Briten melden Tausende GPS-Attacken auf Passagierjets

In den letzten Monaten kämpften Tausende Flugzeuge über der Ostsee, dem Schwarzen Meer und dem östlichen Mittelmeer mit Navigationsproblemen. Laut Insidern sitzen die Verantwortlichen in Moskau.

Russland soll seit Monaten systematisch die Navigationssysteme von Flugzeugen westlicher Airlines stören und damit potenziell die Leben Hunderttausender Passagiere gefährden. Luftfahrt-Insider sprechen von einem «extrem gefährlichen» Vorgehen, mit dem seit längerer Zeit der europäische Luftverkehr gestört werde.

Die Maschinen werden demnach mit verfälschten Flugdaten gefüttert und weichen so Hindernissen aus, die in Realität gar nicht existieren. Bis Ende März 2024 meldeten britische Airlines in einem Zeitraum von acht Monaten Tausende solcher Störungen – die Attacken betreffen aber auch Schweizer Unternehmen. Die britische Zeitung «DailyMail» spricht von rund 46’000 solcher Attacken zwischen August und März in der Region um das Baltische Meer.

Swiss registriert starke Zunahme

Wie Karin Montani von der Swiss gegenüber 20 Minuten bestätigt, habe die Zahl solcher Angriffe zuletzt stark zugenommen. «Während vor November 2023 nur vereinzelt Spoofing-Fälle registriert wurden, ist dies inzwischen fast täglich der Fall», so die Swiss-Sprecherin.

Die Airline nennt keine genauen Zahlen, man habe in den letzten Monaten aber auf jedem Langstreckenflug in Richtung Naher Osten / Südostasien einen Spoofing-Fall, wie die Stör-Angriffe im Fachjargon heissen, registriert.

«Da beim Wegfall des GPS-Systems auf andere Navigationssysteme zurückgegriffen werden kann, ist es aufgrund von Spoofing aber noch zu keinen Kursabweichungen im eigentlichen Sinne gekommen», so Montani. Auf Kurzstreckenflügen seien lediglich vereinzelte Fälle gemeldet worden.

Das passiert bei einem Jamming-Angriff

Zudem gebe es auch viele Systeme, die bei einem gestörten GPS-Signal als Alternative genutzt werden können. «Im Fall einer Störung warnt das System die Pilotinnen und Piloten und wechselt automatisch auf die beste Alternative, zum Beispiel die konventionelle Radionavigation.» Man analysiere die bekannten Vorfälle systematisch und stehe dazu im engen Kontakt mit den anderen Airlines der Lufthansa Group, den Herstellern und Behörden.

Bei den britischen Airlines scheint das Problem ähnlich gross zu sein wie bei der Swiss: So sei es allein auf Flügen der Airline Ryanair zu 2309 Meldungen über Navigationsprobleme gekommen, bei Wizz Air waren es 1368 Flüge, die über der Ostsee plötzlich mit Navigationsproblemen kämpften. Ebenfalls betroffen waren Flüge von British Airways, EasyJet und Tui, wie die «Times» schreibt.

Flug mit Verteidigungsminister an Bord gestört

Im März 2023 hatte Russland mutmasslich das Satellitensignal eines RAF-Flugzeugs mit dem britischen Verteidigungsminister Grant Shapps an Bord gestört, als dieses auf dem Rückflug von Polen nahe der russischen Exklave Kaliningrad unterwegs war. «Solche Angriffe stellen unnötige Risiken für zivile Flugzeuge dar und können Menschenleben gefährden. Es gibt keine Entschuldigung dafür, und es ist äusserst unverantwortlich von Russlands Seite», verurteilte ein Insider des Verteidigungsministeriums den Angriff später.

Auch das an Russland grenzende Estland beobachtet immer mehr gezielte Störungen der GPS-Satellitennavigation. «Die Störungen sind häufiger geworden und ihr Ausmass hat zugenommen», sagte der Leiter der Flugsicherung des baltischen EU- und Nato-Landes, Ivar Värk, am Donnerstag im estnischen Fernsehen. «Jeden Tag erhalten wir zehn bis 20 Berichte von Piloten, dass es in einigen Gebieten, in denen sie Estland durchqueren, GPS-Störungen gibt.»