Hier steht die grösste Kirche der Welt – und sie ist ... völlig absurd

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Die Säulen sind 30 Meter hoch. Selten habe ich mich so klein gefühlt.

158 Meter hoch ist die Basilika Notre-Dame-de-la-Paix in Yamoussoukro. Damit überragt sie den Petersdom im Vatikan locker. Ich besuche den Prunkbau im Rahmen meiner Reise an den Afrika-Cup und denke bei aller Schönheit und Genialität der Architektur eigentlich nur eines: Wahnsinn!

Yamoussoukro war 1950 noch eine vergessene Bauernsiedlung mit rund 500 Einwohnern. Dann kam Félix Houphouët-Boigny. Der erste Präsident der Elfenbeinküste baute seinen Geburtsort ab der Machtübernahme 1960 sukzessive auf und ernannte ihn 1983 zur neuen Hauptstadt.

Heute leben knapp 400’000 Menschen hier. Die Stadt fühlt sich aber weiterhin an wie ein afrikanisches Provinzloch. Kein Vergleich zur schrillen Millionenmetropole Abidjan, der rund 15-mal so grossen Stadt am Golf von Guinea.

Video: watson

Mit zwei Freunden reise ich von dort im öffentlichen Bus an. Bei der Ankunft wartet meine AirBnB-Gastgeberin. Es sei einfacher, wenn sie mich grad abhole, als zu erklären, wie ich zur Unterkunft komme. Weil diese sei brandneu. Kurzerhand steigen auch die anderen beiden ins Taxi und wir fahren sie erst zu deren Appartement. Sechs Erwachsene quetschen sich ins lotternde Gefährt: vorne drei, hinten drei. Mehr geht nicht.

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Gut gefülltes Taxi.

Die Unterkunft ist tatsächlich neu. So neu, dass noch dran gebaut wird. Aber meine Wohnung ist praktisch fertig. Das WLAN funktioniere grad nicht, aber die Gegend sei sicher und die Wohnung sowieso. Schliesslich sitzt unten ein Wächter vor dem mehrstöckigen Wohnhaus. Der Baulärm sei in der Nacht dann auch weg.

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Willkommen im meiner Unterkunft. Rechts um die Ecke das noch nicht fertige Badezimmer. Das Fenster da oben sind einfach Gitterstäbe. Die Türe kann man dafür dreifach abschliessen.

«Äntli-Füettere für Fortgeschrittene»

Bevor meine Gastgeberin wieder geht, frage ich sie, was es hier ausser der Afrika-Cup-Partien und der Kirche noch zu sehen gäbe. Sie lächelt verschmitzt, schweigt erst und sagt dann mit wenig Überzeugung: «Le lac aux crocodiles, peut-être.»

Dabei handelt es sich um einen künstlichen See, welcher Houphouët-Boigny um seine gigantische Präsidentenpalast-Anlage erbauen liess. Er baute einen Metallzaun drumherum und setzte einige Krokodile drin aus. Noch heute könne man auf dem Markt nebenan ein totes Huhn kaufen und den Tieren zuwerfen, sagt meine Gastgeberin. Das sei ein Spektakel – «Äntli-Füettere» für Fortgeschrittene sozusagen. Wir haben aber drauf verzichtet.

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Da hinten sind die Krokodile im künstlichen See.

Für Architekturfans gebe es auch noch das Hôtel Président mit seinem runden und versetzten Restaurant auf dem Dach. «Ein Meisterwerk.» Aber heute sei dieses geschlossen. Kurz zusammengefasst: Die touristischen Highlights 2 und 3 musst man nicht gesehen haben. Aber bei Nummer 1, da wirst du nur noch ungläubig staunen.

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Das Hôtel Président mit dem eindrücklichen Restaurant ganz oben.

Vom Petersdom abgeschaut

Ex-Präsident Houphouët-Boigny setzte sich gegen Ende seiner Amtszeit nämlich noch ein paar prunkvolle Denkmäler – die Basilika Notre-Dame-de-la-Paix beispielsweise. Er erbaute das Ungetüm am Stadtrand, umgeben von Urwald innert drei Jahren bis 1989. Sie verfügt über 7000 Sitzplätze und 11’000 Stehplätze.

Der Petersdom, an den das Bauwerk unverkennbar angelehnt ist, besitzt zwar das grössere Fassungsvermögen, hat aber den kleineren Durchmesser und ist mit 137 Metern ganze 21 Meter weniger hoch als die «Kopie» in Yamoussoukro.

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Die Basilika Notre-Dame-de-la-Paix in Yamoussoukro. Für einen Grössenvergleich beachte man die parkierten Autos links. Hinter der Kirche sind die Villen für den Präsidenten (rechts) und Papst (links) zu sehen.

Der Papst hatte nicht nur Freude

Eigentlich hätte die 60-Meter-Kuppe noch höher werden sollen. Aber da hatte angeblich der damalige Papst Johannes Paul II. keine Freude dran. Darum wurde redimensioniert – allerdings wurde das goldene Kreuz auf dem Dach mit 38 Metern so gross gebaut, dass das Gebäude trotzdem höher wurde als das Original. 1990 weihte der Papst das Gebäude ein, 300’000 Leute kamen. Die Kirche war voll. Das war sie seither nie mehr auch nur annähernd.

Im Kirchenschiff selbst warten weitere Superlative. Die Kuppe leuchtet blau und oben glänzt ein helles Kunstwerk. Die Glasmosaikfenster zeigen Szenen aus der Bibel in Farbe. Kein Licht brennt, alles wird nur von der Sonne beleuchtet.

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Blick auf die Bühne mit den Sitzreihen und den Glasmosaikfenstern.

Geniale Architektur

Ein Glasmosaikfenster zeigt jedoch keine bekannte Szene aus dem Buch der Bücher. Etwas abschätzig könnten wir es als «Sponsorentafel» bezeichnen. Jesus ist zwar darauf und seine Jünger auch. Aber dann eben noch weitere Personen, welche für den Bau der Kirche wichtig waren: Houphouët-Boigny natürlich und noch weitere, die uns der Guide alle erklärt. Andere sind auch noch schriftlich erwähnt. Wir können nur noch den Kopf schütteln.

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Die «Sponsorentafel». Jesus mit dem gelben Schein, zu seinen Füssen der ehemalige Präsident Felix Houphouët-Boigny. Hinter ihm die Frau und der Mann gehören zu weiteren wichtigen Helfern, ebenso die Personen links.

Auch sonst wurde nicht an Details gespart. Vor jedem der riesigen Eingangstoren kann ein Luftvorhang aktiviert werden, damit die Temperatur drinnen kühl bleibt. Auch die verschiedenen Sektoren haben alle unabhängig voneinander arbeitende Klimatisierungssysteme. Die Sitze besitzen gar eigene Lüftungen. Eine Echodämpfung sorgt dafür, dass man unten auf den Sitzbänken tuscheln kann, ohne dass dies andere gross stören würde. Nimmt man aber die drei Schritte auf die Bühne, hallt die Stimme von den Wänden zurück.

Video: watson

Holz von der Elfenbeinküste nach Italien und zurück

Und ja, diese Holzbänke sind aus Holz der Elfenbeinküste gezimmert worden. Allerdings wurde das Rohmaterial dafür nach Italien verschifft, dort bearbeitet und zurück nach Westafrika transportiert. Der Marmorboden stammt ebenfalls aus Europa.

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Das Mosaik ganz oben in der Kuppe.

Die gigantischen Säulen sind immerhin aus einheimischem Stein erstellt. Sie wurden rund 30 Meter in den Boden gebaut, damit sie die benötigte Stabilität aufweisen. In den sechs grossen Säulen führen Lifte (gingen grad kaputt, als ich da war) und Wendeltreppen (196 schweisstreibende Stufen) zum Balkonbereich und auf das Dach der Basilika. Die Aussicht von da oben ist umwerfend.

Video: watson

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Kritik am Bau

Kein Wunder kostete der Bau fast doppelt so viel, wie ursprünglich gedacht. Rund 200 Millionen Euro sollen die Baukosten betragen haben. Der damalige Präsident habe alles aus eigener Kasse bezahlt, was man ihm nicht überall abnahm. Sowieso gab es auch heftige Kritik am unnötigen Bau. Die meistverbreitete Religion in der Elfenbeiküste ist der Islam.

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Blick vom Dach über den Platz und Garten zum Haupteingang.

Ein so grosses Gotteshaus für Katholiken war, ist und bleibt völlig überdimensioniert – und das alles in einem Land, das die Gelder weiss Gott besser hätte investieren können. Meist verlieren sich nur wenige hundert Menschen zu den Gottesdiensten im Prunkbau. Immerhin soll die Kirche während den Bürgerkriegen in den Nullerjahren als Zufluchtsort aufgesucht worden sein.

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Auf dem grossen Platz vor der Basilika.

Autobahn ins Nirgendwo

Nachdem wir die Kirche verlassen haben, laufen wir unter dem gedeckten Bereich (hier haben 30’000 Menschen Platz) auf den gigantischen Platz, welcher für 150’000 Personen ausgelegt ist. Von hier führt der Weg einen Kilometer schnurgerade durch die Gartenanlage zum Haupttor. Dort kommst du auf eine sechsspurige Autobahn, die ins Nirgendwo führt. Alles völlig absurd.

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In Yamoussourkro sind einige Strassen sechsspurig. Wirklich nötig ist dies nicht.

Hinter dem Kirchenschiff stehen noch zwei mehrstöckige Villen. Die eine liess der Präsident für sich errichten. Die andere steht dem Papst zur Verfügung. Nur er und seine Entourage dürfen sie benutzen. Er war seit Fertigstellung des Bauwerks vor 35 Jahren nur gerade einmal da.

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Hier sieht man die Gartenanlage des Bauwerks sehr gut, links die sechsspurige Strasse. Mittlerweile kommt die Stadt nahe an die Basilika heran. Früher war hier alles Regenwald.

Unterdessen erreicht mich eine Nachricht meiner Gastgeberin. Ob es okay sei, wenn sie das zweite Zimmer in der Wohnung noch vorbereite, sie könne dieses heute an jemanden vermieten. Ich habe jetzt also statt WLAN einen WG-Partner.

Doch als ich nach dem Match zur Unterkunft komme, ist niemand da – mit Ausnahme des Wächters unten beim Eingang, der tief und fest am Boden schläft. Auch der Strom hat sich verabschiedet. Es wird eine eher schwüle Nacht. Und es passt so gut zur irgendwie völlig absurden Reise in die Hauptstadt der Elfenbeinküste.

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