Kaum Zwischenfälle mit „L’Amour toujours“: Rassisten-Hetze bei Club-Klassiker nicht immer strafbar
Am Wochenende zeigte ein Italien-Fan den Hitlergruß und spielte den Hit von Gigi D’Agostino ab. Die Polizei schritt ein. Doch nur selten ist nach dem Sylt-Vorfall rassistisches Gröle zum Song strafbar.
Tanzende Partygäste bei einer Techno-Party. (Symbolbild)
Am Samstagnachmittag, wenige Stunden vor dem Aus der italienischen Nationalelf bei der Fußball-Europameisterschaft, nahmen Berliner Polizisten am Theodor-Heuss-Platz einen Azzurro fest. Er spielte den Elektro-Klassiker „L’Amour toujours“ des DJs Gigi D’Agostino ab und zeigte den Hitlergruß.
Seit dem Video feiernder junger Menschen von einer Party auf Sylt ist bekannt, dass das Lied nicht nur von der rechten Szene missbraucht wird. Auch in Dorfdiscos sangen Feiernde zu dem Song die rassistische Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“, hetzten damit gegen Menschen mit Migrationsgeschichte. Doch strafbar ist das nicht in jedem Fall, wie Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses sagte.
Nach ihren Angaben gab es bereits mindestens einen Einsatz während er Fußball-EM. Demnach stellte Beamten in einem Fall die Personalien fest, nachdem das Lied abgespielt wurde. Hinweise auf eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergaben sich daraus aber nicht.
Der AfD-Innenpolitiker Karsten Woldeit monierte, der Umgang mit dem Lied sei ein Kanonenschießen auf Spatzen. Polizeipräsidentin Slowik sagte, Anzeigen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen oder Volksverhetzung seien möglich, wenn neben dem Lied die Parole „Ausländer raus!“ etwa gezielt in Richtung von Personen mit Migrationshintergrund gerufen werde.
Polizei wurde für das Lied sensibilisiert
Auch Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) sagte, die Innenverwaltung habe den Song vor der EM mit Polizei und Staatsanwaltschaft auf Strafbarkeit geprüft. Demnach sei das Lied grundsätzlich nicht strafbar. „Das wäre auch dem Künstler, auch dem Text gegenüber nicht angemessen“, sagt Hochgrebe.
Allerdings müsse jeder Einzelfall nach den konkreten Umständen rechtlich bewertet werden. Sollte es zu einer „missbräuchlichen Verwendung“ kommen, werde die Polizei eingreifen und Ermittlungen einleiten. „Die Polizei Berlin und die unterstützenden Kräfte sind sensibilisiert dafür“, sagte Hochgrebe.
Dieses Phänomen ist mittlerweile deutschlandweit viral gegangen, es ist auch bei feiernden Personen, die nicht der rechten Szene angehören, festzustellen.
Interne Mitteilung der Polizei Berlin
In einer internen Meldung der Polizei heißt es über das ausländerfeindliche Gegröle zu dem Lied: „Dieses Phänomen ist mittlerweile deutschlandweit viral gegangen, sodass es nunmehr auch im Bereich der Partyszene und bei feiernden Personen, die nicht der rechten Szene angehören, festzustellen ist.“
Strafbar könne das Skandieren bei dem Lied sein, wenn „weitere situationsbedingte Begleitumstände hinzutreten“. Aufgezählt werden der Hitlergruß, das Tragen einer Reichskriegsflagge oder Rufe gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Mögliche Taten könnten das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen oder Volksverhetzung sein.
Ansonsten, wenn keine Gefahr in Verzug besteht und die öffentliche Ordnung nicht gefährdet sei, müssten Beamte lediglich einen Tätigkeitsbericht schreiben. Bei Belästigung der Allgemeinheit sei ein Ordnungswidrigkeitsverfahren möglich.
Größere Zwischenfälle bei der EM mit diesem Lied blieben entgegen der Befürchtungen bislang aus. Zwar wurde die Melodie in den Stadien schon angestimmt, doch ohne rassistische Parolen. Vor zwei Wochen hatte mehrere Männer auf dem S-Bahnhof Eichwalde in Brandenburg nach dem EM-Auftakt die Parole gegrölt. Die Bundespolizei schritt ein und leitete ein Verfahren wegen Volksverhetzung ein.