Steinschlag, bedrohte Schutzwälder: Der Klimawandel macht Schweizer Bahnen zu schaffen

steinschlag, bedrohte schutzwälder: der klimawandel macht schweizer bahnen zu schaffen

Die Bernina-Strecke der RhB bei Brusio und anderswo ist exponiert. ; Peter Klaunzer / Keystone

Knapp die Hälfte dieses Monats war die Bernina-Strecke der Rhätischen Bahn (RhB) unterbrochen. Bei Cadera vor Poschiavo war ein Erdrutsch heruntergegangen, und oberhalb von Campascio vor Tirano hatte sich ein Steinschlag ereignet. Zeitweise war auch die Bernina-Passstrasse gesperrt, weshalb das Puschlav aus der Schweiz nicht mehr erreichbar war. Der Schaden für die RhB dürfte beträchtlich sein – auch wenn die Sperrung in der Nebensaison erfolgte.

Der Unterbruch der Strecke bis Tirano dauerte so lange, weil die betroffenen Abschnitte schlecht zugänglich waren. «Beide Ereignisse erforderten umfangreiche geologische und weitere Abklärungen, bis überhaupt mit den Arbeiten begonnen werden konnte», sagt die RhB-Sprecherin Yvonne Dünser. Beim Erdrutsch habe sich gezeigt, dass die Infrastruktur so stark beschädigt gewesen sei, dass umfangreiche Baumassnahmen nötig gewesen seien.

Die Schweiz mit ihren Bergstrecken ist exponiert. Erdrutsche und Steinschläge hat es in Graubünden zwar immer wieder gegeben. Aber beide Ereignisse sind auf die starken Niederschläge zurückzuführen. Die Frost- und Tauzyklen, die die Ursache seien, nähmen eher zu, sagt Dünser. Bei grossen Niederschlagsmengen in kurzer Zeit ist eher mit Steinschlag, Murgängen oder Erdrutschen zu rechnen.

Jährlich 12 Millionen für Schutz

Für die RhB hat das Konsequenzen. In den letzten Jahren musste sie ihr Budget für den Schutz vor Naturgefahren erhöhen. In den nächsten fünf Jahren investiert sie jährlich durchschnittlich 12 Millionen Franken, um letzte potenzielle Schutzlücken zu schliessen. Das Investitionsvolumen ist gemäss Dünser wegen der Grossbaustelle bei Campascio, für die alleine 20 Millionen vorgesehen sind, ausserordentlich gross. Im Jahr 2022 musste die RhB schon einen Felsblock oberhalb der Station Valendas-Sagogn mit 32 Drahtseilen sichern und abtragen.

Doch die RhB setzt nicht allein auf mehr Mittel. Als erste Bahn in der Schweiz habe sie eine Risikokarte erarbeitet, zusammen mit den Spezialisten des Bündner Amtes für Wald und Naturgefahren, sagt Dünser. Die Karte ermögliche es, bestehende Verbauungen zu erneuern und Schutzlücken mit neuen Bauwerken gezielt zu schliessen, sagt Dünser.

So baut die RhB in der Rheinschlucht zwischen den Stationen Trin und Versam-Safien gegenwärtig eine Steinschlaggalerie. Zudem setzt sie auf moderne Technik, um Naturgefahren zu überwachen. Beim Carrera-Bach vor Valendas-Sagogn, wo es wiederholt zu Murgängen kam, hat die Bahn eine Warnanlage aufgestellt, die den Pegelstand digital überwacht. Bei einem drohenden Ereignis löse diese automatisch eine Sperre der Bahnlinie und der Strasse aus, sagt Dünser. Die Warnanlage habe sich bereits mehrfach bewährt. Zudem überprüft die Bahn ihre Strecken wöchentlich durch Mitarbeiter des Bahndienstes zu Fuss und regelmässig mittels Kontrollfahrten. 62 der 385 Kilometer des RhB-Netzes sind mit Schutzbauten gesichert.

Der Klimawandel macht auch der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) zu schaffen. Die zweitgrösste Schweizer Bahn betreibt die Lötschberg-Strecke. Der Schutzwald entlang der Südrampe im Wallis ist bedroht, weil die Temperaturen gestiegen sind und Trockenperioden ohne Niederschlag länger dauern. Gelinge es nicht, die Schutzfunktion zu erhalten, werde mittelfristig die Gefahr von Steinschlägen und Erdrutschen zunehmen, sagt der BLS-Sprecher Stefan Locher.

Die BLS verfügt über eine risikobasierte Übersicht über Naturgefahren. Weil der Schutzwald bedroht ist, führt sie mit der ETH und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft ein Forschungsprojekt durch. Es gehe darum, klimaresistente Baumarten zu finden, die künftig die Schutzfunktion übernehmen könnten, sagt Locher.

Gefahren schwieriger zu beurteilen

Bei den SBB ist besonders die Gotthard-Bergstrecke exponiert. Naturgefahren wie Gleitschnee oder Murgänge aus verflüssigtem Nassschnee haben stark zugenommen. «Wir führen dies auf höhere Temperaturen im Winterhalbjahr sowie eine stark und rasch variierende Nullgradgrenze zurück», sagt Marc Hauser, Leiter Naturgefahren bei der Division Infrastruktur. Diese neuartigen Phänomene erschwerten es, Gefahren zu beurteilen. Die Einschätzung von Lawinen werde schwieriger.

Steigende Temperaturen sowie immer häufigere und intensivere Hitzewellen würden für den Unterhalt der Anlagen neue Herausforderungen bringen, sagt Hauser. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese stärker abgenützt würden, steige. Zudem hätten Böschungsbrände zugenommen. Um die Sicherheit zu gewährleisten, müssen die SBB die Anlagen früher als geplant ersetzen und den Unterhalt intensivieren. An exponierten Stellen etwa bauen die Bundesbahnen die Geleise so, dass sie sich bei starker Hitze weniger ausdehnten.

Von den rund 3200 Kilometern des SBB-Netzes sind 1100 Kilometer Naturgefahren wie Lawinen, Rutschungen, Steinschlägen, Murgängen oder Überschwemmungen ausgesetzt. Die Bundesbahnen investieren pro Jahr etwa 10 bis 15 Millionen Franken, um sich vor Naturgefahren zu schützen. Die Summe sei im Verhältnis zu den Gefahren eher klein, sagt Hauser. Dies sei nur dank einer risikobasierten Strategie möglich, die die SBB vor 15 Jahren eingeführt hätten.

Die höheren Temperaturen bieten für diese jedoch nicht allein Risiken. Durch den Anstieg der Nullgradgrenze im Winter sinke der Aufwand für den Unterhalt der Anlagen, wenn es Schnee und Frost habe, sagt Hauser. Zudem würden es die höheren Temperaturen erlauben, in den Wintermonaten vermehrt auf Baustellen zu arbeiten.

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