Nato-Truppen in der Ukraine? Macrons Vorschlag gewinnt an Zustimmung
„Eindeutige“ Dynamik
Nato-Truppen in der Ukraine? Macrons Vorschlag gewinnt an Zustimmung
Die Stationierung von Nato-Truppen in der Ukraine war einst ein Luftschloss Macrons. Nun scheint der Vorschlag in Europa Befürworter zu finden.
Kiew/Paris – Die Vorstellung von Nato-Bodentruppen in der Ukraine schien vor wenigen Monaten noch wie ein Luftschloss des französischen Präsidenten, doch nun soll der Vorschlag immer mehr Zustimmung bei den Nato-Partnern finden. Dies sagte ein Sprecher der Partei von Präsident Emmanuel Macron im Gespräch mit dem US-Portal Newsweek.
Keine „isolierte Position Frankreichs“: Einige Nato-Staaten offen für Ukraine-Debatte
Der Spieß müsse gegen Wladimir Putin endlich umgedreht werden, sagte der französische Außenpolitiker Benjamin Haddad vergangene Woche am Rande der Lennart-Meri-Konferenz in Estland. Er wiederholte Newsweek zufolge dabei den Vorschlag Macrons, Nato-Truppen in der Ukraine zu stationieren, diese jedoch keine Kampfeinsätze durchführen zu lassen. Während die Idee von den USA zügig abgelehnt wurde, findet sie in Europa laut Haddad immer mehr Befürworter. Die Dynamik nehme „eindeutig“ zu, sagte er.
Dies zeige, dass es sich bei dem Vorstoß nicht um eine „isolierte Position Frankreichs“ handele, wie zunächst dargestellt. Als Beispiel nannte Haddad Tschechiens Präsidenten Petr Pavel, die estnische Premierministerin Kaja Kallas, sowie den polnischen Außenminister Radosław Sikorski und dessen litauischen Amtskollegen Gabrielius Landsbergis. Sie alle hätten zuletzt Unterstützung für den Vorschlag ausgedrückt – oder sich zumindest offen für eine Debatte gezeigt.
Soldaten der Deutsch-Französische Brigade stehen bei den Feierlichkeiten des 30-jährigen Standortjubiläums im badischen Müllheim auf dem Markgräfler Platz.
Ukraine-Krieg: Französischer Außenpolitiker fordert „kreative“ Lösungen von Nato-Staaten
„Das ist wichtig, weil diese Länder in der ersten Reihe stehen“, so Haddad weiter. „Und das sind Länder, die Paris und Berlin lange Zeit misstrauten.“ Tatsächlich wäre das Baltikum bei einer Ausweitung des Ukraine-Kriegs besonders gefährdet. Abgesehen von den wöchentlichen Drohgebärden aus Moskau, liegt auch die russische Exklave Kaliningrad zwischen Litauen und Polen. Ein früherer Nato-Admiral hatte daher kürzlich dazu geraten, Russland im Kriegsfall über die Ostflanke zu attackieren und Kaliningrad zu „neutralisieren“.
„Wir verbringen zu viel Zeit damit, uns Sorgen über eine Eskalation zu machen, obwohl Russland das Land ist, das eskaliert“, sagte Haddad mit Blick auf europäische Sorgen. Der französische Politiker forderte den Westen dazu auf, darüber nachzudenken, wie man Kiew auf „kreative“ Art und Weise unterstützen könne. Dabei warf er einen konkreten Vorschlag in den Raum:
„Im Moment sind viele ukrainische Truppen an der Grenze zu Belarus stationiert, um eine mögliche Invasion aus dem Norden zu verhindern“, sagte er. „Westliche Streitkräfte könnten entlang der Grenze als ‚Stolperdraht‘ eingesetzt werden – so wie man Truppen in den baltischen Staaten oder in Polen hat –, um einige dieser ukrainischen Truppen zu befreien, damit sie an die Front gehen können.“ Klar sei aber, dass es dazu die Nato bräuchte. „Kein Land kann das alleine tun“, so Haddad.
Russland behauptet seit Monaten, einen Krieg gegen den „kollektiven Westen“ zu führen
Russland hat die Nato-Staaten – mehr oder weniger seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs – vor einem Eingreifen gewarnt und mehrmals gedroht, dass bestimmte Waffenlieferungen „rote Linien“ überschreiten würden. Reagiert hat Putin bislang aber nicht – trotz viel diskutierten Lieferungen von Panzern. Inzwischen propagiert Moskau jedoch, dass man in der Ukraine einen von den USA angeführten Krieg gegen den „kollektiven Westen“ führt.
Angesprochen auf eine mögliche Entsendung von Nato-Truppen in die Ukraine, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erst im Mai, dass ein direktes Eingreifen „potenziell enorme Gefahren birgt“. Man beobachte solche „äußerst schwierigen Provokationen“ sehr genau. Und tatsächlich ließ eine Reaktion nicht lang auf sich warten: am Dienstag (21. Mai) kündigte Russland eine Atomwaffenübung nahe der Ukraine an. Dabei handele es sich um eine „Antwort auf provokative Äußerungen und Drohungen bestimmter westlicher Vertreter“, erklärte das russische Verteidigungsministerium. Es werde die „Bereitschaft“ der „nicht-strategischen Nuklearwaffen“ getestet, um die „territoriale Integrität und Souveränität des russischen Staates“ zu gewährleisten.
Haddad nennt die Entwicklung „schon seit einiger Zeit besorgniserregend“. Man sehe ein Russland, „das seine Aggression steigert, das seine Industrie auf eine komplette Kriegswirtschaft umgestellt hat“. Im Westen, sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten, würde man hingegen „in unserer Reaktion hinterherhinken“. (nak)