Dieser Schauprozess entlarvt Chinas Justiz
Der Prozess gegen den Hongkonger Medienmogul Jimmy Lai sorgt weltweit für Aufsehen. Abgeordnete aus neun Ländern haben angeboten, als Zeugen auszusagen. Aber nicht einer wurde angehört. Das sagt viel über Pekings Verständnis von Rechtsstaatlichkeit.
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Jimmy Lai, ein prominenter Hongkonger Medienmogul und Demokratieaktivist, ist Peking schon lange ein Dorn im Auge. Lai war Eigentümer der inzwischen eingestellten prodemokratischen Zeitung „Apple Daily“ und offener Kritiker von Chinas wachsendem Einfluss in Hongkong. Er wurde wegen angeblicher Verstöße gegen das umstrittene Sicherheitsgesetz verhaftet. Sein Prozess ist zum Symbol für die schwindenden Freiheiten in der einst freien Stadt geworden.
Das Justizministerium in Hongkong hat Angebote von Vertretern aus aller Welt, in Lais Verfahren auszusagen, ignoriert. Die Weigerung, potenzielle Zeugen zu hören, entlarvt das Verfahren als politisch inszenierten Schauprozess. Am 13. Mai 2024 beantragte eine Gruppe von Abgeordneten aus neun Ländern, alle Mitglieder der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), im Verfahren gegen Jimmy Lai als Zeugen aufzutreten.
Die eingereichte Petition legt die rechtlichen und faktischen Gründe für die Zulässigkeit ihrer Zeugenaussagen ausführlich und überzeugend dar. Die Abgeordneten betonten, dass ihr Wissen über die fraglichen Ereignisse aus erster Hand stamme und entscheidend für eine faire Beurteilung sei. Die Anklage wirft Lai die Konspiration mit feindlichen Mächten vor – unter anderem ein Treffen im Juli 2019 mit dem damaligen US-Vizepräsidenten Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo – sowie die Veröffentlichung staatsgefährdenden Materials.
Trotzdem hat das Justizministerium ihr Angebot abgelehnt. Das untergräbt nicht nur die Argumentation der Staatsanwaltschaft, sondern offenbart auch eine grundlegende Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze. Für die IPAC deutet der Ausschluss potenziell entlastender Zeugenaussagen auf ein Gerichtsverfahren hin, das als Werkzeug des Staates und nicht als Weg zu Gerechtigkeit und Wahrheit fungiert.
Dieser Fall mit seinen weltweiten Auswirkungen und prominenten Angeklagten verlangt eine gründliche und unparteiische Untersuchung aller Beweise. Der Ausschluss der Zeugenaussagen deutet jedoch darauf hin, dass gezielt versucht wird, kritische Stimmen zu unterdrücken und diejenigen, die die offizielle Darstellung infrage stellen, mundtot zu machen.
Die Bedeutung dieses Prozesses geht weit über Hongkong hinaus. Er zeigt, dass die Aushöhlung von Rechtsstaatlichkeit und richterlicher Unabhängigkeit schwere Folgen hat. Wenn eine prominente Person wie Jimmy Lai einem so offensichtlich unfairen Prozess ausgesetzt wird, entsteht ein gefährlicher Präzedenzfall für den Umgang mit Unternehmen und Einzelpersonen in Hongkong.
Politisch motivierte Agenda
Die Integrität des Rechtssystems ist entscheidend für ein berechenbares Geschäftsumfeld. Ihre Gefährdung bedroht nicht nur politische Kritiker, sondern auch die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen und Investoren in der Region. Die Angebote der IPAC-Mitglieder als Zeugen auszusagen, waren ein Lackmustest für die Glaubwürdigkeit der Justiz.
Die Ablehnung des Hongkonger Justizministeriums macht klar, dass es in diesem Verfahren nicht um Gerechtigkeit geht, sondern um eine politisch motivierte Agenda. Der Prozess gegen Jimmy Lai dient dazu, die Opposition zum Schweigen zu bringen. Und wenn es Jimmy Lai passieren kann, kann es jedem passieren.
Übersetzt aus dem Englischen von Jessica Wagener.
Glacier Kwong schreibt diese Kolumne im Wechsel mit Joshu Wong. Die beiden jungen Aktivisten aus Hongkong kämpfen gegen den wachsenden Einfluss Chinas in ihrer Heimat. Da Wong derzeit inhaftiert ist, setzt Kwong diese Kolumne einstweilen allein fort.
Transparenzhinweis: Glacier Kwong arbeitet als Senior Analyst für IPAC.