„International Dark Sky Park“ - Der Naturpark, der gegen das Licht kämpft

„international dark sky park“ - der naturpark, der gegen das licht kämpft

Blick auf einen Teil der Milchstraße, die an vielen Orten aufgrund von künstlichem Licht nicht zu sehen ist. (Symbolbild) Patrick Pleul dpa

Ein Drittel aller Erdbewohner bekommt die Milchstraße nie zu Gesicht. Zumindest nicht vom Wohnort aus. Zwischen Attersee und Traunsee stemmt sich der erste Sternenpark Österreichs gegen das Verblassen der Sterne.

In einer klaren Neumondnacht kann einem am Attersee schon einmal der Atem stocken. Denn dann tut sich ein Sternenmeer auf, in dem man regelrecht versinkt. „Bis zu 4000 Sterne zeigen sich hier dem bloßen Auge“, erklärt Erwin Filimon. „Zehn Mal mehr als in einer Stadt wie Wien.“ Einer dieser Himmelskörper, im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, trägt sogar seinen Namen: „(229440) Filimon“. Der irdische Filimon ist seit Jahrzehnten passionierter Hobbyastronom und seit 37 Jahren Obmann des Astronomischen Arbeitskreises Salzkammergut.

Und damit auch Chef der Sternwarte Gahberg, die auf einer Lichtung im Naturpark Attersee-Traunsee thront. Jedes Jahr schlagen sich dort an die 1000 Besucher die Nächte um die Ohren, munitionieren sich mit Sternkarten auf, werfen einen Blick durchs große Spiegelteleskop oder fangen mit der Kamera Momente überirdischer Schönheit ein.

„international dark sky park“ - der naturpark, der gegen das licht kämpft
 

Im Sommer braucht es dafür vor allem eines: Geduld. Noch eine Stunde nach Sonnenuntergang ist zu viel Restlicht am Himmel, um die Sterne zu sehen. Grillen zirpen, Viertelstunden verstreichen, die Nachtluft kriecht unter Funktionsjacken.

Gegen Mitternacht macht sich das Frösteln bezahlt: Wie Tinte hat sich das Pechschwarz der Nadelbäume um die Sternwarte über das Firmament ergossen; die letzten Schleierwolken sind verschwunden. Und da prangen sie in einem gewundenen Band am Himmel: die 100 Milliarden Sterne der Milchstraße.

Völlige Dunkelheit nur noch über Wüsten oder Urwäldern

So dunkel wie am Attersee ist es nachts längst nicht mehr überall – im Gegenteil: Straßenlaternen, Leuchtreklamen und Gewerbegebiete strahlen die Nacht zum Tag. Seit den 1980er-Jahren hat dieses Phänomen einen Namen: Lichtverschmutzung.

Aus den Lichtinseln, die damals aus dem Weltall erkennbar waren, sind inzwischen Lichtflächen geworden. Völlige Dunkelheit herrscht nur noch über Wüsten oder Urwäldern, etwa in Sibirien oder Zentralafrika. Das zeigt der „Neue Weltatlas der künstlichen Nachthelligkeit“ aus dem Jahr 2016.

In Singapur, San Marino und Kuwait verdeckt künstliches Licht 99,5 Prozent des Nachthimmels, weltweit gesehen sind es immerhin 80 Prozent. „Wenn es so weitergeht, dann werden wir hier in Österreich bis zum Jahr 2040 Fleckerl haben, wo man keinen einzigen Stern mehr sieht“, warnt Stefan Wallner vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Gründe dafür gebe es viele und manche wären leicht zu vermeiden: „Oft sind Lichtquellen zu stark und falsch ausgerichtet – leuchten also dorthin, wo sie nicht gebraucht werden.“

Erster „International Dark Sky Park“ in Österreich

Wallner ist einer derjenigen, die nicht tatenlos zusehen, wie die Sterne verblassen. Eine Mission, die er mit Erwin Filimon teilt. Und mit Clemens Schnaitl, dem Geschäftsführer des Naturparks Attersee-Traunsee. Gemeinsam ist es ihnen im April 2021 gelungen, die Region Attersee-Traunsee von der International Dark-Sky Association (IDA) als offiziellen „International Dark Sky Park“ zertifizieren zu lassen, der erste seiner Art in Österreich.

Seinen Sitz hat er in Steinbach, einer 900-Einwohner-Gemeinde am östlichen Ufer des Attersees, wo sich wuchtige Häuser mit Holzverschalung eine hügelige Landschaft hochdrängen. Ein Ort, in dem das Gemeindezentrum gleichzeitig Postpartner, Museum und Pizzeria ist. Ein Ort, in den nach 18.35 Uhr ohne Auto kein Weg mehr führt.

Drei Jahre bis zum Sternenpark-Koordinator

Seit 2013 ist hier Clemens Schnaitl für das Naturpark-Management zuständig. Die gebräunte Haut verrät, dass er viel draußen unterwegs ist. Schnaitl ist Naturvermittler, Urzwetschkenforscher, Naturwacheorgan. Titel trägt er viele. 2021 ist ein neuer dazugekommen: Sternenpark-Koordinator. Drei Jahre dauerte der Weg dahin, erzählt er. Denn das Gütesiegel „IDA-Sternenpark“ gibt es nicht einfach so. Hauptkriterium: Die Milchstraße muss mit bloßem Auge leicht zu sehen sein – ums Höllengebirge ganz klar der Fall.

Der Rest fügte sich: 2018 stellte die Gemeinde fest, dass ein Großteil der Straßenlaternen kaputt war. Statt sie zu sanieren, setzte Bürgermeisterin Nicole Eder auf neue, umweltfreundliche. Etwa zeitgleich gab das Land Oberösterreich einen Leitfaden heraus, mit dem es zum Vorreiter in Sachen Lichtschutz in Österreich wurde.

Auf die richtige Ausrichtung kommt es an

Um 21.06 Uhr geht das Licht an in Steinbach. Erst schreibt sich der Lichtkegel der historischen, grünen Straßenlaterne neben der Kirche unauffällig in das hohe Gras ringsum ein. Je dunkler es wird, umso deutlicher zeichnet er sich ab, wandert den Hügel östlich der Kirche hinauf, fast 100 Meter, bis zur alten Edelkastanie. Schnaitl geht auf die Lampe zu. Mit der Handfläche muss er seine Augen abschirmen, so grell blendet das Licht. Den Schotterweg, den es eigentlich ausleuchten sollte, erwischt es nicht.

Endlich hat sich der Sternenpark-Koordinator durch das Licht gekämpft und ist bei der Laterne angelangt. Mit einem Satz springt er auf ihren Sockel, zippt seine Jacke auf und wirft diese halb über die Lampe. Der Lichtkegel erhellt mit einem Mal nicht mehr Wiesen und Büsche, sondern den Weg. „Wenn man die Lampe nur ein wenig abschirmen würde, wäre schon viel gewonnen“, sagt Schnaitl. Ein paar Schritte weiter steht noch eine Laterne derselben Bauart – ausgebrannt. So sind sie ihm lieber.

 

75 Prozent der Lichter und Laternen der Sternenpark-Gemeinden und der Hotels in der Region entsprachen im Startjahr bereits den IDA-Vorgaben. Sie werden in den späten Nachtstunden gedimmt oder abgeschaltet. Ihr Licht ist warmweiß statt blau und so gerichtet, dass es nicht mehr in den Himmel streut. In wenigen Jahren soll das für alle 600 öffentlichen und gewerblichen Lichtquellen im Sternenpark gelten. „Den Kampf gegen das Licht gewinnen wir nur am Boden“, sagt Schnaitl.

Der größte Gegner: die LED-Technik, durch die Licht praktisch nichts mehr kostet. Der Sternenpark-Koordinator will das Bewusstsein dafür schärfen, dass es die Mengen an Licht, die wir verwenden, nicht immer braucht: „Wenn ich eine Gießkanne fülle, lasse ich auch nicht vier Fünftel des Wassers vorbeirinnen. Warum machen wir das dann mit Licht?“

Viele Spinnennetze deuten auf zu helles Licht hin

Inzwischen ist Steinbach menschenleer. Kein Auto weit und breit. Nur Clemens Schnaitl zieht seine Kreise. Er steuert die Bushaltestelle Steinbach/Attersee-Nord an, an der Abzweigung zum Dorfzentrum. Schon von Weitem sieht man ihren Lichtschein quer über die Landstraße strahlen. Dort mischt er sich mit jenem der Schiffsanlegestelle. In dem Lärchenholzverschlag stehen vier grüne Holzbänke, von denen der Lack blättert. An der Rückwand eine sirrende Neonröhre. Auf die hat es der studierte Ökologe und Landschaftsarchitekt abgesehen.

„Wenn um eine Lichtquelle viele Spinnennetze sind, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass sie zu hell ist. Denn Licht bedeutet reiche Beute“, sagt er und deutet auf die gewaltige Kreuzspinne, die es sich am linken oberen Rand der Neonröhre bequem gemacht hat. Ihr Netz zittert im Luftzug. Darin verfangen haben sich Dutzende Mücken. Unzählige weitere schwirren um das Licht, genauso wie zwei, drei Nachtfalter. Zahlen dazu, wie vielen Insekten ein Sternenpark letztlich das Leben rette, seien noch nicht erhoben worden, bemängelt Schnaitl. Aber es sind einige, da ist er sich sicher.

Problem für Menschen und Insekten

Gesetzlich geregelt ist Lichtverschmutzung in Österreich übrigens nicht – dafür sei sie noch zu wenig im Bewusstsein der Gesellschaft verankert. Anders etwa in Slowenien, wo 2007 ein Gesetz gegen Lichtverschmutzung verabschiedet wurde, oder in Frankreich, wo Geschäfte nach Ladenschluss das Schaufensterlicht abknipsen müssen. Der Leitfaden, den das Land Oberösterreich vorgelegt hat, sei aber ein wichtiger Schritt zum Schutz von Mensch und Tier, ist Schnaitl überzeugt.

Das Mantra im Sternenpark lehnt sich an diesen an: Licht da, wo ich es brauche, dann, wann ich es brauche – und warmweiß muss es sein. Je kälter, also blauanteiliger Licht ist, desto eher lockt es nämlich Tiere an, die die Lichtquelle umkreisen, bis sie verbrennen oder vor Erschöpfung sinnlos zugrunde gehen. Verschwinden Insekten, verschwinden auch Pflanzen, die nur durch diese bestäubt werden.

70 Prozent der Säugetiere sind nachtaktiv, genauso wie die Hälfte aller Insekten. „Wenn wir die Nacht zum Tag machen, verlieren sie ihren Lebensraum. Wie viele Arten davon betroffen sind, bekommen wir gar nicht mit, weil wir diese Tiere ja normalerweise nicht zu Gesicht kriegen“, sagt Schnaitl. „Was wir aber mitbekommen, ist, wenn sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen können. Ganze Ökosysteme können kollabieren, wenn es nicht mehr dunkel genug wird.“ Beim Menschen unterdrückt Kunstlicht übrigens das Hormon Melatonin, das den Körper zur Ruhe kommen lässt. Die möglichen Folgen: Schlafprobleme, Stoffwechselstörungen.

Viel Überzeugungsarbeit nötig

Die Leute auf seine Seite zu holen sei ein Brocken Arbeit, sagt Schnaitl, gerade für einen zugereisten Oberinnviertler wie ihn. „Elektrisches Licht ist hier erst vor 80 Jahren angekommen. Das hat noch einen ganz anderen emotionalen Wert. Ich bin der, der Druck machen und um Geld bitten muss.“ Er selbst hat drei Lampen gestiftet, drüben, schräg über den See, in Weißenbach. Von dort strahlt die Skyline herüber, wie er sie nennt. Ein schmales, gelboranges Lichtband über dem Schwarz des Sees, vor dem Schwarz der Berge. „Dieses Licht sollten wir gar nicht sehen können. Die Ausrichtung der Lampen stimmt hier noch nicht.“

Seinen Streifzug durch die Nacht beschließt der Sternenpark-Koordinator wie so oft mit einer Wanderung auf einem Hügel hinter Steinbach. Dort packt er eine Decke aus, seine Thermoskanne neben sich und schaut in den Sternenhimmel, demütig: „Das geht gar nicht anders, wenn man sich in diese Weite ziehen lässt“, meint er.

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