Im September kam Tamara Tipplers Tochter zur Welt. Die österreichische Speedfahrerin schliesst ein Comeback nicht aus. Sie fragt sich aber: «Kann ich mich noch überwinden?»
Ihr grösstes Glück: Seit letztem Herbst ist Tamara Tippler Mutter der kleinen Mia.
Tamara Tippler, seit Jahren fährt im Weltcup keine Athletin, die Kinder hat. Weshalb?
Es gibt kaum Beispiele, bei denen alles funktioniert hat. Im Tennis geht es offensichtlich, da wird aber weniger vorgegeben, und die Trainings können individueller gestaltet werden. Im Skisport ist vieles sehr kompliziert, man ist rund 200 Tage pro Jahr unterwegs und muss wegen des Wetters erst noch permanent flexibel sein. Die meisten sind einfach voll im Hamsterrad gefangen. Und dann gab es noch den traurigen und abschreckenden Fall von
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Ulrike Maier, die als Mutter tödlich verunglückte
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Sie wurden im September erstmals Mutter. Kehren Sie auf die Pisten zurück?
Ich weiss es nicht. Im Moment gibt es viele Gedanken in meinem Kopf, auch das eine oder andere Hirngespinst. Es gibt viele offene Fragen: Geht das überhaupt? Sind Trainer und Verband bereit für Sonderlösungen? Oder fehlt die Offenheit für eine wie mich? Geht halt doch jeder lieber den Weg des geringsten Widerstands? Gewisse Zweifel sind da.
Was für welche?
Ich kann nicht abschätzen, wie meine Tochter mitspielen wird, wie sie woanders schlafen wird. Für mich ist es undenkbar, im Sommer vier Wochen lang nach Chile ins Trainingslager zu reisen oder später einen Monat lang in Nordamerika zu verbringen. So lange will ich nicht von der Familie getrennt sein. Aber: Bei den Schweizern verzichtete Beat Feuz früher auch auf die Camps in Chile, da sagte keiner etwas. Und wer kurzfristig krank wird, kann auch nicht nach Übersee fliegen. Es gibt immer Alternativen – wenn man sie zulassen will.
Väter gibt es im Weltcup einige.
Ja, klar – und ich als Frau soll aufhören, nur weil ich ein Kind habe? Ich sehe das nicht ein. Ich denke schon, dass es heute noch immer heisst: «Du hast ein Kind, bleib also daheim!» Aber ich tue das nicht, nur weil es einige von mir erwarten. Bei Männern wird der Entscheid, als Vater weiterzufahren, nicht infrage gestellt, sie können machen, was sie wollen. Ich denke, dass Vater und Mutter zwei stabile Säulen bilden und nicht alles auf der Mutter lasten sollte. Natürlich braucht ein Baby die Mutter am Anfang sehr intensiv, aber man darf auch den Vätern einiges zutrauen. Wahrscheinlich könnte es auch für mich weitergehen. Aber die Frage ist: Wollen die Trainer den zusätzlichen Aufwand meinetwegen auf sich nehmen?
Haben Sie Gespräche geführt?
Nur mit einem Coach. Der sagte: Wir reden wieder, wenn die Sache mit dem Comeback konkreter wird. Es ist sicher viel Respekt vorhanden bei den Betreuern, aber wir haben das Jahr 2024, es müsste doch genug Offenheit da sein für ein solches Thema.
Ist sie das?
Der Skisport ist eine konservative Szene. Und eine Frau mit Kind im Weltcup könnte einiges auf den Kopf stellen. Es müssten sehr gute Pläne geschmiedet werden – wobei mit einem Kind längst nicht mehr jeder Plan aufgeht. Aber wenn nicht alles top vorbereitet wäre, würden einige wohl schnell sagen: «Ich wusste ja, dass es nicht funktionieren wird.»
Die Organisation ist das eine…
…richtig, aber es gibt noch eine andere Komponente. Es geht um die Risikobereitschaft: Kann ich mich noch überwinden? Mit 130 km/h den Berg runterdonnern, 40 Meter weit springen? Oder habe ich nun zu viel Angst? Eine Tischtennisspielerin hätte sicher eine andere Ausgangslage. Ich fuhr auch schwanger Rennen, sogar noch an der WM.
Risikoreich unterwegs: Tamara Tippler gilt an und für sich als Draufgängerin. 2021 wird sie in Crans-Montana Zweite, nun ist sie Mutter und pausiert.
Wie schwierig war es, schwanger eine Abfahrt zu bestreiten?
Es war die schwierigste Zeit meines Lebens. Diese psychische Belastung auszuhalten, war enorm herausfordernd. Ich fuhr bis in die 13. Schwangerschaftswoche, im Kopf wurde das Thema immer präsenter. Ich sah das Ultraschallfoto – und riskierte am nächsten Tag trotzdem Kopf und Kragen. Was wäre gewesen, wenn ich gestürzt und im Netz gelandet wäre? Und dann geröntgt worden wäre und Medikamente erhalten hätte, die einem Kind geschadet hätten? (überlegt) Kaum ein Mensch wusste, was bei mir los war. Ich war nicht mehr ich selber; an und für sich bin ich eine Athletin, die sehr viel riskiert, doch auf einmal fuhr ich mit angezogener Handbremse. Viele dachten: Was ist los mit ihr? Und als ich den Trainern sagte, was Sache ist, trauten sie kaum ihren Ohren. Sie hätten erwartet, dass ich die Saison früher abbreche.
Trainieren Sie momentan?
Ein bisschen, ja. Aber es gibt keinen bestimmten Plan. Ich mache Ganzkörpertraining, aber mit Spitzensport hat das nichts zu tun. Ich musste weit unten beginnen – aber mit dem Riesenslalom-Rennski habe ich auch schon ein paar Schwünge in den Schnee gezogen.
Bis wann brauchen Sie Klarheit?
Mitte April muss ich wissen, wie es weitergeht – sonst wird die Zeit bis zur neuen Saison zu knapp. Die WM 2025 daheim in Saalbach reizt mich. Immerhin wird eine Schwangerschaft seit einigen Jahren einer Verletzung gleichgestellt, das heisst, ich müsste bei einem Comeback nicht zuhinterst in der Startliste beginnen. Es reizt mich, herauszufinden, wie weit ich es bringen könnte. Und wie die Leute im Verband mitziehen würden.
Wäre es hilfreich, bestünde das Betreuerteam aus mehr Frauen, weil diese allenfalls mehr Verständnis aufbringen würden?
Vielleicht würden Frauen in gewissen Bereichen sensibler reagieren. Aber ich hatte immer männliche Trainer, bin mit ihnen auch zufrieden. Ich glaube schon, dass es im Skisport eine gewisse Härte braucht. Sicher können auch Frauen streng sein, aber den Männern ist das wohl eher gegeben.
Wie präsent ist das Kinder-Thema im Weltcup?
Es wird immer wieder mal darüber geredet. Viele Frauen wünschen sich eine Familie, aber sie schieben das Thema halt nach hinten, weil sie bis 34 oder 35 fahren wollen. Im Prinzip bleibt nach der Karriere ja auch genug Zeit dafür, aber eine Garantie, dass es klappt, gibt es nun mal nicht. Deshalb bin ich glücklich, wie es bei mir gekommen ist.
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