In unserem Land sprechen viele gern von sozialer Rücksicht. Diese muss auch für die AHV gelten. Eine 13. Rente für Pensionierte zulasten der Jüngeren wäre unanständig.
Eine verlockende Zusatzrente – aber niemand weiss, wer zahlt. «Thé dansant» für Seniorinnen und Senioren in Bern.
Wollen wir mehr Sozialstaat? Mehr Umverteilung? Wer soll davon profitieren, und wie steht es um die Solidarität zwischen den Generationen? Um diese Fragen geht es bei der Abstimmung zum geplanten AHV-Ausbau.
Die grösste Umverteilungsmaschine des Landes soll stark ausgebaut werden. Das Volk entscheidet seit der Jahrtausendwende bereits zum vierten Mal über eine Vorlage, die eine deutliche Verbesserung für Rentnerinnen und Rentner vorsieht. Bisher war es stets dagegen.
Zugegeben: Die jüngste Idee tönt verlockend, gerade für Menschen, die bereits eine Rente beziehen oder bald eine erhalten werden. Die Gewerkschaftsinitiative will, dass es für Pensionierte eine zusätzliche Monatsrente gibt. Damit sollen die Teuerung, steigende Mieten und höhere Prämien für Krankenkassen abgefedert werden. Helfen wir denen, die ein Leben lang gearbeitet haben, wie es die Befürworter propagieren – just do it!
Nein. Trotz der spürbaren Verärgerung darüber, wohin in der Schweiz überall Milliarden ohne viel Aufhebens fliessen – diese Initiative muss abgelehnt werden. Allein schon deshalb, weil die Gewerkschaften bewusst nicht sagen, wer die Rechnung dafür bezahlen soll. Das ist abenteuerlich.
Entscheidend ist bei einem Vorhaben von zunächst gut vier, später sechs Milliarden Franken pro Jahr, dass das Volk weiss, was die wahren Folgen wären. Das tut es hier nicht. Zuerst müsste sich das Parlament den Kopf darüber zerbrechen, woher das Geld für den Ausbau käme.
Dafür bräuchte es entweder eine spürbare Erhöhung der Lohnbeiträge, der Mehrwertsteuer, ein höheres Rentenalter oder eine Zauberlösung. Die Renten für die anlaufende Pensionierungswelle der Babyboomer sind nämlich gerade mal für die nächsten zehn Jahre gesichert, Wünsche sind noch keine enthalten.
Es braucht ein Nein, weil der Deal zwischen jenen, die zahlen, und jenen, die beziehen, in ein Ungleichgewicht kippen würde. Damit würden wir eigenhändig Sabotage am populären Sozialwerk betreiben. Der derzeitige Verlust an Kaufkraft trifft Büezer, Büroangestellte und Familien stärker als ältere Menschen. Der jüngeren Generation mit höheren Lohnabzügen Geld wegzunehmen, ist ungerecht.
Der Mehrheit aller Pensionierten geht es materiell so gut wie nie zuvor, auch weil sie von einem ausgeklügelten Vorsorgesystem profitiert. Viele davon würden mit dem Ausbau eine zusätzliche Maximalrente erhalten, die sie nicht benötigen. Demgegenüber kriegten Menschen, die ein Leben lang jeden Franken umdrehen mussten und bei denen das Geld im Alter knapp wird oder nicht ausreicht, nicht so viel, wie sie bräuchten.
Deshalb sollte die nächste AHV-Reform eine soziale Abfederung durch eine Verbesserung der Rentenformel für Kleinverdiener enthalten. Klar, die gibt es nicht sofort. Es ist aber sinnvoller, den Bedürftigen gezielt zu helfen, als wohlsituierten Rentnerinnen und Rentnern auf dem Buckel der Jungen noch mehr zu bezahlen.
In unserem Land sprechen alle gern von sozialer Rücksicht und von Kompromissen. Die seit der Corona-Pandemie viel beschworene Solidarität darf aber nicht nur in eine Richtung gehen. Sonst wird der Altersgraben quer durchs Land vertieft.
Gefragt ist jetzt Fairness der älteren gegenüber der jüngeren Generation. Hier setzt die Idee der zweiten Initiative an. Sie will die Finanzierung des Sozialwerks sichern, indem das Rentenalter automatisch der demografischen Entwicklung angepasst wird, wie das auch in anderen Ländern üblich ist. Dieser Vorschlag verdient Unterstützung, auch wenn der Automatismus viele zuerst mal abschreckt und natürlich auch Ausnahmen enthalten muss, etwa für die Baubranche.
Die Zeit für eine Kopplung an die Lebenserwartung ist reif. Das Rentenalter bei den Männern ist seit 1948 unangetastet. Heute werden Männer im Schnitt aber 16 Jahre älter als damals. Nur mit einer Erhöhung des Rentenalters kann der Solidaritätspakt zwischen den Generationen weiter Bestand haben.
Vor anderthalb Jahren hat das Volk entschieden, die AHV funktionstüchtig zu halten und das Rentenalter der Frauen schrittweise zu erhöhen. Das war ein mutiger Entscheid. Jetzt braucht es nächste visionäre Schritte. Vor allem jenen zuliebe, die noch gar nicht abstimmen können.
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