Niederländische Fußballfans: "Naar links, naar rechts"

Bei dieser EM feiern Fans aus ganz Europa jeden Tag eine Riesenparty. Und die größte feiern die aus den Niederlanden. Unterwegs mit den hüpfenden Oranjes

Plötzlich laufen Menschen in orangen Trikots von den Bürgersteigen, suchen den Anschluss an den Festzug. Ein übersteuerter, ballernder Beat und eine Sirene lassen ahnen, warum. Die Reihen rücken zusammen, Arm in Arm, vorfreudig wippend. Und dann geht's los: "Naar links!" – alle hüpfen nach links. "Naar rechts!" – und alle hüpfen wieder zurück. Dann gibt es kein Halten mehr, alle springen wild auf und ab, die Arme durch die Luft schleudernd. "Döp döp döp dö-dö-döp", dröhnt aus den Lautsprechern.

Die Niederländerinnen und Niederländer haben ihren Partyhit nach Deutschland mitgebracht, es ist der Ohrwurm der Europameisterschaft. Er heißt, ganz einfach, Links rechts, ausgedacht hat ihn sich die Gruppe Snollebollekes. Das Lied ist so bekannt, dass es sogar am Nationalfeiertag Koningsdag läuft – einmal war die springende Masse in den Niederlanden sogar auf dem Seismografen messbar.

Bei dieser EM der guten Laune, bei der Fans aus ganz Europa täglich in einer anderen Stadt eine Riesenparty feiern, bringen die Oranjes die größte Party nach Deutschland. Die Videos der Feierwütigen in Orange gingen viral. Sie tanzten und hüpften in Leipzig und Hamburg. Und jetzt, an diesem Dienstag in Berlin, an dem später selbst das 2:3 gegen Österreich die Party nicht stoppen wird.

Einige Stunden vor der großen Hüpferei, gegen zwölf Uhr, strömen orangefarbene Menschen auf den Hammarskjöldplatz, den Platz vor dem Berliner Messegebäude. Jetzt ist die Straße vor dem Platz noch überschaubar. Zumindest halbwegs. Ein Mensch im Löwenkostüm läuft vorbei, mehrere Frauen in holländischen Trachtenkleidern, später sieht man Nikolaus (oder Sinterklaas) und vor allem: Hunderte Menschen in kurzen Hosen und orangen Trikots. Der bestimmende Geruch: Sonnencreme, die noch schnell verschmiert wird.

Ein Taxi hält, aus der geöffneten Tür hört man stampfende Beats und niederländischen Gesang. Gut gelaunt steigen vier Männer in Bauwesten mit Vokuhilaperücken aus, einer von ihnen, Nard, geht auf Krücken. Ihr Style ist der niederländischen Comedyserie New Kids nachempfunden.

Die vier erzählen, dass sie gemeinsam Fußball spielen, beim SV Rivierwijkers aus Utrecht. Nard sagt, "unser Verein ist fast so gut wie Ajax Amsterdam", der niederländische Rekordmeister. Im Internet findet man die Website einer Amateurmannschaft in den unteren Ligen. Nard spielt beim Verein auf der Position zehn, Spielmacher, aber seit Längerem ist er am Knie verletzt, das Kreuzband. Sie werden trotzdem noch bis in die späte Nacht feiern. "Wenn das nächste Spiel im Westen Deutschlands ist, kommen wir gerne spontan wieder", sagt Nard.

Für viele Menschen aus den Teilnehmerländern der Fußballeuropameisterschaft liegt Deutschland günstig, allein die direkten Nachbarländer machen ein Drittel der qualifizierten Mannschaften aus. Viele der niederländischen Fans erzählen, sie seien für einige Tage nach Berlin gekommen. Andere ziehen gleich für mehrere Spiele mit ihrer Nationalmannschaft durch Deutschland, das sei ja gut gegangen zwischen Hamburg, Leipzig und der Hauptstadt, sagen sie.

Draußen, vor dem Eingang zur Fanzone, sammeln sich Menschen im Schatten. Sie trinken ihr mitgebrachtes Bier aus, das sie nicht mit hineinnehmen dürfen. Auch eine Gruppe im Deutschland-Trikot ist dabei, um auch mal die Atmosphäre der Niederlande-Party mitzubekommen. Die Fans aus den Niederlanden mal aus der Nähe anzusehen. Hüpfen, das haben Studien ergeben (PDF), macht gute Laune. Und anscheinend ziehen die hüpfenden Oranjes auch andere Fans an. Die Deutschen witzeln, der Fanmarsch von hier bis zum Olympiastadion sei deshalb nur drei Kilometer lang, kürzer als andere, weil die Niederländerinnen und Niederländer mit ihrem Hüpfen naar links, naar rechts ja im Zickzack laufen.

Drinnen ruft eine Animateurin alle nach vorne. Ein Fan meint, er brauche noch mehr Bier. Dann hüpfen die Niederländer sich zum ersten Mal warm. Der Soundtrack dazu: Links rechts von Snollebollekes.

Ein Vater und sein Sohn in den späten Teens stehen mit anderen um einen Kreis aus Bierbechern (je acht Euro, inklusive zwei Euro Pfand und niederländischer Verwirrung über die deutsche Becherlogistik). Der Vater, Wesley, installiert Klimaanlagen, der Konzern sponsert die EM und Wesleys Tickets. Fußballfan ist er nicht, aber Fan der Fankultur. Er sagt: "In den Niederlanden verbindet uns nicht die Politik, aber der Spaß!"

Eine Treppe hoch und ein paar Meter weiter an der Balustrade wacht Hennie über die Feiergemeinde. Hennie ist 71, mithüpfen kann er deswegen nicht mehr so gut, sagt er. Muss er auch nicht mehr.

Einen Fan wie Hennie kann sich jede Nationalmannschaft nur wünschen. Er trägt eine Kutte mit Aufnähern diverser Turniere und Länder, "Türkiye", "France 98", "South Africa 2010" und so weiter. Zu jedem Aufnäher die Geschichte eines Turniers oder Länderspiel, bei dem er war. Darunter ein Trikot des ehemaligen Nationalspielers Kevin Strootman, handsigniert. Insgesamt über 260 Länderspiele, sagt Hennie. "Hier ist alles eine Familie. Es ist auch egal, ob du PSV- oder Ajax-Fan bist. Heute zählt nur Oranje." Nur ein Problem gebe es: Die Bierschlange sei sehr lang. Damit verabschiedet er sich und holt noch ein Bier.

Kurze Zeit später, am frühen Nachmittag, sammeln sich Tausende Fans auf der Straße hinter einem orangen Doppeldecker. Der anstehende Fanwalk soll sie vom Messegebäude durch das Berliner Westend zum Olympiastadion bringen. Eine kollektive Unruhe breitet sich aus. Vom Bier und der Sonne gerötete Gesichter stimmen vereinzelt Sprechchöre an. Es riecht wie nach einer brennenden Großpackung Streichhölzer, mehrere Menschen haben Rauchtöpfe gezündet. Gegenüber vor dem Funkturm verscheucht ein hinzueilender Sicherheitsmann einen Mann im Trikot, der sich noch schnell an einer Hecke erleichtern wollte. "Das muss doch nicht sein!" Es sei heute nicht der Erste gewesen. Vermutlich auch nicht der Letzte.

Von weiter vorne hallt es auf Englisch aus den Lautsprechern: "Zu eurer Sicherheit, bitte bleibt vom Fan-Bus weg! Gleich geht der Marsch los."

Dann geht es los. Mit "Vivaaa Hollandia" und Karnevalsstimmung verlassen die Niederländer das Messegelände, mit dabei auch Hennie, Wesley und die Gruppe um Nard. Die Polizei wird später von 20.000 Menschen sprechen. In der Mitte des Umzugs fühlt es sich so an, als seien mindestens die halben Niederlande in Berlin.

Der Oranje-Zug ist noch nicht lange unterwegs, da brauchen die ersten eine Erfrischung. Ein kühler Aldi mit seinem vergleichsweise billigen Bier kommt da gerade recht. Allerdings macht bald das Gerücht die Runde, es gebe kein Bier mehr. Kurzzeitige Enttäuschung, ach egal, weiter geht's!

Einige Meter weiter begutachten zwei ältere Frauen rauchend und gut gelaunt den Fan-Umzug. Petra und Liane sind Schwestern. Verrückter Anblick, oder? "Ach, wir kennen dit ja", sagt Liane. Sie hätten Erfahrung mit Fußballfans, die Hertha ziehe ja auch häufiger von der Messe zum Olympiastadion. "Aber die Niederländer, die sind schon besonders nett." An den Balkonen in der Preußenallee werden die Anwohner zu Spontan-Capos, zu Einpeitschern, eine La-Ola-Welle nach der anderen ertönt.

Auf der Zielgeraden zum Olympiastadion tut sich ein Kontrast zwischen den verschiedenen Fangruppen auf. Einige Menschen im österreichischen Rot-Weiß stehen auf dem Bürgersteig neben dem Umzug. Da schwärmen gut gelaunt singende Niederländer auf sie zu und überkleben das österreichische Wappen mit orangen Stickern. "Viel Glück, habt eine gute Show", wünschen sie. Auch die Österreicherinnen und Österreicher können sich ein Lächeln nicht verkneifen. Ob die Niederländer nicht besonders freundlich seien? "An Scheiß san's." Vermutlich wird das Spiel gleich ihre Laune verbessern.

Kurz vorm Olympiastadion noch einmal Ekstase, noch einmal Arm in Arm hüpfen, naar links, naar rechts. Dann eine weitere Durchsage. Alle mit Tickets bitte weiter geradeaus. Für den Rest geht es verschwitzt, aber glücklich zum U-Bahnhof. Nach rechts.

OTHER NEWS

1 hour ago

Hohe Wahlbeteiligung bei französischer Parlamentswahl

1 hour ago

Keine Porsche-Dienstautos mehr für Volkswagen-Topmanager

1 hour ago

Achtelfinal-Schlager Frankreich-Belgien gegen Formkrisen

1 hour ago

Niederländer Depay hat keine Zukunft bei Atletico Madrid

1 hour ago

England – Slowakei im Liveticker: „Three Lions“ unter Druck – gelingt der Slowakei die große Sensation?

2 hrs ago

Inter-Post über Sommer erhitzt Gemüter

2 hrs ago

EM 2024: Bastian Schweinsteiger in der ARD ohne Esther Sedlaczek

2 hrs ago

Schalke-Trainer: Einstellung von Sidney Sam überrascht Karel Geraerts

2 hrs ago

"Die verrückteste Torwartleistung": Neuer, Algerien und die Revolution des Spiels

2 hrs ago

Großer Andrang in deutschen Fanzonen - Unwetter in Dortmund

2 hrs ago

Fußball-EM 2024: Videobeweis als "saurer Apfel" - Gündogan zwiegespalten

2 hrs ago

Bicakcic verlängert bei Eintracht Braunschweig

2 hrs ago

Erste Hochrechnungen am Abend: Wahlbeteiligung in Frankreich höher als zuletzt

2 hrs ago

Entscheidung um Italien-Coach gefallen

2 hrs ago

EM 2024 - So sehen Sie England gegen die Slowakei live im TV und Stream

2 hrs ago

Frankreich: Wahlbeteiligung bis Mittag deutlich höher

2 hrs ago

Die K-Frage und der "Unsympath": CDU-Landeschefs unterstützen offenbar notgedrungen Merz

2 hrs ago

G20-Vorschlag Brasiliens: Entwicklungsministerin Schulze für weltweite Milliardärssteuer

2 hrs ago

Klimaaktivisten am Red Bull Ring in Spielberg geschnappt

2 hrs ago

Déjà-vu? Nur ein DFB-Feldspieler noch ohne EM-Minute

2 hrs ago

EM 2024 | Julian Nagelsmann nach DFB-Spiel: "Ich bin nicht Herr Kachelmann"

2 hrs ago

Wladimir Putin mit Frauenquote-Spott: Kremlchef schießt gegen Frauenquote in Politik - Erneute Verbalattacke auf Baerbock?

2 hrs ago

Laptop-Causa – brisante Vorwürfe gegen Ministerin Zadic

2 hrs ago

Offiziell: Benno Schmitz verlässt den 1. FC Köln

2 hrs ago

Das größte Segel-Kreuzfahrtschiff der Welt kommt nach Hamburg

2 hrs ago

Hjulmand hat "genug von dieser lächerlichen Handregel"

2 hrs ago

Bagger steckt weiterhin im Watt von Norderney fest

2 hrs ago

Marktübersicht günstige Rangiersysteme: Den Wohnwagen mit diesen Helfern rangieren

2 hrs ago

Aldi, Lidl und Co: Das alles ändert sich im Juli 2024

2 hrs ago

Horoskop: Sternzeichen im Juli in Gefahr! SIE müssen besonders auf der Hut sein

2 hrs ago

FPÖ-Chef Kickl kontert Teamchef Rangnick

2 hrs ago

Trainer-Frage fix! Italien legt sich nach EM-Aus fest

2 hrs ago

ÖVP attackiert Zadić und fordert "volle Aufklärung"

2 hrs ago

"Ich bin richtig sauer"

2 hrs ago

EM 2024: Deutschland besiegt Dänemark und steht im Viertelfinale

2 hrs ago

Borussia Dortmund: Sorgt Hammer-Wechsel für Umdenken? Star vor schwieriger Entscheidung

2 hrs ago

Sobotka über Gewessler: "Normalerweise würde es um eine Entlassung gehen"

2 hrs ago

Moderne Technologie beweist: Die Menschheit ist noch älter als bisher angenommen

2 hrs ago

GAK 1902 gewinnt gegen Landesligisten bei Stadioneröffnungsfeier

3 hrs ago

„Let’s Dance“-Star gibt seine Verlobung bekannt!