Dusselige Sprüche: Wie ein Berliner Synchronstudio Schnodderdeutsch für Komödien der 70er etablierte

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Versuch macht kluch: Jackie Chan macht Witze, aber nur in der deutschen Fassung.

Manchmal ist ein gestreamter Film doch für Überraschungen gut. So war das unlängst beim Wiedersehen mit „Police Story“ über Amazon: Erst ärgert man sich, dass keine Originalfassung erhältlich ist, dann – so etwa nach fünfzehn Minuten – freut man sich über die deutsche Synchronisation. Denn nachdem Jackie Chan als Polizist bei der Jagd auf einen Mafiaboss ein halbes Stadtviertel verwüstet und einen halsbrecherischen Stunt vollführt hat, bei dem er sich mit einem Regenschirm an einen Doppeldeckerbus hängte, fliegen die ersten Dialogfetzen, die so eindeutig nicht ins Original gehören.

Im Wortwechsel mit einem Ganoven raunzt Chan: „Raschel hier nicht so gefährlich mit deiner Jacke, du Gemüsezwerg.“ Einer Zeugin rät er: „Es fliegen Wespen, Hornissen und Elefanten durch die Gegend, bleiben Sie lieber zu Hause.“ Und als er sich nach einem heftigen Tritt das Bein reibt, wimmert er: „Oh, mein Lieblingsfuß.“

Zu verdanken hat die deutsche Fassung des Films solche sprachlichen Freiheiten dem „Schnodderdeutsch“ des Berliner Synchron­sprechers und -schreibers Rainer Brandt. Der wollte ursprünglich selbst Schauspieler werden, irrte sich beim Vorstellungsgespräch aber in der Adresse und fand prompt Anstellung bei einer Synchronfirma als deutsche Stimme für Elvis Presley.

Seit den Sechzigerjahren peppte er dann selbst die deutschen Fassungen von Fernsehserien mit eigenen Ideen auf, wobei sich seine Dialogüberarbeitungen aus einem wilden Gemisch von Berlinerisch, Jiddisch, Bar- und Gossenslang inspirieren ließen. Wie weit er dabei gehen konnte, übte er bei der Bearbeitung von Serien wie „Tennisschläger und Kanonen“ oder „Ihr Auftritt, Al Mundy“.

Witze für Terence Hill und Bud Spencer

Schon bald stellten deutsche Verleiher fest, dass Brandts freie Übersetzungen so manche dröge ­Komödie retten konnten. Wer einmal die erste Synchronfassung eines frühen Spaghettiwesterns mit Terence Hill und Bud Spencer gesehen hat, weiß: Den Filmen fehlte ohne die flotten Sprüche aus dem Berliner Studio der Humor. Brandts ­locker hingemurmelte Zeilen aber gingen prompt in die Jugendsprache ein („Versuch macht kluch“, „Tschüssikowsky“). Also ließ man nicht nur die ­italienischen Haudrauf-Kracher von ihm auf­hübschen, auch Komödien mit Louis de Funès oder Adriano Celentano verpasste er neue Witze.

Den größten Erfolg bescherte Brandt aber der britischen Fernsehserie „Die Zwei“ mit Roger Moore und Tony Curtis. Moore spielt darin einen britischen Lord, Curtis einen amerikanischen Playboy, beide ermitteln gemeinsam in Kriminalfällen. Auf Englisch mutet das weit weniger amüsant an als die deutsche Fassung. Brandt machte sie zu seinem Meisterstück, was hier an Pointen fiel, warf man sich am nächsten Tag über den Büro­flur zu.

Die Dialoge nahmen mitunter solche Fahrt auf, dass sie nicht mehr zu den Lippen­bewegungen auf dem Bildschirm passten. Auch das thematisierte man einfach direkt. So ließ Brandt „seinen“ Tony Curtis (er synchronisiert selbst) sagen: „Du musst jetzt schneller werden, Lordchen, sonst bist du nicht synchron.“ Und er nahm auch mög­liche Kritik des deutschen Senders vorweg, wenn er seine Helden sagen ließ: „Junge, lass doch mal die Sprüche, die setzen ja die nächste Folge ab.“

Wortgefechte, wenn die Kamera nicht hinsieht

Der des Deutschen mächtige Tony Curtis, so ­erzählt eine Anekdote, hörte vom Übersetzungs­erfolg, ließ sich die überarbeitete Fassung schicken, bekam sich vor Lachen nicht mehr ein und wollte Brandt umgehend ins Drehbuchteam für weitere Folgen aufnehmen. Daraus wurde dann nichts, denn die Serie floppte auf dem englischsprachigen Markt und wurde abgesetzt. Doch immerhin ließ man sich in Frankreich die deutschen Synchrondrehbücher schicken, um diese für die französische Fassung von „Die Zwei“ zu über­setzen – inklusive Brandts Witzen.

Beim Blick auf Jackie Chans Wortgefechte mit Gaunern und Kollegen in „Police Story“ fällt auf, wie viel Überlegung in die freie Bearbeitung der übersetzten Dialoge ging. Die schnellsten, wildesten Sprüche finden sich, wenn die Redner mit dem Rücken zur Kamera stehen, die Gesichter vom Zuschauer abgewandt sind oder man in Großaufnahmen die Mundbewegungen nur vage erkennen kann. Nur so lässt sich ein Schlagabtausch wie dieser in den Actionfilm schummeln: „Meinen Sie, das reicht, um ihn zu verurteilen?“ – „Nun, das reicht schon mal für eine gestreifte Jacke, und wenn er die erst mal anhat, ist die Hose nicht weit.“

Und natürlich lohnt sich der Film des vergangene Woche siebzig Jahre alt gewordenen Hongkong-Kinostars auch wegen der ausgefeilten Action­szenen. Spätestens wenn Chan im großen Finale die Mafialeute durch ein Kaufhaus jagt, mit akrobatischer Eleganz Kleiderständer, Schaufensterpuppen und Ganzkörperspiegel zur Verteidigung nutzt und am Ende an einer Eisenstange aus der dritten Etage zu Boden gleitet, wobei auf­gespannte Beleuchtungsketten wie ein Feuerwerk in Funken um ihn herum zerstieben, ahnt man, welchen Einfluss dieser Mann auf das Actionkino in Amerika und Europa hatte.

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