Der derzeit beliebteste Fastentrend lautet 16/8: Nach sechzehn Stunden ohne Nahrung darf man während acht Stunden essen. Justin Paget / Getty
«Probanden, die nur während acht Stunden am Tag essen, haben ein um 91 Prozent höheres Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, als Personen mit einem längeren Essenszeitraum.» Dieses Ergebnis hat ein Team der Jiao Tong University in Schanghai auf dem Jahreskongress der American Heart Association am Montag präsentiert. Die Aussage ist provokant und sehr unerwartet. Schliesslich gilt Intervallfasten als gesundheitsfördernd, weil es Blutfettwerte oder den Blutzuckerspiegel senkt.
Für die neue Studie der chinesischen Wissenschafter wurden die Daten einer grossen amerikanischen Gesundheitsstudie namens NHANES verwendet. «Wir haben die Angaben von mehr als 20 000 Probanden ausgewertet», berichtet der Studienleiter Victor Zhong auf Anfrage. Im Schnitt seien die Personen acht Jahre lang beobachtet worden, manche auch bis zu siebzehn Jahre. Man habe die Studie bei einem Fachmagazin zur Begutachtung eingereicht.
Die Probanden wurden je nach Essenszeiten unterteilt in diverse Gruppen. Als Kontrollgruppe galten jene, die während zwölf bis sechszehn Stunden pro Tag assen. «Wir waren selber sehr erstaunt über das Ergebnis, wir hatten eigentlich das Gegenteil erwartet.»
Die Studie weiss wenig über das Essverhalten der Probanden
Allerdings hat die chinesische Studie laut mehreren Experten eine gravierende Schwäche. Die Studienautoren wissen nämlich nicht, wie lange die Probanden überhaupt Intervallfasten praktiziert haben. Vielmehr wurden sie nur zweimal zu ihrem Essverhalten befragt. «Wir wissen nicht, wie lange, wie genau und warum die Menschen gefastet haben», betont der Ernährungsmediziner Hans Hauner von der Technischen Universität München im Gespräch. «Daher sind keine zuverlässigen Aussagen über die Auswirkungen des Essensregimes auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit oder das Sterberisiko möglich.»
Möglicherweise sei gar nicht das Intervallfasten das Problem, gibt Stefan Kabisch zu bedenken. Er ist Mediziner an der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité in Berlin. Es gebe nämlich eine plausible alternative Erklärung für das beobachtete erhöhte Sterberisiko bei Intervallfastenden. So könnten diese Personen wegen Übergewicht, Diabetes Typ 2 oder auch erhöhter Blutfettwerte mit einer solchen Diätform begonnen haben. Genau dies seien starke Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, und sie erhöhten das Risiko, daran zu sterben.
Die neuen Daten würden somit nicht aussagen, dass das Intervallfasten schädlich sei. Vielmehr wären sie eine Bestätigung für die altbekannte Tatsache, dass die erwähnten Vorbelastungen das Risiko eines Todes wegen Herzerkrankungen erhöhten. Kabisch hält diese Interpretation auch deshalb für plausibel, weil in der Gruppe der Intervallfastenden sowohl der Body-Mass-Index – ein Mass für Übergewicht – als auch der Raucheranteil am höchsten in allen Gruppen war.
Auch der Studienleiter Zhong hat keine Erklärung parat, warum Intervallfasten schädlich sein könnte. Allerdings haben frühere Studien gezeigt, dass bei dieser Diätform oftmals nicht nur die Fettmasse im Körper, sondern auch die Muskelmasse abnimmt. Das könnte das Risiko von Herzerkrankungen erhöhen.
Zudem gebe es Hinweise, dass Menschen, die nur im Verlauf von acht Studen ässen, in der Regel das Frühstück ausfallen liessen, berichtet Kabisch. Laut mehreren Studien steigere dies das Risiko von Fettleibigkeit, Diabetes Typ 2 und auch Herzerkrankungen.
Allerdings handelt es sich dabei nur um Beobachtungsstudien. Diese können naturgemäss zwar Korrelationen, aber keine Beweise für eine Kausalität liefern. Es könnte also beispielsweise sein, dass nicht das ausgelassene Frühstück gesundheitsschädlich ist, sondern dass die Personen sich dann mittags oder abends mit Heisshunger auf Essen stürzen und viel zu viele Kalorien zu sich nehmen.
Was bringt Intervallfasten?
Es ist somit derzeit völlig unklar, ob Intervallfasten schadet. Aber weiss man wenigstens, ob es etwas nützt? Schliesslich wird es derzeit in den sozialen Netzwerken ebenso wie in Büchern und Vorträgen wärmstens und häufig empfohlen. Es soll beim Abnehmen helfen und ein langes, gesundes Leben bescheren.
Die Idee dahinter: In den Fastenperioden fängt unser Körper an, Fett zu verwerten. Zudem soll die zellinterne Müllabfuhr angekurbelt werden.
Doch die Experten sind sich einig: Es gibt keine Studien, die klar zeigen, dass Intervallfasten für Menschen besser ist als andere Diäten, um langfristig schlank oder gesund zu bleiben. Stoffwechselveränderungen wie weniger Blutfette oder weniger Blutzucker werden allenfalls kurzzeitig erreicht. Ebenso wenig gibt es Beweise dafür, dass Intervallfasten das Leben verlängert.
«Entscheidend ist nicht der Zeitraum, in dem wir essen», sagt der Ernährungsmediziner Hauner. Unser Stoffwechsel sei seit Jahrtausenden darauf getrimmt, flexibel zu sein und auch längere Hungerphasen zu überstehen. Somit verändert sich der Stoffwechsel, wenn gefastet wird, und dann auch wieder, wenn Nahrung im Magen ankommt.
«Entscheidend fürs Schlank-und-gesund-Bleiben sind ausschliesslich die Qualität der Lebensmittel und die täglich aufgenommene Kalorienmenge», so Hauner. Wir sollten so essen, wie das zahlreiche Ernährungsexperten und Mediziner empfehlen: frische Produkte, abwechslungsreich, nicht zu viel Fett, Salz und Zucker und möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel.
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