Wie ein ETH-Professor mit einem neuen, hochleistungsfähigen Baustoff alte Bauwerke rettet.
Statt einem Neubau zu weichen, soll die derzeit gesperrte Neumühlebrücke in Lauperswil restauriert werden.
Die Emme trennt die Gemeinde Lauperswil in zwei Teile. Auf der rechten Flussseite befinden sich der Bahnhof Neumühle und grössere Wohnsiedlungen. Kirche, Friedhof und die Turnhalle der Primarschule befinden sich links der Emme.
Eigentlich verbindet die Neumühlebrücke die beiden Ortsteile, doch im letzten Jahr sperrten die Behörden den Zugang. Ende April 2023 für Autos, Anfang November auch für Fussgänger. Grund dafür ist der kritische Zustand der Brücke.
Im Dorf sorgte die Schliessung für Unmut. Mehrfach wurden die Absperrung und die Verbotsschilder entfernt, eine Petition forderte gar die sofortige Wiederöffnung, und auch bei der Gemeindeversammlung gingen die Emotionen hoch.
Viele Einwohner stören sich vor allem am Umweg, den die Brückensperre mit sich brachte. Um die Emme zu queren, müssen Anwohnerinnen und Anwohner bis nach Zollbrück gehen – eine mehr als drei Kilometer lange Schlaufe.
Da die Neumühlebrücke zu ist, müssen Anwohnerinnen und Anwohner über die Brücke (Bild) bei Zollbrück ausweichen.
«Für ältere Menschen mit eingeschränkter Mobilität und für Schulkinder ist die Schliessung der Brücke besonders ärgerlich», sagt Christian Baumann, Gemeindepräsident von Lauperswil.
Die Brücke muss abnehmen
In Lauperswil ist man stets davon ausgegangen, dass die Brücke dereinst abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt wird. Auch, weil ein früherer Bericht der im Jahr 1914 erbauten Brücke eine maximale Lebensdauer bis 2028 prognostizierte.
«Die Brücke hat unter der Zeit gelitten», sagt Eugen Brühwiler. Der Professor für Bauwerkserhaltung an der ETH Lausanne (EPFL) hat die Neumühlenbrücke begutachtet. An der Untersicht der beiden Seitenwände sehe man abgeplatzten Beton mit korrodierenden Bewehrungseisen.
ETH-Professor Eugen Brühwiler sieht den Stahlbeton als veraltetes Baumaterial (Archivbild).
Anstelle einer neuen Brücke empfiehlt Brühwiler nun aber die Restauration der alten. Dabei soll ein neuer, von Brühwiler mitentwickelter Baustoff zum Einsatz kommen. Dieser zementgebundene «Ultra-Hochleistungs-Faser-Verbundbaustoff», kurz UHFB, ist deutlich stabiler als herkömmlicher Beton, weshalb dafür eine viermal dünnere Schicht nötig ist.
Dank des neuartigen UHFB-Baustoffs konnte Brühwiler bereits 400 Objekte retten, so auch die Schänzlibrücke beim Kursaal Bern. «Die Ingenieurpraxis ist immer noch so, dass man lieber abbricht und neu baut. An der Bauwerkserhaltung und der Nachhaltigkeit ist man weniger interessiert», kritisiert Brühwiler.
Der Belag der Schänzlibrücke in Bern wurde ebenfalls aus dem UHFB-Baustoff gefertigt.
Bei der Brücke in Lauperswil hat er festgestellt, dass das Gewicht des Belags etwa jenem der Verkehrslast entspricht, die sie tragen muss. Durch das Abtragen des alten Belags und dem neuen UHFB-Baustoff wird die Brücke nun deutlich leichter und tragfähiger.
«Stahlbeton ist zwar günstiger, aber es ist ein Baustoff aus dem letzten Jahrhundert», sagt Brühwiler. Weil die Brücke erhalten werden kann, ist die Variante Brühwilers ohne grossen Materialeinsatz möglich. «Die Bausubstanz und graue Energie können erhalten und der CO2-Ausstoss minimiert werden.»
Wiederöffnung eventuell noch dieses Jahr
In der Gemeinde freut man sich, dass die Brücke möglicherweise noch dieses Jahr wieder begeh- und befahrbar ist. «Die nun vorgeschlagene Option hat mich einerseits überrascht, andererseits bin ich erleichtert, dass nun eine Lösung da ist, die wohl günstiger und schneller umsetzbar ist als andere», sagt der Gemeindepräsident.
Wie schnell die Arbeiten an der Brücke umgesetzt werden können, hängt nun auch davon ab, ob der Plan für die Sanierung bis Ende April präsentiert werden kann und ob die Gemeindeversammlung dem dafür benötigten Kredit zustimmen wird.
Dank der Restaurierung kann die Lebensdauer der Brücke bei regelmässigen Unterhaltsarbeiten bis zu 80 Jahre verlängert werden. «Diese wurden in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt, weil man davon ausgegangen ist, dass man die Brücke durch eine neuere, grössere ersetzen wird», sagt Christian Baumann.
Für die Gemeinde ist die Restaurierung auch finanziell interessant. «Meiner Schätzung zufolge komme ich auf Kosten, die dreimal günstiger sind als für einen Ersatzneubau», sagt Eugen Brühwiler.
Christian Baumann, Gemeindepräsident von Lauperswil.
Da es sich bei der Neumühlebrücke um ein «eigentliches Fundstück der Brückenbaukunst und des Eisenbetonbaus» handle, erhält die Gemeinde zudem voraussichtlich finanzielle Unterstützung von der Denkmalpflege.
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