Salwan Momika hat mit seinen Aktionen auch in Malmö provoziert, wo besonders viele Muslime leben. Johan Nilsson / TT / Imago
In Stockholm brannten Autos, in Bagdad stürmte ein wütender Mob die schwedische Botschaft, und die Terrororganisation al-Kaida drohte mit Anschlägen. Schwedens Nato-Beitritt wurde verzögert, und das Land stürzte beinahe in eine diplomatische Krise. Ausgelöst hatte das Chaos Salwan Momika. Der Iraker verbrannte und schändete im letzten Sommer in Schweden mehrfach Korane. Seine Aktionen filmte er für Tiktok und zog damit die Wut der islamischen Welt auf sich – und auf Schweden, das die Verbrennungen als Ausdruck der freien Meinungsäusserung tolerierte.
Bei seinen Aktionen schwenkte Momika ein Schwedenfähnchen, und er kündigte sogar an, für die rechtsnationalen Schwedendemokraten kandidieren zu wollen, «um die Werte und Gesetze Schwedens zu verteidigen». Von diesen hat er in der Tat profitiert. Momika konnte nur deshalb unbehelligt Korane verbrennen, weil die Polizei ihn geschützt hat. Fünf Millionen Kronen (423 000 Franken) soll das die Steuerzahler gekostet haben.
In den letzten Tagen ist Momikas Liebe zu Schweden jedoch merklich abgekühlt. Diese Woche kündigte er an, das Land zu verlassen. Was ist passiert?
Dilemma für die Regierung
Momika ist nicht der erste oder einzige Koranverbrenner – aber der wohl bekannteste. Seine Aktivitäten riefen viele Nachahmer auf den Plan und stellten die schwedische Politik vor ein Dilemma: die traditionell hoch gewichtete Meinungsfreiheit einschränken oder einen Terroranschlag in Kauf nehmen?
Im August musste das Land die Terrorgefahr auf Stufe vier von fünf erhöhen. Als im Oktober zwei schwedische Fussballfans von einem islamistischen Terroristen in Brüssel erschossen wurden, stellte sich heraus, dass das Attentat auf einen Aufruf des Islamischen Staates erfolgt war. Dieser wiederum bezog sich auf die Koranverbrennungen.
Schweden wollte die Aktionen dennoch nicht verbieten – sehr wohl aber den Störenfried Momika loswerden. Der Iraker lebt seit 2018 in Schweden, 2021 wurde er als Flüchtling anerkannt. Im Oktober entschied das Migrationsamt, seine dreijährige Aufenthaltserlaubnis nicht zu verlängern, weil er in seinem Gesuch falsche Angaben gemacht hatte. Die Behörden wollten ihn in sein Heimatland abschieben. Schweden dürfe er fünf Jahre nicht betreten, berichteten die Medien. Doch es kam anders.
Momika zündete einen Koran an, und in Malmös stark segregiertem Quartier Rosengard brannten Dutzende Autos. Johan Nilsson / TT / Imago
Weil Momika im Irak Folter droht, konnte er bis heute nicht deportiert werden. Stattdessen stellte ihm das Migrationsamt eine befristete Aufenthaltserlaubnis bis zum 16. April dieses Jahres aus. «Ich werde in Schweden leben und sterben», sagte Momika dem Sender SVT und schwor, das Land niemals zu verlassen. Genau das hat er jetzt getan. Die Reise ging aber nicht in den Irak, wie es die schwedischen Behörden vorgesehen hatten.
Momika ist nach Norwegen gezogen, wo er ein Asylgesuch stellen will. Zur schwedischen Boulevardzeitung «Expressen» sagte er: «Schweden nimmt Terroristen auf, denen Asyl und Schutz gewährt wird, während Philosophen und Denker abgeschoben werden.» Er liebe Schweden immer noch, aber das Land habe ihn fallengelassen. «Ich ziehe in ein Land, das mich willkommen heisst und respektiert.» Freudige Reaktionen aus Norwegen blieben bisher aus.
Dänemark setzt auf Verbot
Auch in Dänemark wurden im letzten Jahr Korane verbrannt. Der Hype scheint in beiden Ländern allerdings seit dem Herbst vorbei zu sein, zumindest in den Medien. In Dänemark dürfte ein Verbot zur Beruhigung der Lage beigetragen haben. Im Dezember verabschiedete das Land ein Gesetz, das bis zu zwei Jahre Gefängnis für Koranverbrennungen vorsieht.
Ganz verschwinden dürfte die fragwürdige Art des Protestes allerdings nicht. Der Rechtsextremist Rasmus Paludan hat bereits einen Weg gefunden, um das Verbot zu umgehen: Er hat eine Theatergruppe gegründet und ist der Ansicht, dass Koranverbrennungen von der Kunstfreiheit gedeckt werden. Der letzte Vorhang ist also noch nicht gefallen.
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