Durian: Wie die stinkende Superfrucht Thailand reich macht

In Europa ist Durian als Ekelfrucht verhasst. China hingegen importiert das nahrhafte Obst im großen Stil – und macht so viele Thailänder reich. Feinschmecker legen für ein Kilo bis zu 600 Euro auf den Tisch.

durian: wie die stinkende superfrucht thailand reich macht

Wenn man die Augen schließt und kurz vergisst, dass man auf einer Bank unter tropischen Bäumen sitzt, könnte man fast denken, man befände sich in einem Zukunftslabor, und Professor Songpol Somsri spräche nicht über Obst, sondern über Spaceshuttlemodelle.

»Chanthaburi 1«: belastbar, ausdauernd, trotzt widrigsten Wetterbedingungen

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»Chanthaburi 3«: ein perfekter Hybrid aus den allerbesten Qualitätsmerkmalen

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Chanthaburi, das ist eine Provinz ganz im Osten von Thailand und die Heimat von Professor Songpol. Songpol, Biologe, früher Forscher am Institut für Gartenbau der Kasetsart Universität, heute in Rente, ist so was wie der Chefdesigner einer Frucht, die in Thailand mal ein Arme-Leute-Essen war und heute gehandelt wird wie guter Wein. Einer Frucht, die das Land und vor allem die Provinz reich gemacht hat. Es geht um die Durian. Oder wie die Leute in Thailand sagen: um den König der Früchte.

Die Durian sieht aus wie eine Mischung aus übertrieben großer Kastanie und grünem Igel, so groß wie Fußbälle werden manche Exemplare, bis zu drei Kilo schwer. Die Stacheln piken so sehr, dass man Handschuhe tragen muss, möchte man sie aufschneiden. Im Inneren der Frucht befindet sich, abgetrennt in Kammern, das Fruchtfleisch: grünlich bis satt-gelbe rundliche Tranchen.

Die Leute in Thailand drehen wegen einer guten Durian ähnlich verlässlich durch wie die Deutschen wegen ihres Spargels. Früher kostete das Kilo mal weniger als einen Euro, heute legen Feinschmecker für ein Kilo bis zu 600 Euro auf den Tisch. Es gibt eine Sorte, die darf nur von der Königsfamilie verspeist werden.

Die Früchte wachsen auch in Malaysia, Vietnam oder Indonesien, doch Thailand ist inzwischen der weltgrößte Durian-Exporteur. Allein im Mai 2021 – der Ernte-Hochsaison – lag der Wert der ins Ausland gelieferten Früchte laut der Kasetsart-Bank bei fast einer Milliarde US-Dollar. Die Frucht ist nach Reis und Kautschuk zum drittwichtigsten Agrarprodukt in dem südostasiatischen Land geworden, in dem die Landwirtschaft rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.

Doch die Durian hat einen Makel. Ihren Geruch. Je reifer, desto mehr riecht sie süßlich-vergammelt, nach Schwefel, ausgelöst durch eine seltene Aminosäure. Der berühmte Koch Anthony Bourdain soll mal gesagt haben, nach einer Durian rieche der Atem, »als hätte man seine tote Großmutter geküsst«. In einer US-Talkshow wurde die Durian einmal als der »Schimmelkäse der Früchte« bezeichnet. In thailändischen Hotels und Mietwagen muss man Strafen zahlen, wenn man die Stinkfrucht mit aufs Hotelzimmer oder in den Kofferraum nimmt. Taxis in Bangkok lehnen Fahrgäste ab, die eine Durian in der Tüte haben. Ihr Geruch bleibt tagelang in den Sitzen hängen. Vor einigen Jahren löste in einer bayerischen Postfiliale ein Paket mit Durian einen Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften aus. Die Filiale wurde aufgrund des unbekannten Gestanks evakuiert.

»Ein gutes Stück Durian schmeckt cremig, seine Textur ist weich, aber nicht zu weich, süß und leicht fruchtig, wie Vanille, vielleicht mit einer kleinen Alkoholnote«, sagt Professor Songpol, als er Mitte Mai in seinem privaten Duriangarten steht. Hier waren schon seine Vorfahren Obstbauern. Drei Erntehelfer klettern abwechselnd auf die Bäume, schneiden die letzten Früchte der Saison von den Ästen, während die anderen beiden Männer über dem Boden eine Decke aus Jute aufspannen, in die die Durian mit einem dumpfen Plumps hineinfallen.

Früher, erzählt Professor Songpol, hätten die Durianbäume überall in den Gärten gestanden, man habe ihnen wenig Beachtung geschenkt, die Früchte – überreif, mit hohem Zucker- und für eine Frucht beachtlichem Fettgehalt – seien irgendwann von selbst vom Baum gefallen. Wer hungerte, bediente sich an der nahrhaften Frucht, die viele Vitamine, Kalium und Magnesium enthält. Dann begann, in den vergangenen drei Jahrzehnten, nach und nach, ihr großer Aufstieg.

Songpol studierte ab den Siebzigerjahren die mehr als 300 Duriansorten des Landes, kreuzte sie, verbesserte die Geschmäcker und die Robustheit der Bäume, beriet die Bauern beim Anbau. Und er hatte vor allem eine Mission: den strengen Geruch der Durian herauszufiltern. Thailand, das selbst ernannte Land des Lächelns, das Königreich der Tempel und schönen Fassaden, sollte keinen schlecht riechenden Exportschlager haben. Der Professor kämpfte über Jahrzehnte für eine Durian aus dem Labor, die alle gut riechen können. Er kreierte schließlich seine Modelle der Zukunft: »Chanthaburi 1«, »Chanthaburi 2« und »Chanthaburi 3« – alle drei Sorten sind beinahe geruchslos. Sie sind längst auf dem Markt.

Doch die Wahrheit ist: Fast niemand will Songpols Zukunftsvarianten anbauen. Die Duriansorten, die heute Erfolg haben, um die die Leute feilschen, sind jene, die weiterhin stinken. Alle wollen das Original.

Vielleicht ist es bei der Durian ein bisschen so wie auch sonst oft in dieser nach Perfektion strebenden Welt: Beliebtheit hat nicht immer mit Perfektsein zu tun. Gut findet man am Ende doch die Dinge, die ihren Charakter behalten haben. Die Durian hat den Weg an die Spitze der Früchte ganz ohne Hilfe aus dem Labor geschafft. Und das hat viel mit China zu tun.

Phanuwat Maikaews Lagerhallen sind schon leer. Unter den Blechdächern am Rand von Chanthaburi stehen noch Kisten und ein paar Lastwagen und Pick-ups. Die Saison ist für ihn Ende Mai beendet. Panuwat ist Zwischenhändler und Exporteur von Durians, inzwischen, sagt er, schicke er 90 Prozent seiner Waren nach China. Laut dem chinesischen Handelsministerium wurden 2023 Durians im Wert von vier Milliarden Euro aus Thailand eingekauft. Die Sorte, die die Chinesen lieben, heißt Monthong, was übersetzt so viel heißt wie »goldenes Kissen«: große Früchte, starker Geruch.

Vor fünf oder sechs Jahren zog das Geschäft enorm an, sagt er. Am Anfang habe er vor allem nach Hongkong und Guangzhou geliefert, inzwischen seien die Transportwege in viele chinesische Städte perfektioniert. Meist geht die Fracht über Vietnam auf dem Landweg nach China. Wenn an den Grenzen zu viel Stau ist, schickt er sie mit dem Schiff. Die beste Ware geht in den Export. In Thailand selbst, der Heimat des Königs der Früchte, so Panuwat, bekomme man inzwischen nur noch B-Ware zu kaufen.

»Den Chinesen ist gutes Essen wichtig«, sagt Panuwan, am Handgelenk klappert ein goldenes Armband, »sie glauben, eine Durian zu essen sei gesünder als zwei Hühner. Sie sehen ihre Nachbarn Durians kaufen, also wollen sie auch welche haben.« Er selbst hat in diesem Jahr 200 Container exportiert. China, sagt Panuwan, sei ein großes Land. Wenn sich da ein Trend durchsetze, dann gehe es direkt um viele Millionen Konsumenten.

Ist er durch den Durian-Export reich geworden?

»Oh, gucken Sie sich um! Früher war Chanthaburi eine arme Provinz. Es heißt zwar, der Bauer ist das Rückgrat von Thailand, aber früher mussten wir wirklich schuften und hatten Schwierigkeiten. Durch die Durian verdienen wir jetzt ein Vermögen. Wir fahren keine japanischen Autos mehr. Wir fahren jetzt europäische Autos!«

Früher habe ein thailändischer Bauer hier im Jahr umgerechnet etwa 75.000 Euro erwirtschaftet. Heute sei es zehnmal so viel. Mancher Landwirt verdiene bis zu 2,5 Millionen Euro. Beim Reis und beim Palmöl gingen die Einnahmen von Jahr zu Jahr zurück, bei der Durian stiegen sie, sagt Panuwat. In seinem Wohnzimmer hängen Kronleuchter und schwere Gardinen.

Doch er macht sich auch Sorgen. Im vergangenen Jahr hat es in Thailand zu wenig geregnet. Südostasien ist eine Region, die die Folgen der Klimakrise bereits stark abbekommt. Durianbäume brauchen aber enorm viel Wasser. Längst müssen die Bauern in Chanthaburi künstlich bewässern. Weniger Wasser heißt am Ende: weniger, kleinere Früchte. Und dann auch: weniger Geld in Chanthaburi?

Die Zukunft der Durian

Muss nicht so sein, sagt Lindsay Gasik. Gasik ist so was wie die einzige westliche Durian-Influencerin. Sie stammt aus den USA, und hat dort im Jahr 2009 in einem Shop zufällig Durian entdeckt, als sie auf der Suche war nach veganem Essen. Die Frucht ließ sie seither nicht mehr los. Gasik lebt mit ihrem Ehemann inzwischen in Südostasien, bereist dort die Länder, bietet Durian-Touren an und bloggt in ihrem Account »Durianwriter« über deren vielfältige Flora und Fauna, im Mittelpunkt stets: die Durian.

Die erste Hälfte des Jahres verbringt Gasik meist in Thailand, Ende Mai führt sie in Chanthaburi über einen Bio-Obsthof. Der Hof, so Gasik, sei eine Alternative zu den wasserintensiven Durian-Monokulturen, die es in der Provinz ansonsten vor allem gibt. Der Landwirt spritzt weder Pestizide, noch düngt er künstlich. Zwischen den alten und neuen Bäumen wachsen wilde Gräser und Kräuter, und es finden sich auch andere Obstbäume und -Büsche in dem Garten, Mangostane, Limetten, Chilis.

»Die Art, wie die Durian in Thailand angebaut wird, muss sich dringend verändern«, sagt Gasik. Es würden 25 Jahre alte Bäume, die nicht mehr so viel Ertrag geben, aber dafür Schatten spenden und Wasser binden, durch neue, kleinere ersetzt. Was dazu beitrage, dass die Erde schnell austrocknet. »Die Frucht ist nicht das Problem, sondern der Anbau in umweltschädlichen Monokulturen.«

Sie glaubt, dass die Zukunft der Durian in der biologischen Landwirtschaft liegt. Es gebe eine Bewegung hin zu Bio, weil Farmer erkannt hätten, wie teuer die Pestizide geworden sind, und die Kunden, wie viel besser die Bio-Qualität ist. Der Weg dahin sei aber noch lang. Es könnten ausgerechnet die helfen, die bisher die Stinkfrucht verschmähen: Jene Europäer und Amerikaner, die umweltbewusst einkaufen, sich Bio leisten können, und sich gesund ernähren wollen. Durian sei perfekt für Menschen mit Laktoseintoleranz und alle, die vegan leben. Man könne sie vielfältig zubereiten, einfrieren, »wie eine Eiscreme, die am Baum wächst«. Ein neues Superfood.

Aber werden sich die Menschen im Westen tatsächlich davon überzeugen lassen, etwas Gutes zu essen, das nach gammeligem Schwefelbecken riecht?

»Der Geschmack der Leute ändert sich«, sagt Gasik. »Es hat mal eine Zeit gegeben, da hieß es: Amerikaner würde niemals Sushi essen. Roher Fisch, das sei zu viel für ihren Geschmack. Heute ist Sushi in Amerika überall.«

Vielleicht kommt in Zukunft doch noch Professor Songpols Züchtung zum Einsatz, für die Supermärkte in Europa und den USA. Die »Chanthaburi 1«. Die erste Durian, die nicht stinkt.

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