Frankreich-Experte: "Macron hat sich verkalkuliert"

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Macron

Wenige Tage vor dem Urnengang steht sein Mitte-Lager in allem Umfragen abgeschlagen auf Platz drei. Auch die vereinte Linke hat das Präsidentenlager überholt. "Macron hat sich verkalkuliert", sagte der Politikwissenschafter Yann Wernert der APA.

Der Präsident habe vor allem auf die Angst vieler Wähler vor einer RN-geführten Regierung gesetzt, so der Experte vom Jacques Delors Centre in Berlin. "Mittlerweile sind aber viele Franzosen bereit, eine Rechtsaußen-Regierung in Kauf zu nehmen." Auch mit dem Zusammenschluss der vier großen Parteien links der Mitte binnen weniger Tage zum Bündnis "Neue Volksfront" (NFP) habe Macron offenbar nicht gerechnet. Dazu kommen Auflösungserscheinungen und Unzufriedenheit im Regierungslager. Viele Macron-Vertraute fühlten sich vom Schnellschuss des Präsidenten übergangen. Der hatte nach dem enttäuschenden Ergebnis seiner liberalen Partei bei der EU-Wahl völlig überraschend Neuwahlen angekündigt. "Fast alle wollten ihn von dieser Entscheidung abhalten, vom Premierminister bis zur Präsidentin der Nationalversammlung." Nun werde dem Politologen zufolge auch im Regierungslager verstärkt über eine Zeit nach Macrons Abgang aus dem Élysée-Palast 2027 nachgedacht.

Unnötiger Schritt

Nötig hatte Macron den Poker nicht. Bisher fehlten dem Regierungslager nur 39 Abgeordnete auf eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Mit etwas Geduld hätte das Regierungslager durch Verhandlungen wieder eine Mehrheit erzielen können, ist sich der Wernert sicher. Derzeit deuten alle Prognosen darauf hin, dass die Macron-Partei deutlich schlechter abschneidet. Bis zu 100 Sitze könnten verloren gehen. "Macron ist erfolgsverwöhnt, er hat immer große Mühe gehabt, auf das Parlament zuzugehen und seine Macht zu teilen", deutete der Politologe den Schritt Richtung Neuwahlen.

Im ganzen Land sei mittlerweile eine Ablehnung gegenüber dem Präsidenten zu spüren. Größtes Ärgernis war für viele Franzosen die schrittweise Anhebung des Pensionsantrittsalters von 62 auf 64 im vergangenen Jahr. Besonders pikant war, dass das unbeliebte Gesetz mithilfe eines Notstandsdekrets durch die Nationalversammlung geboxt wurde, ohne Konsultation des Parlaments. Sowohl Rechts als auch Links wollen die Anhebung wieder rückgängig machen. Macron werde auch vorgeworfen, keinen klaren Plan für den Rest seiner Amtszeit zu präsentieren und kaum den Kontakt mit der Bevölkerung zu suchen. "Man wünscht sich einen demütigeren Präsidenten", sagte Wernert. "Viele sozialdemokratischen Wähler, die bisher zuverlässig für ihn gestimmt haben, hat auch seine zunehmend konservative Themensetzung enttäuscht." Nicht zuletzt deswegen ist Macron im Wahlkampf kaum präsent, er überlässt die Bühne lieber seinem Premierminister Gabriel Attal.

Die Gangart und der Tonfall zwischen den den drei großen Blöcken ist rau, Gesprächsbereitschaft nicht in Sicht. Regierungsvertreter sprechen bei offiziellen Terminen immer von den "Extremen", werfen dabei Grüne, Kommunisten, Sozialdemokraten und Rechtspopulisten in einen Topf. Macron warnte gar vor einem "Bürgerkrieg", sollten die Programme der politischen Gegner umgesetzt werden. Eine Zusammenarbeit wirkt schwer vorstellbar, sagt der Experte. Bündnisse zwischen Linksblock und Regierungslager und taktische Rückzüge einzelner Kandidaten im zweiten Wahlgang, etwa um einen Sieg der extremen Rechten zu verhindern wie in der Vergangenheit, seien bei dieser Wahl deutlich unwahrscheinlicher. Sollte es dadurch dazu kommen, dass sich nach der Wahl keine klaren Mehrheiten in der Nationalversammlung ergeben, droht ein langer Stillstand. Wieder gewählt werden könnte nämlich erst wieder im Sommer 2025.

Wird Le Pen entzaubert?

Macron baut darauf, dass viele Mitte- und Links-Wähler nicht zum Linksblock abwandern, weil Jean-Luc Mélenchon dort die Fäden zieht. "Er schreckt mit kontroversen Statements viele Wähler ab", sagt Wernert. Der Vorsitzende der linkspopulistischen La France Insoumise (LFI) hatte beispielsweise zu Beginn des Ukraine-Kriegs die NATO und ihre Osterweiterung für den Konflikt verantwortlich gemacht und tritt für einen NATO-Austritt Frankreichs ein. "Die bedeutendsten Parteien im Linksbündnis haben große Differenzen bei wichtigen Themen: Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt und auch zur Art und Weise, wie Politik betrieben wird. Das wird schwierig", prognostiziert Wernert. Noch hat sich das Bündnis auch noch nicht auf einen Spitzenkandidaten einigen können. Bessere Karten habe der RN, der "straff organisiert antritt". Bis auf einige Überläufer von den konservativen Republikanern muss RN-Parteichef Jordan Bardella auf niemanden Rücksicht nehmen.

Macron könnte auch darauf spekulieren, dass sich der RN in Regierungsverantwortung entzaubert. Die Partei könne sich etwa selbst schaden, wenn sie die umstrittene Pensionsreform, wie in Parteikreisen bereits diskutiert wird, doch nicht zurücknimmt. "Macron könnte so zeigen, dass die Partei nur mit Scheinversprechen arbeitet. Aber der Preis ist sehr hoch. Die Regierung hat sehr weitreichende Befugnisse", warnt Wernert vor einem Rechtsruck. "Die größte Einschränkung ist, dass sie sich an die Verfassung halten muss, aber selbst diese Grenze könnte der RN austesten. Der Verfassungsrat (entspricht Österreichs Verfassungsgerichtshof) schaut der Regierung zwar auf die Finger, seine Legitimität wird in Politik und Medien aber immer wieder in Frage gestellt. Es wird nicht gern gesehen, wenn sich die Judikative zu stark in die Politik einmischt."

Eine Woche vor der Parlamentswahl hat Macron angekündigt, unabhängig vom Wahlergebnis sein Amt bis zum Ende seines Mandats auszufüllen. "Sie können mir vertrauen, dass ich bis Mai 2027 als Ihr Präsident handeln werde", schrieb er in einem am Sonntag in mehreren Zeitungen veröffentlichten Brief. Ein Rückzieher scheint undenkbar, selbst beim aus Regierungssicht drohendsten Szenario: Der vierten Kohabitation der fünften Republik und der ersten RN-geführten Regierung. Mit Kohabitation ist das Zusammenregieren von Präsident und Regierung aus unterschiedlichen politischen Lagern gemeint.

(Das Gespräch führte Raphael Gruber/APA)

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