Berlin Hauptbahnhof: Das scheußliche Entree der deutschen Hauptstadt
Da müssen sie jetzt durch: Schottische Fußballfans kommen am Berliner Hauptbahnhof an.
Als Bewohner Berlins ist man ja einiges gewohnt. Für uns lässt sich also nur erahnen, was Gäste durchmachen, die in unserer Stadt ankommen und diese durch den Hauptbahnhof betreten. Ein Erlebnis to write home about ist das nicht.
Versetzten wir uns mal in ihre Lage: Nach schlauchender Anreise inklusive saftiger Verspätungen und dem Verpassen diverser Anschlusszüge sind die Bahnkunden mental bereits am Limit, wenn sie im Hauptbahnhof aus dem Zug purzeln. Jetzt gilt es, den Ausgang zu finden – und zwar den richtigen. Selbst als Ortsansässiger verwechselt man im Hauptbahnhof nämlich gerne mal die Richtung, weil alles irgendwie gleich aussieht. Aus der einen Tür geht es zum Regierungsviertel (wohin die wenigsten zuallererst wollen) und aus der andern in die Stadt. Hinweisschilder gibt es nicht. Oder sie sind so winzig, dass das menschliche Auge sie nicht erblicken kann.
Ein Haufen Fahrräder, Bauzaun, Mallorca-Party: Das erblicken Berlins Besucher, wenn sie aus dem Hauptbahnhof kommen.
Nach einigem Hin und Her im Inneren des glasigen Baukörpers, in dem es überall nach heißer Fertigbäckerware riecht, haben die Berlin-Besucher schließlich herausgefunden, dass sie zum Ausgang mit dem großen bunten Helixturm aus Ritter-Schokoladentafeln müssen. In all seiner Scheußlichkeit hat der also zumindest eine sinnvolle Funktion als hoch aufragender Wegweiser in Richtung Stadtzentrum. Auf dem Bänkchen am Ritter-Sport-Tower treffen sich gerne verbeulte Alkoholaktivisten. Wenn sie einschlafen, werden sie vom Sicherheitspersonal aus dem Bahnhof getragen und von außen an die Scheibe neben der Drehtür gelehnt. Dort sacken sie zusammen und schlafen weiter. Aber das nur am Rande.
Mit all ihrem Gepäck und vollkommen erschöpft nähern sich die Neuankömmlinge jetzt endlich der Glastür, durch die sie bereits die deutsche Hauptstadt erspähen können. Aber Moment mal, wieso steht an der Tür in großen Buchstaben „Goodbye“ – und nicht etwa „Welcome“? Welcher Depp denkt denn, dass man sich lieber vom Bahnhofsgebäude verabschieden will, als in Berlin willkommen geheißen zu werden? Das ist ein echter Downer.
„You say, ‚Goodbye‘, and I say, ‚Hello, hello, hello‘“ – bereits in den 1960ern schufen die Beatles eine Hymne, die heute auf unseren Hauptbahnhof gesungen werden könnte.
Begleitet von einem herzlichen „Auf Wiedersehen“ treten die Gäste nun also hinaus auf den Vorplatz, wo der Wind den Müll herumwirbelt und schon die Abo-Teams irgendwelcher Organisationen in den Startlöchern stehen. Ist man nicht schnell genug ins Taxi gesprungen, sondern hat sich für den ÖPNV entschieden, haben sie einen am Wickel mit ihren standardisierten Anmachsprüchen, noch bevor man überhaupt die Straßenbahnhaltestelle erreicht hat. Schnell was spenden, klar, kein Problem. Nein, das geht nicht. Es muss ein Vertrag ausgefüllt und sich für längere Zahlungen verpflichtet werden. Oje.
Klagender Gesang ertönt, denn irgendwelche Musikanten sind hier immer. Manchmal sind sie sogar ganz gut. Doch auch ihre Lieder vermögen nicht über die Hässlichkeit des Bahnhofsvorplatzes hinwegzutrösten. Zu arg sieht es hier aus: Der ruppig gegossene Teerboden ist mit vielen blässlichen Flecken übersät – sind das eingetretene Kaugummis oder Taubenkacke? Rechts parken unzählige Mopeds, links stapeln sich alte und neue Fahrräder an einem schäbigen Bauzaun mit Werbung für das „Mega Mallorca Live Open Air“ in Marzahn-Hellersdorf und ähnliche Events. In Grellgelb grüßt ein Aufsteller von Jelbi, des Mobilitätsdienstes der Berliner Öffentlichen. Daneben eine mit rot-weißen Plastikbarrieren markierte Stelle im Boden, hier ist was kaputt.
Sehr hässlich – urteilt das Uglymeter über den Berliner Hauptbahnhof.
Die Aussicht geradeaus ist aber auch nicht besser. Denn dort erheben sich unflätige Neubauten und in der Ferne ist die barsche Europacity zu sehen. Es ist einfach deprimierend. Und dann erreichen die Berlin-Besucher endlich die Station von Bus oder Tram – wenn sie nicht schon vorher wieder in Richtung Hauptbahnhof kehrtgemacht haben. Immerhin steht an dessen Glastüren draußen groß das langersehnte „Welcome“ dran.
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