Braunbären im Allgäu: Initiative fordert klare rechtliche Grundlagen
Kein Schnellschuss, aber schneller
Braunbären im Allgäu: Initiative fordert klare rechtliche Grundlagen
Braunbär
Die Angst geht nicht um. Aber die Sorge, dass über kurz oder lang erneut ein Braunbär durch das Allgäu streifen könnte. Im Mai vergangenen Jahres war dies im Hintersteiner Tal im Oberallgäu tatsächlich der Fall. Und was kann und darf die Behörde vor Ort tun, ohne dabei in den Bereich einer Rechtsunsicherheit zu tappen, wenn der Bär kommt? Momentan seien Entscheidungsprozesse zu langwierig und vage.
Allgäu – Zuletzt zog ein Braunbär im Mai 2023 durch das Hintersteiner Tal im Oberallgäu. Auch wenn sich damals das Raubtier schnell wieder verzog und seitdem nicht mehr gesehen war, wollte die Kreisverwaltung „gut aufgestellt“ sein für erneute „Besuche“ und die Landrätin stieß die „Initiative Braunbär“ an.
Jetzt trafen sich die Akteure der Initiative zu einem Erfahrungsaustausch in Sonthofen. Einhellig wurde betont: Um dauerhaft ein harmonisches Miteinander von Mensch und Natur zu fördern, brauche es keine kurzfristigen Lösungen, sondern eine langfristige Strategie beim Umgang mit dem Braunbär im Alpenraum.
Sicherheit vor dem Braunbären und Rechtssicherheit generell beim Umgang mit großen Raubtieren fordern Touristiker ebenso wie die Alp- und Landwirtschaft und die Menschen in den Regionen. Schnellschüsse“ soll es keine geben, wenn ein Bär auftaucht. Aber auch kein tage- und wochenlanges hin und her im Klärungsprozedere, wie die zuständigen Behörden mit dem „Fall“ umgehen sollen. Denn gerade dies ist offenbar die Krux bei der Angelegenheit. Und er, der Braunbär, werde immer wieder in den Regionen entlang des Alpenbogens auftauchen, sind sich die Experten einig.
Wieso könnte der Braunbär wieder durch das Allgäu streifen?
Arnold Schuler, Landtagspräsident in Südtirol erklärt das Phänomen: Aus der rund 100 Braunbären zählenden Population im Trentino wanderten im vergangenen Jahr über 50 männliche Jungbären ab. Zwar sei etwa die Hälfte wieder zurückgekehrt, andere kamen zu Tode oder gelten als „verschollen. „Aber 12 Tiere sind irgendwo unterwegs“, so Schuler.
Ausschließen, dass einige Braunbären - auf welche Art auch immer - „weggekommen“ sein könnten, wollte der Landtagspräsident auf Nachfrage nicht. Allerdings spricht er – bezogen auf die Population im Trentino – von einem Anteil von 13 Prozent der Braunbären mit einer Einstufung als „auffällig – wie auch immer“. Als „gefährlich“ gelten drei Prozent des Bestandes.
Wenige Bären werden als gefährlich eingestuft
Ein Gefährdungspotenzial gehe von solchen wandernden Braunbären immer aus, auch wenn nur wenige aufgrund ihres Verhaltens schließlich als „auffällig“ oder gar „gefährlich“ eingestuft würden, sind sich alle in der Runde der Tagung einig. „Die Tiere sind sehr mobil und sehr nahe am Allgäu“, beschrieb die Ostallgäuer Landrätin Maria Rita Zinnecker die allgemeine Verunsicherung, sowohl in der Bevölkerung wie auch bei Touristikern vor Ort oder nicht zuletzt der Alpwirtschaft.
Die „Initiative Braunbär“ sei wichtig, um den Blick auf eine verlässliche Vorgehensweise im Fall des Falles zu lenken. Die Gesetzgebung auf allen Ebenen sei aufgefordert, den rechtlichen Rahmen zu schaffen, dass die Behörden vor Ort dann auch handeln könnten. Zinnecker stellte fest: „Scheue, unauffällige Tiere machen uns wenig Probleme, sondern die auffälligen. Dann müssen wir handeln können.“
Traunsteiner Landrat fordert konsequente Regulierung
Das sieht auch Siegfried Walch, Landrat im Landkreis Traunstein, ganz ähnlich. Seit 2019 gebe es immer wieder Braunbärensichtungen, zuletzt im Mai 2023. „Es geht nicht darum ob man für oder gegen das Tier ist, vielmehr um die Frage, ob der Lebensraum, den die Regionen als Kulturlandschaft darstellen, für diese Tier geeignet ist.“ Das könne man angesichts eines dicht besiedelten Raumes nicht behaupten, so Walch weiter. Der Naturraum und der Lebensbereich des Menschen lasse sich hier und heute nicht voneinander trennen. „Die Kulturlandschaft muss Bestand haben, und auch die Weideviehhaltung die diese Landschaft dauerhaft sichert.“
Wenn man hier nicht regulierend eingreife, sei die Alpwirtschaft und die Berglandwirtschaft wie man sie kenne, in Gefahr, stellt der Traunsteiner Landrat fest. Herdenschutz sei in der Praxis nur sehr bedingt möglich, im alpinen Gelände nicht tauglich. Wenn man die „Ansiedlung“ von Braunbären ermögliche, müsse man in der Konsequenz auch eine Bestandsregulierung etablieren. „Und eine schnelle, rechtssichere Möglichkeit eines Eingriffs erlauben.“
Damit bringt der Landrat das Problem der Entnahme, also eines Abschusses, auf den Punkt. Tagelange Klärungen ob zum einen eine Entnahme hieb- und stichfest angeordnet werden kann, und zum anderen schließlich das „richtige“ – auffällige oder gefährliche – Tier erwischen wird, helfen in der Praxis nicht, findet Walch. Womöglich sei das fragliche Tier schon über alle Berge bevor Rechtssicherheit bestehe und tauche beim Nachbarlandkreis auf.
„Was, wenn der Bär sich nicht zurückgezogen hätte?“
Die Oberallgäuer Landrätin erinnert an den konkreten Fall einer Braunbärensichtung im Hintersteiner Tal im Frühjahr 2023. Hier habe sich der Bär schnell zurückgezogen. „Aber was ist, wenn er das nicht getan hätte?“ Genau diese Sorge treibt die Behörden und Landräte entlang des Alpenbogens um. Schon der konkrete Nachweis der Anwesenheit sei zeitaufwändig.
Die Behörde vor Ort brauche eine verlässliche juristische Grundlage, um schnell handeln zu können ohne im Nachhinein mit einem Gerichtsverfahren überzogen zu werden. „Die Diskussion darüber, ob die Kreisverwaltung selbst über einen Abschuss entscheiden kann, muss geführt werden.“ Verlässlichkeit müsse gegeben sein, egal wer letztlich entscheide.
Für eine schnelle, frühzeitige Entnahme von als „gefährlich“ eingestufte Braunbären plädiert auch Arnold Schuler aus Südtirol. Der Nachwuchs erlerne zwangsläufig das entsprechende problematische Verhalten von den Elterntieren und beginne eine ebenso gestaltete „Laufbahn“. Um all das zu vermeiden, brauche es „entsprechende Instrumente“, wer immer sie bestimme, fordert Schuler.
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