Der US-Investor Hindenburg wettet erfolgreich auf Schwachstellen von Firmen, um so Geld zu verdienen. Nun hat er Temenos aufs Korn genommen. Das Unternehmen wehrt sich vehement.
In der Finanzszene gefürchtet: US-Investor Nate Anderson, der Mann hinter Hindenburg Research.
Es war ein massiver Kurssturz. Vor wenigen Tagen verpufften rund 2 Milliarden Franken Börsenwert innerhalb von Minuten. Die Aktie des Genfer Softwareentwicklers Temenos sackte von 88 auf 58 Franken ab. Der Handel musste zeitweise ausgesetzt werden.
Der Grund für den Absturz an der Börse ist ein Angriff des aktivistischen US-Investors Hindenburg Research. Am Donnerstag veröffentlichte die vom in der Finanzbranche gefürchteten Nate Anderson gegründete Firma einen umfangreichen Bericht. Darin finden sich happige Vorwürfe.
Temenos würde die eigene Buchhaltung beschönigen. Die IT-Firma, die auf Software für Finanzdienstler spezialisiert ist, würde die Einnahmen über Scheinpartnerschaften mit anderen Unternehmen künstlich in die Höhe treiben. Oder sie würde Erträge aus Vertragserneuerungen vorzeitig in die Bücher nehmen, um so zukünftige Einnahmen schon heute ausweisen zu können. Zudem würde die Firma die Forschungsausgaben aufblasen. Das alles geschehe mit dem Wissen und der Billigung von Interims-Chef Andreas Andreades, behauptet Hindenburg.
Nun holt Temenos zum Gegenschlag aus. Am Montagabend veröffentlichte das Unternehmen seine Geschäftszahlen. Alles läuft normal, so die Botschaft. Die Firma entwickle sich prächtig, der Gewinn steigt, und die Dividende wird erhöht. Der gescholtene Firmenchef Andreades sagt: «Ich bin sehr zufrieden mit unserer starken Leistung im Jahr 2023, in dem wir Ergebnisse erzielt haben, die alle von uns angehobenen Zielwerte deutlich übertroffen haben.» Mit den positiven Zahlen haben offenbar auch einige Anleger gerechnet – die Aktie hat am Montag 10 Prozent zugeleget.
Verwaltungsratspräsident Thibault de Tersant sagt zum Hindenburg-Angriff: «Ich möchte Ihnen versichern, dass Temenos ein solides Unternehmen mit guten Finanzkontrollen ist.»
Er ging am Montagabend an einer Telefonkonferenz mit Analysten die wichtigsten von Hindenburg aufgebrachten Punkte durch und versuchte sie zu entkräften. De Tersant kündigt zudem eine externe Untersuchung an, um den Vorwürfen nachzugehen. Sie soll von zwei Anwaltskanzleien und einem Buchprüfer durchgeführt werden.
Den Namen Hindenburg nimmt de Tersant dabei aber nicht in den Mund – er sprach nur von einem «Short Seller». Also einem Investor, der auf fallende Kurse setzt.
Hindenburg legt sich mit den prominentesten Investoren an
Damit ist Hindenburg erfolgreich. Das Geschäftsmodell funktioniert so: Die Firma recherchiert, ob es bei einem Unternehmen ernsthafte Probleme geben könnte. Setzt dann auf fallende Börsenkurse beim betreffenden Unternehmen und publiziert dann einen Bericht, mit dem es seine Vermutung rechtfertigt. Meist sacken die Börsenkurse dann massiv ab, und Hindenburg profitiert.
Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg sanken die Aktienkurse von Hindenburg-Zielen am ersten Tag nach der Publikation des Berichts um rund 15 Prozent. Nach einem halben Jahr haben die Wertpapiere rund 26 Prozent weniger Wert. Vor einem Jahr machte Hindenburg weltweit Schlagzeilen, als die Firma den indischen Geschäftsmann Gautam Adani angriff – den reichsten Mann Asiens. Damals verpufften auf einen Schlag 150 Milliarden Dollar Börsenvermögen. Die Wirkung ist nachhaltig. So haben sich die Aktienkurse der Adani-Firmen noch nicht komplett vom Angriff erholt. Auch sonst greift Hindenburg gerne die grossen Namen der Wirtschaftswelt an, etwa Twitter-Gründer Jack Dorsey oder die Wallstreet-Koryphäe Carl Icahn.
Ein anderer Temenos-Investor ist ebenfalls unzufrieden mit der Genfer Firma, teilt die Analyse von Hindenburg aber nicht. «Die meisten der von Hindenburg behaupteten Punkte beruhen auf Hörensagen von verärgerten Ex-Führungskräften von Temenos», schreibt der britische Temenos-Aktionär Petrus Advisers in einem am Freitag veröffentlichten Brief an die Temenos-Spitze. Auch Petrus habe sich mit vielen Ex-Temenos-Leuten unterhalten, kommt aber zu einem anderen Fazit als Hindenburg: «Viele von ihnen sind eindeutig auf einer Rachemission.»
Doch auch Petrus verlangt eine Kurskorrektur: Die Firma soll Interims-Konzernchef Andreades schnellstmöglich austauschen. Dies, da er eine Kultur geschaffen habe, die kurzfristige Gewinne gegenüber langfristiger Wertschöpfung bevorzuge. Und zudem soll Temenos möglichst bald Klarheit zu den von Hindenburg geäusserten Vorwürfen schaffen.
Der Angriff kostet Martin Ebner viel Geld
Noch nicht zu den Vorgängen geäussert hat sich Martin Ebner. Der Investor hält zusammen mit seiner Frau Rosmarie über die Beteiligungsgesellschaft Patinex fast 13 Prozent der Temenos-Anteile. Der Angriff von letzter Woche hat die beiden rund 250 Millionen Franken gekostet. Ebners Sprecher teilt mit, dass er zum Vorstoss von Hindenburg und zum Schreiben von Petrus nicht Stellung nehmen wolle.
Sicher ist: Der Schlag von Hindenburg hat gesessen. Am Dienstag will die Temenos-Spitze die Anlegerschaft weiter beruhigen. Sie hält dann in London ihren Investorentag ab. Auch Martin Ebner dürfte da genau hinhören, so wie auch Nate Anderson.
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