«Sie haben etwas aufzuräumen, Frau Stadtpräsidentin» – der Konflikt um eines der wichtigsten Theater Zürichs nimmt neue Dimensionen an

«sie haben etwas aufzuräumen, frau stadtpräsidentin» – der konflikt um eines der wichtigsten theater zürichs nimmt neue dimensionen an

Anti-Israel-Vorwürfe beschäftigen das Theater Neumarkt seit mehreren Monaten. Christian Beutler / Keystone

Thomas Busins Aussagen geben zu reden. Vor einigen Tagen gab der Verwaltungsratspräsident des Theaters Neumarkt auf die Frage, ob der israelische Schauspieler Yan Balistoy konsequent getrennt von einer im gleichen Haus angestellten libanesischen Schauspielerin eingesetzt werde, zur Antwort, er wisse es nicht. «Als Verwaltungsratspräsident mische ich mich nicht in künstlerische Belange ein, das wäre unangemessen. Das ist Sache der Direktion.»

FDP fordert Rücktritt des Verwaltungsratspräsidenten

Diese Aussagen Busins kommen auf dem politischen Parkett schlecht an. In einer harsch formulierten Fraktionserklärung forderte die FDP am Mittwoch im Gemeinderat sogar den Rücktritt des Verwaltungsratspräsidenten. Gemeinderat Michael Schmid bezeichnete die Erklärungen von Busin als absurd. Eine Theaterdirektion, die es offenbar für richtig halte, dass libanesische und israelische Ensemblemitglieder nicht gemeinsam auf der Bühne stünden, müsse in ihre Schranken gewiesen werden.

Für den FDP-Gemeinderat handelt es sich um schwerwiegende Vorwürfe. «Wer meint, da gehe es um künstlerische Belange, in die man sich nicht einmische, kann nicht länger Verwaltungsratspräsident einer städtisch subventionierten Institution sein.» Die erhobenen Vorwürfe müssten nun ernsthaft untersucht und angegangen werden. «Andernfalls wären Konsequenzen in Bezug auf die städtischen Subventionen zu ziehen.»

Das Theater Neumarkt profitiere von jährlichen Betriebsbeiträgen der Stadt Zürich von rund 4,5 Millionen Franken und einem jährlichen Mietzinserlass von knapp 700 000 Franken. An Stadtpräsidentin Corine Mauch gerichtet, sagte Schmid: «Sie haben etwas aufzuräumen, Frau Stadtpräsidentin.»

Keine Belege für systematische Diskriminierung

Der Fall Balistoy zieht sich bereits mehrere Monate hin. Der Schauspieler hatte im vergangenen Dezember schwere Vorwürfe erhoben. Er gab an, er werde am Theater diskriminiert, weil er Israeli sei. Balistoy sagte, dass er seit August 2021 nur bei der Hälfte aller Stücke besetzt werde – weil das Theater eine libanesische Schauspielerin schützen wolle, die wie er zum siebenköpfigen Neumarkt-Ensemble gehöre.

Ob die Vorwürfe des Schauspielers, der vom Theater keine neue Anstellung mehr erhielt, tatsächlich zutreffen, ist bis heute nicht geklärt. Das Theater gab zwar eine Untersuchung in Auftrag. Und diese kam zum Schluss, dass Diskriminierung am Neumarkt «in keiner Form» geduldet werde. Keine der befragten Personen, die am Theater beschäftigt seien, habe Diskriminierung wahrgenommen oder erlebt. Alle Befragten hätten ausserdem eine deutliche Ablehnung von und Distanzierung zu jeder Form von Antisemitismus und antiisraelischer Gesinnung zum Ausdruck gebracht.

Der expliziten Frage, ob Yan Balistoy wegen seiner Herkunft diskriminiert wurde, ging die Untersuchung allerdings nicht nach. Dies aus arbeitsrechtlichen Gründen, wie Thomas Busin gegenüber der NZZ erklärte. «Das ist eine arbeitsrechtliche Frage, deren sich das Arbeitsgericht annehmen müsste», sagte Busin. «Es wäre zu begrüssen, wenn es hier Klärung gäbe.»

Selbst könne man aber nicht aktiv werden. «Das wäre die Sache von Herrn Balistoy.» Balistoy selbst hatte zwar angekündigt, er werde rechtlich gegen das Theater vorgehen. Dies ist aber offenbar bis jetzt noch nicht passiert.

Geniessen die Theater Narrenfreiheit?

Im Gemeinderat sorgte die Rücktrittsforderung der FDP für eine emotionale Debatte. Wenig Verständnis für die FDP hatte Urs Riklin (Grüne). Es stünden die bisher nicht belegten Vorwürfe eines Schauspielers im Raum, sagte er. «Aufgrund von diesen Vorwürfen bereits eine Vorverurteilung vorzunehmen, halte ich nicht für adäquat.»

Ähnlich tönte es bei Ann-Catherine Nabholz (GLP), die selbst im Verwaltungsrat des Theaters Neumarkt sitzt. Nabholz wies in ihrer persönlichen Erklärung darauf hin, dass es am Theater keinen Platz für antisemitische und antiisraelische Haltungen gebe. Das habe der Untersuchungsbericht klar gezeigt.

Es gehe in diesem Fall aber nicht einfach um Ideologien, sondern um Menschen, die sich in einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung befänden. «Es gibt die Behauptungen eines Schauspielers, und es gibt die Sicht der Direktion. Da müsste am Ende ein Gericht prüfen, ob alles korrekt lief.»

Stefan Urech (SVP) hingegen sagte, die Reaktion auf die Vorfälle sei einer Stadt wie Zürich unwürdig. «In der linken Kulturszene haben die Theater Narrenfreiheit. Antisemitismus wird offenbar toleriert.»

Stadt verlangt eine Stellungnahme vom Theater

Weitere Antworten von den Verantwortlichen fordert nun auch Stadtpräsidentin Corine Mauch. Im Parlament sagte Mauch am Mittwoch, es sei zwar erfreulich, dass im Theater Neumarkt keine strukturelle Diskriminierung bestehe und auch keine antisemitische oder antiisraelische Haltung habe festgestellt werden können.

Mauch hielt aber auch fest, es sei aufgefallen, dass die Untersuchung auf den ganz konkreten Fall keine Antwort gebe. «Wir haben das Theater deshalb um eine Stellungnahme zu den Fragen gebeten, die Yan Balistoy aufgeworfen hat.» Konkret will die Stadtpräsidentin mehr über den Vorwurf des Schauspielers wissen, dass er allein wegen seiner Staatsbürgerschaft nicht zusammen mit einer libanesischen Kollegin besetzt und damit auch allein wegen seiner Staatsbürgerschaft für gewisse Rollen nicht in Betracht gezogen wurde.

Das Theater will sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äussern. Thomas Busin sagte auf Anfrage, aufgrund der noch offenen arbeitsrechtlichen Fragen könne er sich derzeit nicht weiter zum Thema äussern.

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