Klimaschutz käme günstiger als Klimaerwärmung

Die Erderwärmung könnte schon bis Mitte des Jahrhunderts Tausende Milliarden Franken kosten, haben Forschende berechnet.

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Diese Bäume im deutschen Harzgebiet sind aufgrund der Klimaerwärmung abgestorben.

Das Amazonas-Gebiet in Südamerika leidet seit rund einem Jahr unter einer schweren Dürre. Im Oktober 2023 setzte Starkregen die irische Region Cork unter Wasser. Und im Februar lag Westafrika unter einer lang anhaltenden Hitzeglocke, die hohe Luftfeuchtigkeit liess die ohnehin hohen Temperaturen noch bedrohlicher für die Gesundheit werden.

Die kleine Auswahl an Ereignissen eint, dass der Klimawandel sie sehr wahrscheinlich verschärft hat. Ohne die vom Menschen verursachte Erderwärmung wäre es in Westafrika laut der Forschungsinitiative «World Weather Attribution» vermutlich vier Grad kälter gewesen.

Solche Episoden gefährden nicht nur Menschenleben, sondern richten auch grosse wirtschaftliche Schäden an: Menschen können in der Hitze weniger lang arbeiten, brauchen mehr Pausen, sind insgesamt nicht so produktiv. Und wenn der Weg zur Arbeit überschwemmt ist, bleibt man eben zu Hause. Doch wie teuer könnte der Klimawandel genau werden? Das versucht nun eine Studie im Fachmagazin «Nature» zu beantworten.

Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) kommen darin zum Ergebnis, dass die Erderwärmung alle Menschen zusammen in den nächsten 25 Jahren 19 Prozent des erwarteten Einkommens kosten könnte, verglichen mit einer fiktiven Zukunft ohne Erderwärmung. Mitte des Jahrhunderts würde der Klimawandel damit einen jährlichen Verlust von etwa 35 Billionen Euro verursachen, beziffert in heutiger Kaufkraft.

Die Schäden in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts hängen dann von der Entwicklung der Treibhausgase ab. Gelingt es, die Emissionen bald zu senken, würde der Wohlstand ab Mitte des Jahrhunderts kaum noch absinken. Die Erderwärmung bliebe bei unter zwei Grad begrenzt.

Bis Mitte des Jahrhunderts macht Klimaschutz kaum einen Unterschied

Steigen die Emissionen dagegen ungebremst an, ist auch mit stärkeren Einschnitten im Einkommen zu rechnen. Die Kosten für Klimaschutzmassnahmen nehmen sich im Vergleich dazu gering aus – etwa ein Sechstel der erwarteten Verluste bis 2049.

Bis Mitte des Jahrhunderts macht es demnach kaum einen Unterschied, ob fortan ambitionierter Klimaschutz betrieben wird oder nicht. Laut den Autoren hat das mit der Trägheit des Klimas und von wirtschaftlichen Prozessen zu tun. «Die Schäden bis Mitte des Jahrhunderts haben wir uns schon eingehandelt, dadurch, dass wir bislang nicht gehandelt haben», sagt die Klimaforscherin Leonie Wenz, eine der Autorinnen der Studie.

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ETH-Glaziologe setzt eine Messstange in den Gletscher im Mai 2023 im Val Morteratsch in Pontresina.

Dass die Kosten für Klimaschutz viel geringer seien als die erwarteten Verluste, sei dennoch ein starker Anreiz, die Emissionen schnell zu senken. «Wir müssen jetzt handeln, um in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nicht noch höhere Schäden zu bekommen.»

Die Autoren der «Nature»-Studie gehen für ihr Modell von historischen Wetterdaten der vergangenen 40 Jahre aus sowie von Zahlen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von mehr als 1600 Regionen auf der Welt – in Deutschland sind dies etwa die einzelnen Bundesländer, in den USA die Bundesstaaten.

Auf diese Weise leiten die Forscher zunächst ab, wie sich etwa Hitzewellen oder starke Regenfälle in der Vergangenheit wirtschaftlich ausgewirkt haben. Mithilfe von Klimasimulationen bestimmen sie anschliessend, wie sich Temperaturen und Niederschläge künftig entwickeln könnten und damit auch die Schäden.

Mit der Hitze sinkt die Produktivität

Verluste könnten beispielsweise aus der Landwirtschaft resultieren, sagt Leonie Wenz, etwa aufgrund von Ernteverlusten. Regenextreme können die Infrastruktur lahmlegen und auf diese Weise zu Verlusten führen. Andere Auswirkungen seien subtiler.

So gebe es eine Reihe von Studien, «die zeigen, dass bei höheren Temperaturen die Produktivität nachlässt, etwa im Baugewerbe», sagt Wenz. In der Schweiz ist die Zahl der Hitzetage mit Höchstwerten von mehr als 30 Grad Celsius in den vergangenen Jahrzehnten bereits deutlich gestiegen.

Laut den Berechnungen bezahlen ärmere Staaten einen überproportional hohen Preis für die Erderwärmung. In Afrika sowie in anderen tropischen und subtropischen Regionen wirkten sich steigende Temperaturen besonders drastisch aus.

Wirtschaftlich profitieren würden einzig Regionen weit im Norden, wie Kanada und Russland, etwa weil Klimaschwankungen dort zurückgehen könnten. Hier leben allerdings auch sehr viel weniger Menschen.

Die Verteilung der Schäden sei ungerecht, heisst es in der Studie: Staaten wie die USA, die historisch betrachtet besonders stark zur Erderwärmung beigetragen hätten, kämen wirtschaftlich eher glimpflich davon. Afrikanische Staaten, deren Emissionen äusserst gering sind, leiden hingegen stärker. Zugleich haben sie oftmals besonders wenige Ressourcen zur Verfügung, um sich an die Folgen anzupassen, etwa mithilfe einer besseren Infrastruktur.

«Wir wären viel besser dran, wenn wir den Klimaschutz nicht so lange verschleppt hätten», sagt der Klimaökonom Ilan Noy von der Universität Wellington in Neuseeland. Das zeige die Studie ganz deutlich. Zweifel hat Noy aber daran, ob die Forschenden auch regionale Unterschiede ausreichend berücksichtigen. Je nach ökonomischem Schwerpunkt seien Regionen unterschiedlich anfällig für Hitze oder Niederschläge.

Neben den Kosten drohen Verlust von Heimat und Artenvielfalt

Derartige Modellierungen hängen von vielen Annahmen und Faktoren ab, von denen einige sich nur schwer für die Zukunft abschätzen lassen. Etwa, wie stark Menschen sich künftig an die Folgen der Erderwärmung anpassen oder ob sich manche wirtschaftlichen Aktivitäten auch einfach in andere Regionen verlagern werden, die nicht so anfällig für Klimarisiken sind.

Im Kern deckt sich die aktuelle «Nature»-Studie mit anderen Arbeiten zu den wirtschaftlichen Folgen der Erderwärmung. Im Fachmagazin «Science» kamen Forschende vor einigen Jahren zum Ergebnis, der Klimawandel könnte die USA pro Grad Temperaturerhöhung 1,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts kosten. Eine andere Abschätzung kommt zum Ergebnis, dass extreme Wetterereignisse bereits heute jedes Jahr ungefähr 136 Milliarden Euro kosten.

Die globale Erwärmung richte aber nicht nur finanzielle Schäden an, sagt Leonie Wenz. «Der Verlust von Leben, Heimat und Artenvielfalt ist hier noch gar nicht abgebildet.»

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