Flüchtlingspolitik: Dänemark und Schweden: Wie harte Gesetze für Asylsuchende wirken

flüchtlingspolitik: dänemark und schweden: wie harte gesetze für asylsuchende wirken

Grenzkontrolle: Skandinavische Länder gelten als besonders restriktiv in ihrer Einwanderungspolitik. Foto: dpadata-portal-copyright=

Skandinavische Länder machen längst eine restriktive Migrationspolitik. Gleichzeitig gelingt die Integration von Ukrainern in den Arbeitsmarkt besser als in Deutschland. Eignen sich die Reformen als Blaupause?

Die Botschaft des dänischen Ministers für Einwanderung und Integration ist deutlich: Wenn in ihrer Heimat wieder Frieden einkehre, müssten Geflüchtete aus der Ukraine dorthin zurückkehren, kündigt der Sozialdemokrat Kaare Dybvad Bek bereits kurz vor Weihnachten an. Dänemark arbeite bei der Versorgung von Geflüchteten mit temporärer Unterbringung – „ und zwar unabhängig davon, woher die Menschen kommen“.

Bislang kann der Däne seinen Plan allerdings nicht umsetzen. Das Sondergesetz, das Menschen aus der Ukraine ihren Aufenthalt und den Zugang zum Arbeitsmarkt in der EU ohne Asylverfahren sichert, ist gerade bis März 2026 verlängert worden. Doch läuft dieser Schutz aus, sollen nach Beks Vorstellung vor allem diejenigen der etwa 41.000 geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer in Dänemark bleiben, die mehr als 375.000 dänische Kronen im Jahr verdienen und damit sich und ihre Familien versorgen können. Das entspricht derzeit einem Jahresgehalt von gut 50.000 Euro.

Man werde das dänische Migrationssystem jedenfalls nicht dahingehend öffnen, „dass jeder, der aus der Ukraine kommt, in Dänemark bleiben kann“, zitierte ihn die Tageszeitung „Berlingske“.

Fast zweieinhalb Jahre nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine schlägt auch in Deutschland Solidarität in Härte um: Es müsse jetzt der Grundsatz gelten: „Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der West-Ukraine“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gerade der „Bild am Sonntag“. „Insbesondere wegen des Bürgergelds sind so viele Ukrainer bei uns“, ätzte zuvor bereits Unionsfraktionsvize Steffen Bilger. „Ohne diese Ampelfehlentscheidung“ hätten wir „weniger Konkurrenz um Arzttermine, Betreuungsplätze, Wohnungen“, behauptete er.

Der parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei verstand die „völlig falschen Anreize“ geradezu als Einladung an „viele wehrpflichtige Ukrainer“, sich hierzulande „wegzuducken“. Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte Leistungskürzungen: „Neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten künftig kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen.“

Law-and-Order-Signale vor den Ostwahlen

Der Grund für solche Forderungen liegt auf der Hand. Nach der Europawahl geht in den Parteizentralen von CDU, SPD, FDP und Grünen die Angst um. Die AfD ist zweitstärkste Kraft im Land. Die Ampel-Parteien bringen zusammen noch gut 30 Prozent auf die Waage, spielen im Osten kaum mehr eine Rolle. Die Union sendet Law-and-Order-Signale mit Blick auf die kommenden Landtagswahlen: Anfang September wird in Sachsen und Thüringen gewählt, Ende September in Brandenburg.

Dybvad Beks Sozialdemokraten haben in Dänemark schon vor Jahren ihre liberale Zuwanderungspolitik aufgegeben. Sie schwenkten damit ein auf die Politik ihres Landes, das – wie auch Norwegen und Finnland – bereits seit der Jahrtausendwende Gesetze in Bezug auf Einwanderung und Integration stetig verschärft hatte.

In Dänemark gelte der Grundsatz, dass man als Gegenleistung für hohe Löhne und eine generöse Sozialpolitik ins teure System einzahle, sagt der Politikwissenschaftler Tobias Etzold. „Den weitverbreiteten Vorbehalten gegenüber Flüchtlingen liegt die Annahme zugrunde, dass viele nicht in der Lage seien, dem gerecht zu werden.“ Auch in Deutschland sind Bürgerinnen und Politiker offensichtlich zunehmend der Meinung, dass es hier nichts mehr zu verteilen gibt. Jedenfalls nicht für alle.

2015 versprachen die dänischen Sozialdemokraten, die Zuwanderung nach Dänemark drastisch zu begrenzen. Die Bilder, wie syrische Flüchtlinge über die dänische Autobahn liefen, hatten viele Menschen vor Augen. 2019, noch in der Opposition, unterstützten die Sozialdemokraten ein Gesetz mit Namen „Paradigmenwechsel“, das die aktuelle dänische Migrationspolitik wesentlich bestimmt. Der Begriff „Integration“ wurde durch „Selbstversorgung und Rückkehr“ ersetzt, Hauptziel: ausschließlich temporärer Schutz, „Geflüchtete zurückzuschicken, sobald dies möglich erscheint“, schreiben Jakob Schwörer und Kristina Birke Daniels in einer Analyse für die Friedrich-Ebert-Stiftung.

Harte Asylpolitik als Vorbild für die Nachbarländer

2019 gewannen die dänischen Sozialdemokraten mit diesem Kurs die Wahl, 2022 wurden sie wieder in Regierungsverantwortung gewählt. Die Rechtspopulisten erzielten bei den vergangenen Wahlen dagegen nur noch Stimmen im unteren einstelligen Bereich. Mit seiner harten Asylpolitik ist Dänemark inzwischen sogar für sein Nachbarland Schweden ein Vorbild – obwohl man sich dort jahrzehntelang als „humanitäre Weltmacht“ gesehen hatte, auch begründet mit einer sehr liberalen Zuwanderungs- und Integrationspolitik.

Der Wendepunkt sei die sehr hohe Fluchtzuwanderung nach Schweden in den Jahren 2015 und 2016 gewesen, so erklärt es Gabriele Baumann, Leiterin des Regionalprogramms Nordische Länder der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). In nur einem Jahr seien gut 160.000 Asylbegehrende angekommen – das sei sehr viel für ein Land mit nur etwa zehn Millionen Einwohnern. „Der Knackpunkt hinsichtlich des Politikwechsels war insbesondere die Integration. Denn es wurde offensichtlich, dass die Integration in den Arbeitsmarkt nicht gut gelang und dass dies den Wohlfahrtsstaat belastet“, analysiert Baumann.

Die damals regierenden Sozialdemokraten hätten daraufhin erklärt, einen Kurswechsel in der Asylpolitik vollziehen zu wollen. Das Ergebnis: neue, restriktivere Gesetzgebung, 2016 bereits in Teilen als Übergangsgesetz, 2021 dann als reguläres Gesetz in Kraft getreten. Der Familiennachzug wurde eingeschränkt, Personen mit Schutzanspruch bekommen in Schweden nun beispielsweise nicht mehr direkt unbefristete Aufenthaltserlaubnisse, sondern zunächst nur solche für ein oder drei Jahre.

Die Frage ist, inwiefern die restriktivere Asylpolitik in Dänemark und Schweden wirkt – und ob damit die Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt tatsächlich besser gelingt. Das dänische Einwanderungs- und Integrationsministerium veröffentlicht seit einigen Jahren eine Tabelle als Nachweis dafür, dass die dänische Politik das gewünschte Ergebnis bringt: eine Rangliste der EU-Länder nach Asylbewerber pro Einwohner.

Rang 19 als Nachweis für den Erfolg

Demnach findet sich Dänemark nach mehreren Jahren als eines der zehn EU-Länder mit den höchsten Asylbewerberzahlen pro Kopf – darunter 2014 an fünfter Stelle – 2022 nur noch auf Rang 19. Politikwissenschaftler Etzold gibt allerdings zu bedenken, dass sich das Land seit einem Referendum gegen den Vertrag von Maastricht 1992 nicht wie die anderen Mitgliedsländer an der Asyl- und Migrationspolitik der EU beteilige, beispielsweise nicht an den Verteilungsmechanismen auf EU-Ebene teilnehme. Auch damit ließen sich die niedrigen Zahlen erklären.

Schweden, 2013 und 2014 das Land mit den höchsten Asylbewerberzahlen pro Kopf, ist laut der dänischen Auswertung mittlerweile auf Rang 16 gefallen. Auch KAS-Expertin Baumann verweist auf den Effekt deutlich gesunkener Zuzugszahlen nach Schweden.

Der Kurs der aktuellen schwedischen Minderheitsregierung aus konservativen Moderaten, Christdemokraten und Liberalen – unterstützt von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten – ist noch einmal restriktiver: beispielsweise mit einem Mindestverdienst für regulär zu Erwerbszwecken einreisende Migranten. Es gehe darum, „negative fiskalische Effekte für den Wohlfahrtsstaat zu vermeiden“, erklärt Baumann. Die neue Regierung habe zudem in den Haushalt für 2024 für den Bereich Asyl 200 Millionen Euro weniger eingestellt, als im Vorjahr verausgabt wurden.

Deutschland findet sich seit Beginn der Fluchtbewegungen 2015 in der der dänischen Statistik in der Gruppe der zehn EU-Länder mit den meisten Asylanträgen bezogen auf die Bevölkerung. Die Liste beinhaltet allerdings nicht, wie viele Asylsuchende tatsächlich aufgenommen werden, ob und welchen Schutzstatus sie erhalten.

Mehr zugewanderte Männer und Frauen arbeiten

Und die Arbeitsmarktintegration? In einem Bericht des dänischen Einwanderungsministeriums an die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom vergangenen November steht, die niedrigste Beschäftigungsquote finde sich 2021 mit 58 Prozent in der Gruppe der zugewanderten Frauen nicht-westlicher Herkunft. 2010 lag diese Quote ausweislich einer Grafik bei knapp unter 50 Prozent. Die Beschäftigungsquote männlicher Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft sei seit 2010 um 14 Prozentpunkte gestiegen. Allerdings geht es hier nicht allein um Flüchtlinge.

In Schweden ist die Beschäftigungsquote geflüchteter Männer zwischen 2010 und 2019 von knapp 62 auf etwa 67 Prozent gestiegen, die geflüchteter Frauen von 49,4 auf 51 Prozent.

In Dänemark haben zudem knapp 80 Prozent der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, eine Stelle gefunden. In Schweden liegt der Anteil der Geflüchteten aus der Ukraine, die Arbeit haben, bei 56 Prozent. In Deutschland betrug die Erwerbstätigenquote zuletzt dagegen nur knapp 27 Prozent – schließt allerdings diejenigen mit ein, die schon vor Februar 2022 hier arbeiteten.

Haben also die Politiker recht, die Ukrainern das Bürgergeld streichen und ihnen stattdessen Leistungen für Asylbewerber gewähren wollen? Der Migrationsforscher Dietrich Thränhardt widerspricht: Die Höhe der Sozialleistungen sei nachrangig bei der Entscheidung, in welches Land die Menschen fliehen würden. Denn in Tschechien, Polen und Bulgarien seien prozentual mit am meisten Menschen aus der Ukraine untergekommen – bei wesentlich geringeren Sozialleistungen und niedrigeren Löhnen.

Dänemark kürzte Leistungen um 40 Prozent

Der Ökonom Christian Dustmann vom University College London hat mit Kollegen ein besonders drastisches Beispiel für Leistungskürzungen für Flüchtlinge und deren Auswirkungen auf die Beschäftigung untersucht. 2002 kürzte die damalige dänische Regierung die Sozialleistungen für Flüchtlinge um etwa 40 Prozent. Ziel der Reform war es, dass Flüchtlinge „schneller eine Beschäftigung finden“ – wie es auch die Unionspolitiker Dobrindt und Frei sowie FDP-Generalsekretär Djir-Sarai wollen.

Tatsächlich hätte die Reform anfänglich dazu geführt, dass viele geflüchtete Männer eine Arbeit aufnahmen, schließt Dustmann in der Studie. Nach etwa vier bis fünf Jahren aber seien die Auswirkungen der Reform auf das Arbeitskräfteangebot verschwunden, vor allem, weil viele Flüchtlinge nur vorübergehende und minderwertige Arbeitsverhältnisse angenommen hätten.

Darüber hinaus sei eine große und anhaltende Zahl geflüchteter Frauen sogar aus der Erwerbsbevölkerung ausgeschieden, stellten die Forscher fest. Für sie habe es, auch nachdem die gesamten Transferzahlungen nur noch an einen Partner gingen, keine Anreize mehr gegeben, an Integrationsprogrammen teilzunehmen. Zudem zeigte sich eine Zunahme von sogenannter Subsistenzkriminalität wie Ladendiebstahl. Solche Effekte dürfte sich niemand wünschen.

Lesen Sie auch: Sollte Ukrainern das Bürgergeld gestrichen werden?

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