«Wenn wir den Innovationspark Zürich mit Leben füllen, ist das weder ein Luftschloss noch eine Retortenstadt»

«wenn wir den innovationspark zürich mit leben füllen, ist das weder ein luftschloss noch eine retortenstadt»

Vom Dach des Pavillons mit der Geschäftsstelle des Innovationsparks hat Martin Sturzenegger freien Blick über den Flugplatz Dübendorf. Annick Ramp / NZZ

Martin Sturzenegger war bis Ende 2021 während knapp neun Jahren Direktor von Zürich Tourismus. Nach einer Zwischenstation als Chef der Säntis-Schwebebahn übernahm er im April 2023 die Geschäftsführung des Innovationsparks Zürich (IPZ) auf dem Flugplatz Dübendorf. Er ist weitaus die grösste derartige Plattform in der Schweiz mit dem Ziel, Wissenschaft und innovative Firmen zusammenzubringen und Kooperationen zu erleichtern.

Der 51-jährige Betriebsökonom und Marketing-Fachmann aus Zürich stiess zum Grossprojekt, als dessen Startphase zu Ende ging. Seit der Bewilligung des Kredits von gut 95 Millionen Franken durch den Zürcher Kantonsrat Ende 2022 ist der politische Prozess für die erste Etappe abgeschlossen. Bis anhin sind vor allem die beiden Zürcher Hochschulen mit Instituten und Projekten vor Ort präsent. Nun geht es darum, Entwicklungsabteilungen mittlerer und grosser Unternehmen auf dem Areal anzusiedeln.

Trägerin ist die Stiftung Innovationspark Zürich, in der neben den Hochschulen und dem Kanton Zürich Firmen vertreten sind. Offen ist, ob die Flugpiste auf Dauer für die Forschung und als Werkflugplatz betrieben wird. Dazu finden Abklärungen zwischen dem Kanton Zürich und dem Bund als Grundeigentümer statt.

Der Innovationspark trägt seinen Zweck bereits im Namen. Aber Erfindergeist lässt sich doch nicht verordnen, Herr Sturzenegger?

Einverstanden, das ist so. Es ist auch nicht das Ziel, das wir verfolgen. Eine nicht innovative Firma kommt nicht zu uns nach Dübendorf, sie hätte gar keinen Mehrwert. Eine innovative Firma aber kann hier Projekte realisieren, schneller und effektiver, als sie allein in der Lage ist. Wir können Innovation nicht erzeugen, aber beschleunigen, so dass ein Mehrwert entsteht, indem man mit einer Entwicklung rascher im Markt ist.

Und wenn sich die Idee überlebt? Startups gibt es zuhauf, und die Stadt Zürich hat bereits seit dreissig Jahren einen Technopark.

Startups sind nicht unser Fokus. Dafür gibt es in der Schweiz bereits Infrastrukturen. Wir bauen einen Ort, wo Hochschulen sowie KMU und Grossfirmen zusammenfinden. Innovation ist doch das Rohöl der Schweiz. Andere Länder rüsten nach. Wir müssen mit ihnen Schritt halten.

Sie kommen aus dem Tourismus. Wie gelingt Ihnen persönlich der Wechsel in die Forschung und Entwicklung?

Diese Gebiete liegen gar nicht so weit auseinander. Eine Tourismusdestination und ein solcher Campus sind sich ähnlich. In beiden Fällen geht es um ein sehr heterogenes Produkt: dort um Kultur, Sport und Sehenswürdigkeiten, hier um Forschung, Industrie und Entwicklung. Die Stadt und der Campus sind jeweils nur die Plattform, auf der etwas stattfindet.

Es gibt also Gemeinsamkeiten.

Ja. Ich war ausserdem beruflich immer in Change- und Innovationsprozessen tätig. Als ich bei Zürich Tourismus einstieg, war die Situation schwierig und eine Sanierung nötig. Hier im Innovationspark bauen wir etwas komplett Neues auf. Wir treten jetzt in eine andere Phase ein.

Aber es ist ein grosser Schritt.

Vorher standen Führungsaufgaben im Vordergrund. Jetzt geht es primär um konzeptionelle Fragen. Das traue ich mir zu.

Die bauliche Entwicklung des Innovationsparks ist ausgelagert, für Fragen zum Flugplatz sind Kanton und Bund zuständig. Welches ist Ihre Rolle in diesem Gefüge?

Meine Aufgabe ist es, eine Betriebsorganisation aufzubauen und einen strategischen Rahmen für die nächsten Jahre zu schaffen. Wie funktioniert der Innovationspark in Zukunft, welche Implikationen hat das, was ist wo anzusiedeln? Es wird Werkstätten und Labors geben. Wer betreibt sie, und wer braucht was? Wenn man die Infrastruktur gegenseitig nutzt, sind die Kosten zu verrechnen. Geschieht das mit Geld, oder entwickeln wir selber eine interne Währung dafür? Das sind Beispiele für Hunderte von Fragen, die wir derzeit angehen.

Aber es braucht Gebäude.

Baulich erfolgt die Entwicklung in zwei Schritten: Der Ausbau der bestehenden Flugzeughangars findet jetzt statt. Ein Teil ist im Frühling bezugsbereit, der andere im Spätsommer. Im nächsten Schritt werden vor den Hangars vorerst neun neue Gebäude erstellt. Das nimmt etwa zehn Jahre in Anspruch. Zusammen ergibt das den Kern des Innovationsparks.

Wann wissen wir, wie das einmal aussieht?

Ende März wird bekannt, wie sich der Campus präsentieren wird, und die Ergebnisse der Architekturwettbewerbe für die ersten Neubauten werden öffentlich. Spannender wird sein: Wie funktioniert das, wie sieht das Leben hier aus?

Dafür braucht es nicht erst Neubauten.

Es läuft bereits viel und im neuen Jahr noch viel mehr. Die ETH ist seit längerem mit Instituten und Projekten vor Ort. Im Frühling wird der Space Hub der Universität Zürich einen Hangar beziehen, im zweiten Halbjahr die ETH zwei weitere im unteren Teil Richtung Wangen-Brüttisellen. Mitte Juli findet hier auf dem Areal und in Zürich die European Hyperloop Week statt. Das dürfte Wellen schlagen. Aus der ganzen Welt kommen Teams hierher, die Hochgeschwindigkeitstransporter entwickeln, die sich in nahezu luftleeren Röhren auf Magnetfeldern fortbewegen.

«wenn wir den innovationspark zürich mit leben füllen, ist das weder ein luftschloss noch eine retortenstadt»

«Der Innovationspark nimmt 2024 Fahrt auf», sagt Martin Sturzenegger, hier in einem Hangar, den die ETH Zürich noch in diesem Jahr bezieht. Annick Ramp / NZZ

Der Start für den Innovationspark war schwierig. Es gab auch in Dübendorf Widerstand, sowohl von Freunden der Luftwaffe als auch von Kritikern der Fliegerei. Wie nehmen Sie die Situation wahr?

Seit dem weisen Entscheid, hier einen Forschungs- und Werkflugplatz mit klar begrenzter Anzahl Flugbewegungen einzurichten, ist der grösste Stein des Anstosses weg. Die Bevölkerung steht mehrheitlich hinter dem Vorhaben, die politische Unterstützung ist da. Aber wie bei jedem grossen Projekt in der Schweiz müssen wir mit Einsprachen rechnen. Ein Streitpunkt könnten Expats und die Zuwanderung werden.

Man spricht davon, dass der Innovationspark bis zu 10 000 zusätzliche Arbeitsplätze generiere . . .

Das ist richtig, aber wir siedeln hier keine Firmen an. Der Vergleich mit Google in Zürich hinkt. Es gibt hier keinen Produktionsstandort. Es entsteht eine Plattform, wo Forschungs- und Entwicklungsabteilungen während längerer Zeit oder ein paar Monate lang für Kooperationen tätig sein können. Von den Beschäftigten werden viele bereits in der Region leben. Für andere schaffen wir temporäre Unterkünfte.

Was hat die Region davon?

Es ist eine Chance für das Glatttal, dass hier und nicht in der Stadt Zürich Wertschöpfung entsteht. Das ist wichtig. Es werden sehr viele Betriebe in der Umgebung als Zulieferer profitieren. Ausserdem ist der Innovationspark offen. Man wird hier zuschauen können, wie Forschung stattfindet. Und es gibt Grünflächen, einen Naherholungsraum.

Kritiker sagten schon, es entstehe ein Luftschloss oder eine Retortenstadt.

Beides trifft nicht zu, hoffentlich. Ein Luftschloss wäre es, wenn das Angebot vom Markt überhaupt nicht angenommen würde. In der Schweiz dauert alles etwas lange. Vielleicht ist das gut so. Die erste Etappe ist ein vernünftiger, überblickbarer Rahmen. Wenn wir ihn mit Leben füllen, ist das weder ein Luftschloss noch eine Retortenstadt. Wenn es schwierig wird, muss man sich überlegen, wie es weitergehen soll.

Seit Jahren heisst es, das Interesse von Unternehmen am Innovationspark sei gross. Ist das unverändert so?

Ja, es ist sehr gross. Wir beginnen erst jetzt mit der eigentlichen Vermarktung. Bis anhin haben wir reagiert, wenn sich jemand meldete. Wir sind all diese Firmen durchgegangen, zwei Drittel sind weiterhin stark interessiert. Wir konnten in einem Jahr fast ein Dutzend neue Absichtserklärungen von mittelgrossen und grossen Firmen unterzeichnen. Ein Glücksfall ist, dass das weltweit tätige Engineering-Unternehmen Angst + Pfister mit Sitz in Zürich sich stark engagiert. Der CEO Christof Domeisen ist Verwaltungsratspräsident von IPZ Property, die für die Immobilien zuständig ist. Es ist wichtig, dass die Wirtschaft dort prominent vertreten ist. Wenn es nach mir und vielen Unternehmen auf der Warteliste ginge, könnten wir die Gebäude morgen schon eröffnen.

Aber eben, es braucht Zeit, bis die Infrastruktur vorhanden ist. Wie hält man Firmen so lange bei der Stange?

Der Eindruck entsteht, weil der Prozess schon lange dauert. Aber in diesem Jahr nehmen wir die ersten ausgebauten Hangars in Betrieb, in wenigen Jahren die ersten Neubauten. Der Innovationspark nimmt 2024 Fahrt auf.

Bis anhin sind erst wenige Privatunternehmen hier. Was braucht es, damit ein Miteinander von universitärer Forschung und innovativer Industrie entsteht, kein Nebeneinander?

Ich gebe zwei Beispiele, warum die Zusammenarbeit funktionieren wird. Angenommen, ein Pharmaunternehmen will auf der Raumstation ISS ein neues Medikament testen lassen. Der UZH Space Hub kann das im Innovationspark von A bis Z organisieren. Das Experiment wird hier aufgesetzt und mit einem Parabelflug, der in Dübendorf startet, in der simulierten Schwerelosigkeit überprüft. Der UZH Space Hub setzt dann das Experiment in den Labors, die er in Cape Canaveral unterhält, definitiv auf, schickt es per Rakete zur ISS und liefert die Resultate dem Wirtschaftspartner ab.

Und das zweite Beispiel?

Die ETH wird einen Hangar ausschliesslich für Kollaborationen mit KMU und grösseren Firmen für jeweils drei bis fünf Jahre einrichten. Wer zum Beispiel etwas in Robotik entwickelt, kann dort für eine gewisse Zeit bei der ETH andocken und mit ihren Ingenieuren ein Projekt durchführen. Innovative Firmen suchen genau diesen Raum für Kooperationen mit den Hochschulen. ETH und Universität Zürich sind für die Grundlagenforschung da. Wenn eine Firma an sie herantritt, stellt sich ihnen die Frage: Wo sollen wir etwas machen? Es hat auf dem Hönggerberg keinen Platz, um angewandte Forschung zu betreiben. Das Interesse ist beiderseitig, auch die Hochschulen wollen mehr mit Unternehmen zusammenarbeiten. Dafür bauen wir eine Brücke.

Zur Aviatik ist der Ausgang des politischen Prozesses noch offen. Das Besondere am Innovationspark Zürich sei gerade die Kombination mit einem Flugplatz, wird immer betont. Was, wenn nun diese Idee scheitert und die Piste eines Tages stillgelegt wird?

Ich sehe im Moment keine Anzeichen, dass der Flugbetrieb ganz eingestellt wird. Der Flugplatz wird weiter vom Militär genutzt. Es ist eine grosse Chance, dass die Zukunft der Luftfahrt an dem Ort, wo die Fliegerei in der Schweiz begann, weiterentwickelt werden kann. Studierende haben hier ein Elektroflugzeug gebaut, jetzt konstruieren andere eines mit Wasserstoffantrieb. Wenn so etwas nicht mehr möglich wäre, wäre das sehr schade.

Mit den Projekten für Studierende erweckt der Innovationspark heute noch auf sympathische Art einen etwas improvisierten Eindruck. Bleibt davon etwas übrig?

Diese Projekte im Rahmen des Studiums waren für die Startphase wichtig, und sie sind es in Zukunft noch mehr. Das wirkt vielleicht etwas unschweizerisch: Aber ich setze alles daran, dass es hier Raum für ein kreatives Chaos hat, dass man einfach rausgehen und ein Fahrzeug testen kann. Das ist der Zweck der Sache. Grossfirmen haben an ihrem Standort schöne Gebäude. Hier suchen sie Kreativität, Improvisation. Den Platz für Studierende wollen wir auf jeden Fall erhalten, sogar eher erweitern. Da sind wir uns mit den Arealentwicklern einig.

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