Mehr als 43 Jahre unschuldig im Gefängnis
1980 wurde Sandra »Sandy« Hemme für einen Mord verurteilt, den sie nie begangen hat. Jetzt wurde sie offiziell freigesprochen.
Mehr als 43 Jahre unschuldig im Gefängnis
Mehr als 40 Jahre lang saß Sandra »Sandy« Hemme aus dem US-Bundesstaat Missouri im Gefängnis, nun wurde ihre Strafe aufgehoben. Es gebe »klare und überzeugende« Beweise dafür, dass sie an dem Mord unschuldig war, entschied ein Bezirksrichter des Livingston County am Freitag nach Angaben des britischen »Guardian«.
1980 wurde Hemme für die Ermordung einer Bibliotheksangestellten in St. Joseph, Missouri, zu lebenslanger Haft verurteilt. Hemme hatte sich zunächst schuldig bekannt, um der Todesstrafe zu entgehen. 1985 wurde sie in einem eintägigen Prozess verurteilt, bei dem der einzige Beweis ihr Geständnis war.
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Befragung unter Medikamenteneinfluss
Vor der Polizei hatte Hemme Aussagen gemacht hatte, die sie selbst belasteten. Zu dem Zeitpunkt befand sie sich in einer psychiatrischen Klinik. Ihren Anwälten zufolge hatte sie die meiste Zeit ihres Lebens, seit ihrem 12. Lebensjahr, in stationärer psychiatrischer Behandlung verbracht, unter anderem wegen Halluzinationen und Drogenkonsum.
In stundenlangen Befragungen hatte Hemme gegenüber Polizisten widersprüchliche Aussagen über den Mord gemacht. Zu dieser Zeit sei sie mit antipsychotischen Medikamenten behandelt worden, so ihre Anwälte. »An einigen Stellen war sie so stark medikamentös eingestellt, dass sie nicht einmal in der Lage war, ihren Kopf hochzuhalten und an einen Stuhl gefesselt war.« Demnach hätten die Ermittler festgestellt, dass Hemme »geistig verwirrt« schien und offenbar ihre Fragen nicht vollständig verstehen konnte.
Dem Bezirksrichter zufolge würden keine Beweise außer den unzuverlässigen Aussagen der Frau sie mit dem Verbrechen in Verbindung bringen. Diese Aussagen seien während einer psychiatrischen Krise und unter körperlichen Schmerzen gemacht worden.
Längste bekannte irrtümliche Verurteilung einer Frau
Am Freitag, nach 43 Jahren im Gefängnis, kippte das Gericht daher das Urteil: Demnach stehe der Mord in einem »direkten« Zusammenhang mit einem örtlichen Polizeibeamten. Der Beamte wurde später wegen eines anderen Verbrechens verurteilt, er verstarb 2015.
Die 63-jährige Hemme muss nun innerhalb von 30 Tagen freigelassen werden – es sei denn, die Staatsanwaltschaft entscheide, sie erneut vor Gericht zu stellen, sagte der Richter.
Hemmes Gefängnisstrafe ist die längste bekannte irrtümliche Verurteilung einer Frau in der Geschichte der USA, sagten ihre Anwälte vom »Innocence Project« (zu Deutsch: Projekt Unschuld). Die Organisation setzt sich für möglicherweise zu Unrecht Verurteilte ein.
»Wir sind dem Gericht dankbar, dass es die schwere Ungerechtigkeit anerkennt, die Mrs Hemme seit mehr als vier Jahrzehnten erduldet hat«, hieß es in einer Erklärung ihrer Anwälte.