, sagte der 72-Jährige am Freitag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt, wo er erstmals das Wort ergriff. Zudem sei ihm ein Rätsel, warum ihm von Medien eine Sympathie mit dem nationalsozialistischen Regime „angedichtet“ werde.
Es war der emotionalste von bisher zehn Verhandlungstagen gegen neun Angeklagte, die nach Überzeugung des Generalbundesanwalts eine terroristische Vereinigung gebildet oder unterstützt haben sollen – gemeinsam mit 17 weiteren Angeklagten, die in Stuttgart und München vor Gericht stehen. Die Ex-Frau von Reuß war in den Zuschauerraum gekommen, der mit einer Glaswand vom Verhandlungsraum getrennt ist, ebenso ihre beiden erwachsenen Kinder, die nach der Scheidung bei ihm aufgewachsen waren.
Heinrich Reuß: Innige Begrüßung mit behinderter Tochter
Seine Tochter, die mit Trisomie 21 geboren wurde, begrüßte Reuß vor Beginn und in Verhandlungspausen innig, indem beide ihre Hände von der jeweils anderen Seite auf die Scheibe drückten. Vor einigen Jahren hatte Reuß bei einem Auftritt in einem Gremium der Vereinten Nationen, wo er der Bundesrepublik die staatliche Souveränität absprach, auch auf die angebliche Diskriminierung seiner Tochter verwiesen. Bei seiner Verhaftung im Dezember 2022 in Frankfurt war sie dabei gewesen – und wurde nach seiner Darstellung durch das gewaltsame Eindringen der Einsatzkräfte traumatisiert.
Laut der Anklage leitete Reuß das Führungsgremium der Gruppe, den „Rat“, und war als Chef einer Übergangsregierung nach dem Putsch vorgesehen. In rund anderthalb Stunden schilderte der Angeklagte seinen Lebenslauf, der durch viele Brüche gekennzeichnet ist. Mehrfach musste er seine Aussage weinend unterbrechen und entschuldigte sich bei Gericht, sein Zustand sei „labil“, um sich selbst zu korrigieren: „stabil, aber angegriffen“. In seiner schriftlich vorbereiteten Erklärung berichtete Reuß von den Vertreibungserfahrungen seiner Familie, von seinem Aufwachsen als Flüchtlingskind im hessischen Büdingen, von Unfällen und Verletzungen, wegen derer er nicht zur Bundeswehr eingezogen worden sei. Zudem schilderte er den jahrzehntelangen vergeblichen Kampf um die Rückerstattung einstigen Familienbesitzes.
Familienzwist wegen iranischer Ehefrau
Nicht nur wegen dieser Restitutionsfragen gab es Zwist in der Familie. Seine Großfamilie habe auch mit ihm gebrochen, weil er eine Iranerin geheiratet habe, während die Regeln des Hauses Reuß nur Hochzeiten mit christlichen Europäerinnen zuließen, berichtete der Angeklagte.
In wenigen Momenten ließ er seine Weltsicht anklingen. So sprach er von einer „Erd-Allianz“, die sich „als Trojanisches Pferd herausgestellt“ habe. Reuß bestätigte damit indirekt, dass er an den in verschwörungsideologischen Kreisen vermuteten Geheimbund aus Regierungen, Geheimdiensten und Militärs verschiedener Länder geglaubt hatte. Von ihr soll die Gruppe ein Signal zum Umsturz erwartet haben. Doch als es im Dezember 2022 nicht kam, entschloss sich Reuß doch dazu, die Weihnachtsvorbereitungen aufzunehmen. Vor Weihnachten wurde er jedoch festgenommen.
Kontakte zu russischen Stellen
Auch für seine Kontakte zu russischen Stellen, die laut Anklage Teil der Putsch-Vorbereitungen waren, bot Reuß Erklärungen an. Er sei an der Aufklärung des Todes seines Adoptiv-Großvaters in den Wirren des ausgehenden Zweiten Weltkriegs interessiert gewesen. Außerdem dringe er auf die Rückgabe von rund 800 Objekten wie Bildern und Büchern aus dem Besitz des Hauses Reuß, die in russischem Besitz vermutet würden.