Ein Steuerrabatt für alle Mieter: Ein altes linkes Anliegen kommt wieder aufs Tapet – doch dieses Mal heisst die Urheberin SVP

ein steuerrabatt für alle mieter: ein altes linkes anliegen kommt wieder aufs tapet – doch dieses mal heisst die urheberin svp

Wer zur Miete wohnt, hat keine steuerlichen Vorteile. Annick Ramp / NZZ

Zwischen Mietern und Hauseigentümern tobt ein fast schon ewiger politischer Disput. Linke Parteien und Mieterverbände werfen den Immobilienbesitzern vor, dass sie bei den Steuern viel zu gut wegkämen. Dies, weil sie nur einen reduzierten Eigenmietwert versteuern müssen und hohe Abzüge vornehmen können, etwa für die Hypothekarzinsen.

Die Mieter hingegen würden gleich doppelt getroffen, von hohen Mieten und von hohen Steuern. Im Gegensatz zu den Wohneigentümern dürfen sie ihre Wohnkosten nicht in der Steuererklärung geltend machen.

Immer wieder gab es Anläufe, dies zu ändern. 1992 stimmte der Kanton Zürich über eine Initiative des Mieterverbands ab, die verlangte, dass 30 Prozent der Nettomiete vom steuerbaren Einkommen abzuziehen seien.

Unterstützt wurde das Anliegen von den Linken, gegen die Vorlage waren die Bürgerlichen – sie befürchteten unter anderem hohe Steuerausfälle, rund 100 Millionen Franken alleine beim Kanton. Nur ganz knapp, mit 49,6 Prozent Ja-Stimmen, wurde die Initiative abgelehnt.

Ein Zückerchen für Wohneigentümer

Gut dreissig Jahre später kommt das Anliegen wieder aufs Tapet. Aber dieses Mal wird es nicht von den Linken oder vom Mieterverband portiert, sondern von der Zürcher SVP. Die bürgerliche Partei, sonst keine Freundin linker Forderungen, verlangt mit einer parlamentarischen Initiative, dass Mieter 30 Prozent ihrer Nettomiete vom steuerbaren Einkommen abziehen können.

Bis zu diesem Punkt entspricht die Initiative haargenau der Forderung des Mieterverbands von Anfang der 1990er Jahre. Die SVP hat diese jedoch noch um ein Zückerchen für Wohneigentümer ergänzt: Sie sollen ebenfalls 30 Prozent abziehen können, aber vom Eigenmietwert. In beiden Fällen liegt der Höchstabzug bei 10 600 Franken.

Auswertungen mit dem Online-Steuerrechner des Kantons Zürich zeigen, wie stark ein solcher Rabatt einschenken würde: Eine Einzelperson mit einem steuerbaren Einkommen von 106 000 Franken aus der Stadt Zürich bezahlt heute gut 14 500 Franken kantonale und kommunale Steuern.

Könnte die Person den Maximalabzug von 10 600 Franken geltend machen, sänke ihre Rechnung für die Kantons- und die Gemeindesteuer auf noch rund 12 500 Franken. Die Person würde also etwa 2000 Franken Steuern sparen.

Was der Abzug für die Finanzen des Kantons und der Gemeinden bedeuten würde, lässt sich nicht einfach so kalkulieren. Eine Überschlagsrechnung zeigt aber die Grössenordnung an: Im Kanton Zürich gibt es gemäss Angaben des Bundesamts für Statistik 715 000 Haushalte. Wenn jeder von ihnen im Schnitt 500 Franken sparte, dann würden der Kanton und die Gemeinden knapp 360 Millionen Franken weniger Steuern einnehmen.

«Auch SVP-Mitglieder leiden unter den Wohnkosten»

Christoph Marty (SVP, Zürich) ist der Erstunterzeichner der parlamentarischen Initiative. Auch er geht davon aus, dass eine Umsetzung wohl mehrere hundert Millionen Franken kosten würde. Entsprechend ablehnend habe sein Parteikollege, der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker, seinen Vorschlag aufgenommen. «Das hat mich natürlich nicht überrascht. Der Kanton muss eben seine Ausgaben reduzieren, und dagegen wehrt sich der Regierungsrat.»

Marty sagt, dass er die frühere Initiative des Mieterverbandes nicht einmal gekannt habe. «Aber auch unter unseren Mitgliedern und Wählern gibt es Arbeiter und einfache Angestellte, welche unter den hohen Wohnkosten leiden», sagt er. «Sie müssen entlastet werden.» Sein Vorbild sei ein Gesetz im Kanton Zug.

Unterstützung erhält Marty vom Hauseigentümerverband (HEV). «Wenn Eigentümer wie Mieter die Möglichkeit erhalten, Abzüge in gleichem Umfang in der Steuererklärung geltend zu machen, dann kann ich das unterstützen», sagt Albert Leiser, der Direktor des HEV Zürich.

Genau diese Parallelität kommt jedoch beim Mieterverband gar nicht gut an. Der Abzug von 30 Prozent der Miete beim steuerbaren Einkommen sei fair, weil auch Immobilienbesitzer nicht den ganzen Eigenmietwert versteuern müssten, sagt der Verbandssprecher Walter Angst. Unverschämt sei es aber, wenn nun für Eigentümer ebenfalls ein neuer Abzug eingeführt werden solle.

Diese Reduktion zugunsten der Hauseigentümer sei wahrscheinlich nicht einmal legal, ergänzt Michèle Dünki-Bättig, die Co-Präsidentin der Zürcher SP. «Mit einem Abzug von 30 Prozent des steuerbaren Reinertrags landet man laut Bundesgericht bei einer zu tiefen Besteuerung.»

Bemerkenswert ist, dass die Zürcher SP sogar die von der SVP vorgeschlagenen Abzüge für die Mieter kritisch beurteilt, immerhin ein traditionell urlinkes Anliegen.

Sie tut dies aus grundsätzlichen Überlegungen. «Steuerliche Entlastungen treffen meist nicht diejenigen, die sie am nötigsten haben», sagt Dünki-Bättig. Zudem sei es störend, wenn private Immobilienkonzerne Profit mit überteuerten Mieten machten und der Staat dies ausgleichen solle. Der öffentlichen Hand fehlten dazu auch die Mittel.

Die SVP allein auf weiter Flur

Um seine finanzielle Basis zu sichern, könnte der Kanton zu einem einfachen Trick greifen: Er könnte zwar den Rabatt für die Mieter und Hauseigentümer einführen, gleichzeitig aber anderswo die Steuern erhöhen, um das Loch wieder zu stopfen. Denkbar wäre etwa ein höherer Steuerfuss.

Dass der Kanton dies wagen könnte, glaubt der SVP-Mann Christoph Marty nicht. «Erstens ist der Kanton Zürich bei den Unternehmenssteuern heute schon gemeinsam mit Bern das Schlusslicht. Zweitens kann er es sich auch bei den Privaten nicht erlauben, sich weiter zu verschlechtern. Und drittens würden wir jede Steuererhöhung vehement bekämpfen.»

Auch aus Albert Leisers Sicht ist klar, dass den Mindereinnahmen tiefere Staatsausgaben gegenüberstehen müssten. «Wir müssen dem Staat konsequent Mittel entziehen, dann wird er effizienter, und davon profitieren alle Steuerzahler. Das entsprechende Potenzial ist vorhanden», sagt er.

Offen ist ein anderes Potenzial: das für Christoph Martys Initiative im Kantonsrat. In einem ersten Schritt müsste er wenigstens 60 Stimmen für eine vorläufige Unterstützung sammeln. Doch ausser seiner SVP hat sich bis jetzt keine Partei hinter seine Vorlage gestellt. Die Volkspartei zählt im Kantonsrat 49 Mitglieder.

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