Wenn das Recht der Politik folgen soll
Wenn das Recht der Politik folgen soll
Mit Anlauf – mutmaßlich – gegen Verfassungsrecht verstoßen. Und das als Vertreterin einer Partei, die das Justizministerium besetzt. Einer Partei, deren Exponenten sich in den vergangenen Jahren als unübertreffbare Hüter des Rechtsstaats gerierten. Doch nun steht die Moral auf einmal über dem Gesetz. Die gute Sache rechtfertigt den Rechtsbruch.
Die Rechtslage ist folgende: Erstens hätte die Umweltministerin die Zustimmung des Finanz- und Landwirtschaftsministers gebraucht, um in Luxemburg der Renaturierungsrichtlinie zustimmen zu können. Und zweitens vor allem jene der Bundesländer. Da Umweltschutzagenden in deren Kompetenz fallen. Es gibt einen aufrechten Beschluss der Landeshauptleutekonferenz, der sich gegen die EU-Richtlinie wendet. Die Bundesländer Wien und Kärnten sind dann zwar ausgeschert, offiziell wurde die Stellungnahme der Landeshauptleute jedoch nie geändert.
Leonore Gewessler hat sich also einmal ein Denkmal bei den Grünen gesetzt. Und eine Erzählung für den Nationalratswahlkampf mitgeliefert. Es gibt Applaus aus der grünen Ecke, die weit in das linke Lager hinausstrahlt. Die Causa Schilling ist vergessen.
Man kann sich jedoch lebhaft vorstellen, was los wäre, hätte ein türkiser Minister (oder im fiktiven ein blauer) derart nonchalant rechtliche Bestimmungen missachten würde. Etwa in einem für sie wichtigen Bereich wie der Asylpolitik. Der Rechtsstaat wäre in Gefahr, die Demokratie, die Republik und die ganze EU gleich mit.
Der Rechtsstaat ist natürlich nicht in Gefahr. Es liegt nun vielmehr an ihm, festzustellen, ob Leonore Gewessler rechtmäßig gehandelt hat oder nicht. Ein Punkt, den sie jedenfalls inhaltlich für sich beanspruchen kann: Das, was nun zur Abstimmung vorlag, war ohnehin schon ein Kompromiss. Die ursprüngliche Variante wäre radikaler gewesen und wurde auf Druck der Agrarlobby verwässert. Und die Mitgliedsländer können auch selbst entscheiden, wie sie die Vorgaben konkret umsetzen.
Dass ausgerechnet ein in der Öffentlichkeit lange Zeit eher unterbelichtetes Thema wie die Renaturierungsverordnung zur größten Krise in der türkis-grünen Regierung seit dem Abgang von Sebastian Kurz führt, ist schon auch kurios. Leonore Gewesslers Vorgehen ist für eine Grüne durchaus nachvollziehbar. Sie ist aber eben nicht nur eine Grüne, sondern auch Ministerin der Republik Österreich, angelobt auf die Verfassung.
Um es in der Fußballsprache auszudrücken: Die Grünen haben nach einem Foul ein Tor geschossen (der VAR kontrolliert aber nachträglich noch). Die ÖVP versucht nun mit aggressivem Pressing das Gesicht zu wahren. Und das Match wird wohl noch zu Ende gespielt.
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