Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann haben den offenen Brief unterzeichnet.
Fünf Altbundesräte empfehlen die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente zur Ablehnung. Die vermeintliche Glanzidee des Nein-Lagers entwickelt sich zum veritablen Rohrkrepierer.
In knapp drei Wochen steht fest, ob die Pensionierten eine 13. AHV-Rente erhalten werden. Die hohe Zustimmung zur Volksinitiative des Gewerkschaftsbunds in den Umfragen sorgt bei den Gegnern für Nervosität. Unklar ist, wie sich die Befindlichkeit seither entwickelt hat. Die zweite Tamedia-Welle, stets ein guter Trendindikator, wurde offenbar «weggespart».
Die diffuse Stimmungslage hat das Nein-Lager zu einer speziellen Aktion veranlasst. Um das Ruder herumzureissen, wurden fünf Altbundesräte «eingespannt»: Doris Leuthard (Mitte), Adolf Ogi (SVP) und Johann Schneider-Ammann (FDP) unterzeichneten einen «dringlichen Appell» an 700’000 Rentnerinnen und Rentner in der Deutschschweiz.
In der Romandie wurde er als Zeitungsinserat veröffentlicht, mit den Unterschriften von Pascal Couchepin (FDP) und Joseph Deiss (Mitte). In dem in ernstem Tonfall gehaltenen Schreiben bezeichnen die Ex-Magistrate die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente als «brandgefährlich». Mit ihr sei «die finanzielle Zukunft unserer AHV stark bedroht».
Kritik wegen Bundesratsrente
Man wisse, dass die AHV ab 2030 finanzielle Probleme haben werde, sagte Couchepin im Interview mit Tamedia: «Jetzt ist nicht die Zeit, um etwas einzuführen, das noch mehr kostet – und die AHV in Schwierigkeiten bringt.» Nicht alle sehen das so: Die früheren SP-Bundesrätinnen Ruth Dreifuss und Micheline Calmy-Rey befürworten den «AHV-Bonus».
In der Bevölkerung scheint das Vorpreschen der bürgerlichen Altbundesräte ebenfalls auf wenig Gegenliebe zu stossen. Darauf deuten die Online-Kommentare hin. Im Zentrum der Kritik steht die jährliche Rente von 228’000 Franken, die Bundesräte auch dann erhalten, wenn sie sich nach ihrem Abgang noch gar nicht im Pensionsalter befinden.
«Rohrkrepierer von Economiesuisse»
Die drei meistgelikten Kommentare auf watson verweisen auf diesen Punkt. «Es kommt mir vor, als würden Vollgefressene über Hunger debattieren», lästerte User Sergeant Pepper. Auch in den drei Deutschschweizer Sonntagsblättern wurde der Brief der Altbundesräte negativ bewertet: «Diese Aktion war keine gute Idee», kommentierte die «NZZ am Sonntag».
Die eigentliche Nein-Kampagne genügt den Gegnern offenbar nicht.
Für den Chefredaktor der «Sonntagszeitung» handelte es sich um einen Rohrkrepierer von Economiesuisse: «Dass so ein Aufruf beim Volk schlecht ankommt, wäre eigentlich voraussehbar gewesen.» Sein Kollege beim «Sonntagsblick» rechnete vor, dass ehemalige Bundesratsmitglieder dieses Jahr auf ihre Rente einen Teuerungsausgleich von einem Prozent erhielten.
Ohne Blocher und Maurer
Dies entspreche der Regelung für alle Bundesangestellten und bedeute für die früheren Regierungsmitglieder einen Zustupf «in der Höhe einer 13. AHV-Rente». Damit liegt der Vorwurf «Wasser predigen und Wein trinken» regelrecht auf der Hand. Auffällig ist auch, welche ehemaligen bürgerlichen Bundesräte nicht berücksichtigt wurden.
Zum Beispiel Christoph Blocher (SVP). Er wurde nicht angefragt, wie er auf Teleblocher sagte. Aus gutem Grund: Villenbewohner und Kunstsammler Blocher hatte nach seiner Abwahl 2007 auf die Bundesratsrente verzichtet, sie aber vor vier Jahren trotzdem eingefordert, und zwar rückwirkend, was rund 2,7 Millionen Franken entsprach. Am Ende erhielt er fünf Jahresrenten (1,1 Millionen).
Der Inhalt als Problem
Nicht aufgeführt ist auch Ueli Maurer, obwohl er sich an der SVP-Basis – die gemäss den Umfragen den AHV-Zustupf mehrheitlich befürwortet – nach wie vor grosser Beliebtheit erfreut. Doch nachdem er sich als Impfgegner geoutet und die Corona-Massnahmen als «Hysterie» bezeichnet hat, ist Maurer für ein Senioren-Publikum wohl schwer vermittelbar.
Kunstsammler Christoph Blocher hat seine Bundesratsrente nachträglich eingefordert.
Altbundesräte geniessen in der Regel eine hohe Glaubwürdigkeit, mag sich die Nein-Kampagne unter Führung der SVP gedacht haben. In diesem Fall aber könnte sie ein Eigentor erzielt oder den Gewerkschaften zumindest einen Steilpass zugespielt haben. Dazu trägt nicht nur die selektive Auswahl bei, sondern auch der Inhalt des offenen Briefs.
Schwarzmalerei statt Mitgefühl
Von ehemaligen «Landesmüttern und -vätern» erwartet man, dass sie sich am «Wohl der Schwachen» orientieren, wie es in der Präambel der Bundesverfassung heisst. Der Brief enthält jedoch keinerlei Verständnis für die Sorgen bedürftiger Rentnerinnen und Rentner. Er ist eine einzige Schwarzmalerei mit einem fast schon drohenden Unterton.
Weil dies in der Westschweiz schlecht ankäme, ist die französischsprachige Version dezenter formuliert. Trotzdem wird es so nichts mit einem Nein. Oder wie der Chefredaktor der «Sonntagszeitung» schrieb: «Wenn jetzt nicht noch ein Wunder passiert, dann wird man sich rasch überlegen müssen, wie man die 5 Milliarden Zusatzkosten finanziert.»
Mehr zur 13. AHV-Rente:
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