Wenn eine Körperbewegung als Ausdruck falscher Gesinnung kriminalisiert wird, ist das problematisch. Das muss man sagen können – ohne in Extremistennähe gerückt zu werden.
«Scheinbar macht sich heute bereits verdächtig, wer Fragen stellt»: SVP-Nationalrat Benjamin Fischer beklagt eine «Bagatellisierung» des Diskurses.
Die Leiterin der Bundeshausredaktion, Larissa Rhyn, hat in ihrem Kommentar letzte Woche eine Frage skandalisiert, die ich in der Debatte um ein Verbot extremistischer Symbole gestellt hatte. Ich wollte von Bundesrat Beat Jans wissen, ob mit dem neuen Gesetz der Hitlergruss und damit eine bestimmte Bewegung des eigenen Körpers unter Strafe gestellt werde – und wie dies mit den Grundrechten vereinbar sei. Nicht erwähnt wird die Antwort von Bundesrat Jans:
«Ich kann diese Frage noch nicht beantworten. Der Rat muss jetzt entscheiden, ob er den Anträgen der Kommission zustimmt. Wenn ja, wird der Bundesrat eine Vorlage bringen. Dann werden Sie hier im Rat eine Debatte führen und solche Fragen auch mit mir als Bundesrat diskutieren können.»
Ich habe in einer legitimen Frage ein Bedenken adressiert, das namhafte Staatsrechtler teilen. Bundesrat Jans anerkennt den Diskussionsbedarf. Niemand hat den Hitlergruss «verteidigt».
Worum geht es? Bereits heute macht sich strafbar, wer etwa an einer Kundgebung mit dem Hitlergruss öffentlich für Naziideologie wirbt oder diesen gezielt gegen Personen einsetzt. Also wenn dieser Akt gegen ihre Menschenwürde gerichtet ist. Der öffentlich gezeigte Hitlergruss ist in der Schweiz in den meisten relevanten Fällen bereits strafbar. Das aktuell debattierte, generelle Verbot ginge jedoch weiter und würde vom kantischen Grundsatz abkommen, den Frau Rhyn zitiert: dass die Freiheit des Einzelnen dort ende, wo die Freiheit des anderen beginne.
Der bewährte Schweizer Weg der Extremismusbekämpfung
Hier liegt der Kern meiner Frage: Wie wäre es mit den Grundrechten vereinbar, eine Bewegung des eigenen Körpers unter Strafe zu stellen, wenn daran eine bestimmte Gesinnung festgemacht wird? Also wenn damit eben gerade kein konkretes Rechtsgut verletzt wird?
Ich habe Verständnis, wenn jemand argumentiert, allein das Bekenntnis zu einer gewissen Gesinnung könnte die Menschenwürde generell abstrakt verletzen. Darüber kann man diskutieren. Stattdessen wird aber auf mich als Absender gezielt und die Debatte an sich delegitimiert. Gerade mit Blick auf unseren Nachbarn Deutschland sollten wir uns sorgfältig überlegen, ob wir den bewährten Schweizer Weg der Extremismusbekämpfung tatsächlich aufgeben wollen. Doch scheinbar macht sich heute bereits verdächtig, wer Fragen stellt.
Frei nach Karl Popper darf Toleranz die Intoleranz nicht tolerieren, das ist richtig. Definiert man das Spektrum der zugelassenen Meinung im demokratischen Rechtsstaat jedoch zu schmal, fällt alsbald ein zu grosser Teil der Bevölkerung in die Düsternis dessen, was im öffentlichen Diskurs nicht mehr zugelassen ist, mit schwerwiegenden Folgen für den demokratischen Rechtsstaat. Scheinbar ist ein Teil des heutigen Journalismus derart darauf fokussiert, die öffentliche Debatte innerhalb des «akzeptierten» Meinungskorridors zu halten, dass ihm entgleitet, wie er diesen Korridor stetig verschmälert.
Nazisymbol-Verbot: Keine triviale Frage
So haben Bundesrat und Parlament die Umsetzung eines generellen Symbolverbots immer, gut begründet, abgelehnt. Wurde ihnen damals auch Nähe zu Naziideologie vorgeworfen?
Die Verwendung genannter Symbole und Gesten ist verwerflich. Doch was im Strafrecht wie zu regeln ist und was eben nicht, ist keine triviale Frage. Diese Diskussion muss frei und in aller Ernsthaftigkeit geführt werden. Diesbezüglich Distanzierung von irgendeiner Meinung zu fordern, ist eine zutiefst undemokratische Bagatellisierung des politischen Diskurses.
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