Bernerin entdeckt seltenen Waldrapp auf ihrem Fenstersims

In Kappelen wurde ein Waldrapp namens Giorgia gesichtet. Der seltene Vogel stammt aus einem Wiederansiedlungsprojekt.

Ein Exemplar des seltenen Waldrapps wurde nun auch im Kanton Bern gesichtet. Per Facebook-Post teilte der Zoo Johns Kleine Farm mit, eine Bewohnerin aus Kappelen habe den Vogel namens Giorgia auf ihrem Fenstersims fotografiert. Der Waldrapp ist aber nicht etwa aus dem Zoo ausgebüxt, sondern gehört zur Population des europäischen Wiederansiedlungsprojektes.

Ursprünglich mit Rupert unterwegs

Laut Johannes Fritz, dem Gründer des Waldrappteams, hält sich nebst Giorgia auch ein Männchen namens Oskar in der Westschweiz auf. Auf der App «Animal Tracker» kann der Aufenthaltsort der Vögel verfolgt werden.

Giorgia ist in Überlingen am Bodensee aufgewachsen und dann in einer westlichen Route über die Alpen migriert. «Ursprünglich war sie gemeinsam mit dem Weibchen Rupert unterwegs», erzählt Fritz. Die beiden Vögel hätten sich dann aber getrennt. Rupert, über welche 20 Minuten kürzlich berichtet hat, befindet sich jetzt in Rümlang ZH und wartet vergebens auf ihren Partner Enea, der in Norditalien umgekommen ist. Die beiden waren seit 400 Jahren das erste Waldrapp-Paar, das in der Schweiz gebrütet hat.

Westschweiz ein geeigneter Lebensraum

Weshalb die Vögel in die Schweiz kommen, erklärt Fritz folgendermassen: «Die Vögel suchen eine Route über die Westalpen, um nach Norden in ihr angestammtes Brutgebiet zu kommen. Giorgia hat wie Oskar und Rupert eine relativ westliche Route gewählt und hält sich deshalb jetzt im Schweizer Alpenvorland auf.»

Das hängt damit zusammen, dass dieses Gebiet durchaus gutes Waldrapp-Habitat mit reichhaltigen Nahrungsgebieten ist, vermutet der Biologe. «Das war wohl auch der Grund dafür, dass Rupert und Enea letztes Jahr erfolgreich gebrütet haben.» Die Westschweiz dürfte aus Sicht des Waldrapps ein gut geeigneter Lebensraum sein, um zu brüten.

Giorgia könnte Oskar treffen

Es ist laut Fritz möglich, dass sich Giorgia mit dem Männchen Oskar treffen und versuchen könnte, irgendwo in der Region zu brüten. «Wenn sie keinen Partner trifft, wird sie wohl über kurz oder lang nach Überlingen fliegen.» Gebrütet hat Giorgia noch nie. «Es wird Zeit», sagt Fritz. Mit drei Jahren werden Waldrappe geschlechtsreif, Giorgia hätte schon in den letzten zwei Jahren brüten können. «Wir hoffen, dass sie dieses Jahr brütet, entweder dort in der Westschweiz, was spannend wäre, oder dann in Überlingen.»

Probleme mit Genehmigungen in der Schweiz

Das Wiederansiedlungsprojekt läuft laut Johannes Fritz sehr erfolgreich. «In der Schweiz tun wir uns aber schwer, die notwendigen Genehmigungen zu bekommen, um konkret aktiv zu werden.» Massnahmen, um in der Schweiz eine Brutkolonie zu gründen, können deshalb nicht umgesetzt werden. «Beispielsweise müsste man das einzelne Weibchen Rupert mit einem Männchen zusammenführen und sie auch nicht in Rümlang im Industriegebiet brüten lassen, sondern an einem anderen geeigneten Ort.»

Auch der Klimawandel bringe Schwierigkeiten. Die Herbstmigration finde immer später im Jahr statt. Um diese Zeit fehle dann aber der Aufwind, den die Vögel brauchen, um über die Alpen zu fliegen. «Seit vergangenem Jahr haben wir begonnen, eine zweite Zugroute zu etablieren, die vom nördlichen Alpenvorland nach Andalusien führt», erklärt Fritz. So können die Vögel auch spät im Jahr das Wintergebiet erreichen. Gemäss Fritz sind mittlerweile mehr als 250 Tiere in der Wildbahn, die eigenständig migrieren.