Long Covid: Forscher entdecken Biomarker, die Diagnosen erleichtern

Betroffene von ME/CFS demonstrieren Mitte Januar in Hamburg für mehr Forschung und Anerkennung der Erkrankung.

Einmal richtig ausschlafen, zur Ruhe kommen, Bewegung an frischer Luft. Immer noch erhalten Menschen mitunter solche Tipps, wenn sie anhaltend erschöpft sind, schon bei der geringsten Belastung aus der Puste geraten, wenn sie unkonzentriert oder vergesslich sind.

Wenn sie an Long Covid leiden, genauer: dem Post-Covid-Syndrom, das auch noch ein halbes Jahr nach einer Corona-Infektion zu Beschwerden führt. Zu dessen schwersten Ausprägungen gehört ME/CFS.

Mehr als 200 Symptome werden dieser Erkrankung zugeschrieben, die durch die Corona-Pandemie einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Eine Diagnose bleibt schwierig. Zumal dann, wenn Patienten in zeitlicher Nähe eine Erkrankung haben, die nicht direkt mit einer Corona-Infektion zusammenhängt. Ein klarer Befund wird dadurch zusätzlich erschwert. Es könnten daher gute Nachrichten sein für Betroffene von Post Covid, die Wissenschaftler jetzt im Fachjournal Science veröffentlicht haben.

Das international zusammengesetzte Team hat Biomarker vorgestellt, die eine Diagnose der Erkrankung erleichtern sollen. Sie weisen auf Störungen im sogenannten Komplementsystem hin. Es trägt dazu bei, dass die verschiedenen Komponenten des Immunsystems im Krankheitsfall schnell reagieren. Außerdem entdeckten sie Marker für Gewebeschäden und eine veränderte Blutgerinnung, was zum Beispiel Thrombosen auslösen kann.

Untersucht wurden 6500 Proteine in den Blutseren von 113 Personen, die sich mit dem Coronavirus infiziert hatten. Darunter befanden sich 40 Patienten, die Long Covid entwickelten. Nach sechs Monaten und einem Jahr wurden die Probanden erneut untersucht.

Das Forscherteam schätzt seine Erkenntnisse nicht nur für die Diagnose von Long Covid als hilfreich ein, sondern sieht darin zudem Ansatzpunkte für eine mögliche Behandlung der Erkrankung. Carmen Scheibenbogen von der Immundefekt-Ambulanz der Charité verweist im Portal Science Media Center auf „erste Therapiestudien, die an diesen Mechanismen ansetzen“.

Dennoch beurteilen Experten die Studienergebnisse vorerst zurückhaltend. Leo Nicolai von Klinikum der Universität München zum Beispiel sagt: „Vor allem brauchen wir deutlich größer angelegte Studien. 40 Patienten mit Long Covid, wie in dieser Studie, sind zu wenig. Um verlässliche Daten für dieses heterogene Krankheitsbild zu generieren, benötigen wir eher Hunderte bis Tausende Patienten.“

Von den Spätfolgen einer Infektion mit Sars-CoV-2 sollen mindestens zehn Prozent derjenigen betroffen sein, die an dem Virus erkrankt sind. In Mitleidenschaft gezogen sein können verschiedene Organe. Die meisten Betroffenen leiden an postviraler Fatigue, Atemnot sowie neurokognitiven Störungen. Letztere führen dazu, dass Konzentration, Wortfindung oder Gedächtnis beeinträchtigt sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Long Covid vor allem als einen Zustand starker physischer und kognitiver Belastungsintoleranz, als sogenannte Post-Exertional Malaise.

Patienten mit solchen Symptomen können ihrem Beruf nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr nachgehen. Einer Studie zufolge sind 45 Prozent der Betroffenen auch nach mehr als sechs Monaten nicht dazu in der Lage. Auch sind viele außerstande, alltägliche Dinge zu erledigen, etwa einzukaufen oder den Haushalt zu führen. Versuchen sie es trotzdem, verschlechtert sich ihr Zustand langfristig weiter. Am Post-Covid-Syndrom leiden Menschen aller Altersgruppen, auch Kinder und Jugendliche. Sie alle warten auf eine verlässliche Therapie.