Peter Magyar rief am Dienstag zu einer Demonstration vor der Generalstaatsanwaltschaft auf, an der Tausende teilnahmen. ; Denes Erdos / AP
Ungarns Opposition hat einen neuen Hoffnungsträger, und er kommt aus dem Inneren des Systems Orban. Peter Magyar war bis vor kurzem selbst ein Günstling der alle Macht im Land kontrollierenden Regierungspartei Fidesz. Er bekleidete hohe Posten in regierungsnahen Betrieben und in der Verwaltung, zudem war er verheiratet mit einer engen Vertrauten von Ministerpräsident Viktor Orban – der ehemaligen Justizministerin Judit Varga. Sie galt als Star innerhalb der Partei: Eloquent und telegen vermochte sie auch in Brüssel die umstrittenen Positionen der Regierung überzeugend zu vertreten. Als Spitzenkandidatin des Fidesz hätte Varga bei der Wahl im Juni ins EU-Parlament einziehen und dann möglicherweise Ungarns Posten in der Kommission einnehmen sollen.
Judit Varga, ehemalige Justizministerin Ungarns. ; Krisztina Than / Reuters
Vor sechs Wochen wurde Varga indes zu einem Opfer im Skandal um die Begnadigung des Helfers eines Pädophilen, die Staatspräsidentin Katalin Novak im vergangenen Jahr verfügt und Varga als Justizministerin gegengezeichnet hatte. Das Bekanntwerden des Straferlasses Anfang Februar erschütterte die Öffentlichkeit, und Orban erkannte die Gefahr für seine Regierung sofort. Novak und Varga zogen sich aus der Politik zurück, der Fidesz verlor auf einen Schlag zwei junge Hoffnungsträgerinnen und die einzigen Frauen mit führenden Rollen.
Die Regierung bezeichnet Magyar als rachsüchtigen Schläger
Orban glaubte, damit die selbst von Regierungsanhängern als solche benannte Krise ausgestanden zu haben. Doch Magyar sorgt seit Wochen dafür, dass keine Ruhe einkehrt. Nach dem Abgang seiner Ex-Frau trat er von seinen Positionen zurück und rechnete in einem Interview auf dem Youtube-Kanal Partizan mit der Regierung ab, der er die Errichtung einer Oligarchie vorwarf, in der das halbe Land in der Hand einiger weniger Familien sei. Insbesondere den oft als Propagandaminister bezeichneten Orban-Vertrauten Antal Rogan attackierte er scharf. Dieser ist neben den Medien auch für die Geheimdienste zuständig. Er verfüge so über beispiellose Macht, so Magyar.
Der Clip wurde inzwischen 2,4 Millionen Mal angeklickt, eine erstaunliche Zahl bei einer Bevölkerung von knapp 10 Millionen. Und Magyar liess es nicht dabei bewenden. Über Social Media und bei Auftritten erklärt er regelmässig, mit seinem Insiderwissen das ganze System zum Einsturz bringen zu können.
Am Dienstag veröffentlichte er auf seiner Facebook-Seite eine Audioaufnahme, die ein erster Schritt dazu sein soll. Es handelt sich angeblich um den Mitschnitt eines im Januar 2023 geführten Gesprächs zwischen Magyar und Varga, in dem es um einen Korruptionsfall geht, in den Vargas ehemaliger Staatssekretär im Justizministerium verwickelt ist. Dieser soll umgerechnet Zehntausende von Franken an Bestechungsgeldern kassiert haben, um im Gegenzug Postenbesetzungen an Gerichten zuzustimmen.
Der Skandal führte zu Ermittlungen und zum Rücktritt des Staatssekretärs. Schon länger hiess es aber, auch Rogan sei in die Affäre verwickelt. Magyars Tonaufzeichnung soll das nun belegen: Varga vertraut ihrem damaligen Gatten in der Unterhaltung an, der enge Vertraute Orbans habe bei der Staatsanwaltschaft Ermittlungsakten zu dem Fall manipulieren lassen. Rogan und weitere Getreue hätten die Streichung ihrer eigenen Namen aus den Protokollen verlangt, wozu der Generalstaatsanwalt auch bereit gewesen sei.
Die Echtheit der Aufnahme ist ungeklärt. Allerdings bestritt Varga diese in ihrer Reaktion unmittelbar nach Veröffentlichung nicht. Ebenfalls auf Facebook schilderte sie eine Ehe voller physischer und verbaler Gewalt. Eingeschüchtert von Magyar, habe sie in jener Nacht vor gut einem Jahr Aussagen gemacht, die dieser habe hören wollen, nur damit er sie in Ruhe lasse. Ihr Ex-Mann erpresse sie seit über einem Jahr mit der Aufnahme. Diese Argumentation übernehmen auch die Regierung und die ihr loyalen Medien. Sie stellen Magyar als gewalttätigen Mann dar, der in seinem Rachefeldzug gegen seine Ex-Frau keinerlei Glaubwürdigkeit geniesse.
Kann Magyar der Regierung Orban gefährlich werden?
Dennoch folgten am Dienstagabend spontan einige tausend Menschen Magyars Aufruf, sich vor der Generalstaatsanwaltschaft in Budapest zu versammeln. Ungarn werde von einer Mafia regiert, das sei nun für alle offensichtlich, erklärte dieser vor der Menge.
Der 43-jährige Magyar hatte schon vor zwei Wochen am Nationalfeiertag Zehntausende auf die Strasse gebracht und bei seinem Auftritt bekanntgegeben, eine Oppositionsbewegung schaffen zu wollen. Eine Umfrage des Instituts Median von Mitte März ergab, dass eine solche rund zehn Prozent an Unterstützung erreichen könnte.
Das ist allerdings vor allem Zeugnis des desolaten Zustands der Opposition, nachdem auch der Zusammenschluss aller relevanten Kräfte für die Wahl vor zwei Jahren die Macht des Fidesz nicht hat beschneiden können. Ob Magyar tatsächlich das Potenzial hat, Orban gefährlich zu werden, ist vorerst offen. Die letzten Wochen haben aber gezeigt, dass er den Umgang mit den sozialen Netzwerken versteht und so mobilisieren kann. Seine Kenntnisse aus dem Inneren des Systems sind zudem heikel für den Regierungschef und dessen Umfeld.
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