Der finnische Topskorer kommt nach Ajoie: Oula Palve (l.).
Die zwei besten Skorer der finnischen Liga wechseln zu Ajoie. Nie zuvor hat ein NL-Schlusslicht so gute Ausländer verpflichtet. Ajoie ist auf dem Weg, das Überraschungsteam der nächsten Saison zu werden und mit Marco Maurer ist auch eine defensive Verstärkung angedacht. Wie ist das «finnische Wunder» möglich?
Ajoie hat zum dritten Mal in Serie die Meisterschaft auf dem letzten Platz beendet. Nun haben die Jurassier ein Transfer-Feuerwerk gezündet. Sie haben für nächste Saison die beiden besten Skorer (Oula Palve, Jerry Turkulainen) und den fünftbesten Torschützen (Julius Nättinen) der höchsten finnischen Liga verpflichtet. Für solches ausländisches Offensiv-Personal würden die Fans nicht nur in Bern und Zug den Hockeygöttern auf Knien danken.
Drei Spieler aus Finnland bedeuten auch einen Kulturwandel: Bisher hat Ajoie in der Regel auf nordamerikanische und wenn möglich frankophone Ausländer gesetzt. Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat der Klub nun zumindest in der Offensive eine finnische DNA.
Auch Jerry Turkulainen …
… und Julius Nättinen verstärken Ajoie.
Trainer Christian Wohlwend sagt, warum er in seiner zweiten Saison auf die finnische Karte setzt. Er spricht von «Nordic Players». «Stürmer aus Schweden oder Finnland sind taktisch noch besser ausgebildet und haben ein besser ausgebildetes Defensiv-Bewusstsein als Nordamerikaner. Wir sind darauf angewiesen, dass unsere ausländischen Stürmer auch defensiv arbeiten. Was nützt uns, wenn sie ein Tor erzielen, aber bei mehreren Gegentreffern auf dem Eis stehen? So kommen wir nicht weiter. Wir haben letzte Saison so viele Spiele mit nur einem Tor Unterschied verloren, dass wir neue Wege gehen müssen, um Fortschritte zu erzielen.»
Wo Ajoies Trainer recht hat, da hat er recht: Seine Mannschaft hat in der soeben abgelaufenen Qualifikation nicht weniger als 13 Partien nur mit einem Tor Unterschied verloren und in acht Spielen beim Versuch, ohne Torhüter den Ausgleich zu erzielen, einen Treffer ins leere Tor kassiert. Es fehlte nicht viel. Aber es fehlte halt etwas.
Die unpolemische Statistik der letzten Saison mag zeigen, dass die Defensivarbeit der ausländischen Stürmer aus Nordamerika eine ungenügende war.
- Daniel Audette: -23
- Frédérik Gauthier: -21
- Guillaume Asselin: -16
- Johnathan Hazen: -13
- Philip-Michaël Devos: -10
Wo wäre Ajoie, wenn diese Stürmer Minus-Bilanzen im einstelligen Bereich erreicht hätten? Oder einzelne gar eine positive Bilanz? Wir wollen nicht grübeln.
Die Frage ist aber noch nicht beantwortet, wie es Ajoie gelingen konnte, so hochkarätige finnische Stürmer zu verpflichten. Hat Kult-Präsident Patrick Hauert neue Geldgeber gefunden? Nein. Es ist Sportdirektor Julien Vauclair, Trainer Christian Wohlwend und seinen beiden finnischen Assistenten Petteri Nummelin und Juha-Pekka Hytönen gelungen, das Elsgau (deutsche Bezeichnung für die Ajoie) gut zu verkaufen. Perfektes Standortmarketing sozusagen.
Christian Wohlwend hat einen klaren Plan.
Vier Faktoren spielen eine Rolle.
- Romantik: Die finnische Kolonie im Jura zählt nun fünf Mann: die zwei Trainer-Assistenten und die drei Stürmer. Da ist auch Romantik dabei: weniger Heimweh und ein gemeinsames Hockey-Abenteuer im Ausland.
- Weniger Erwartungsdruck als bei einem Grossklub: Es ist zweifelsfrei schwieriger, die Erwartungen in Zürich, Bern oder Lugano als bei Ajoie zu erfüllen.
- Geld: Bei Ajoie verdienen die Ausländer gut 30 Prozent weniger als in Bern, Zug, Zürich oder Lugano. Aber Punkt 2) ist zu beachten und am Ende der Saison hat ein finnischer Hockey-Profi bei einem Nettogehalt in Ajoie erheblich mehr Geld auf dem Konto als bei einem Brutto-Spitzensalär in der heimischen Liga. Kommt dazu: Wer mit Ajoie die Liga-Skorerliste rockt, kann mit einem lukrativen Angebot eines Titanen rechnen.
- Ajoie wird mit sechs Ausländern in die Saison starten. Jeder hat also seine Rolle im Team und kann in jedem Spiel antreten. Die frustrierenden und letztlich den Teamfrieden störenden Verbannungen auf die Tribüne sind nicht zu befürchten.
Kommt dazu. Pruntrut liegt zwar aus Sicht der Deutschschweiz hinter den sieben Jurabergen. Aber Paris ist mit dem Zug in 3 Stunden und 20 Minuten erreichbar. Die Gattin oder die Freundin kann problemlos mit der Eisenbahn zum Einkauf in den Modeboutiquen nach Paris fahren. Christian Wohlwend spürt einen gewissen Sarkasmus in dieser Bemerkung und ergänzt: «Auch Biel und Delsberg sind nicht weit…»
Ajoie beginnt die nächste Saison also mit den drei neuen Stürmern Oula Palve (32), Jerry Turkulainen (25) und Julius Nättinen (27). Verteidiger T.J. Brennan (USA, 35) sowie die beiden kanadischen Kultstürmern Jonathan Hazen (33) und Philip-Michaël Devos (33) bleiben.
Bleiben Ajoie erhalten: Jonathan Hazen und Philipp-Michaël Devos (l.).
Ajoie hat seine offensive Feuerkraft auf dem Ausländer-Transfermarkt also signifikant, ja spektakulär erhöht. Benötigt wird allerdings auch noch ein wenig Wasserverdrängung, Einschüchterungspotenzial und Erfahrung in der Verteidigung. Auch da ist ein guter Transfer aufgegleist: Marco Maurer (36), 2023 Meister mit Servette und während der Saison nach Bern ausgeliehen, kann mit einer NHL-Postur (189 cm/97 kg), Schlauheit, viel Erfahrung und erstaunlich schnellen Füssen dafür sorgen, dass seine Mitspieler weniger herumgeschubst werden. «Ja, er ist definitiv ein Kandidat», bestätigt Christian Wohlwend.
Bessere ausländische Stürmer als Zug und der SCB diese Saison hatten – die Chancen stehen gut, dass Ajoie im Frühjahr 2025 die Qualifikation erstmals seit dem Wiederaufstieg nicht auf dem letzten Platz beenden wird. Möglicherweise auf Kosten von Kloten, das auf dem besten Weg dazu ist, ein «urbanes Ajoie» – also eine urbane Version dieses Klubs im sportlichen Zustand der vergangenen drei Jahre – zu werden.
Mehr Eishockey:
News Related-
Der Batzen und das Weggli für Dominik Egli
-
Mini-Grün auf der grünen Suppe
-
Eine Trainerin und ein Arzt kennen die Antwort: Fit werden, ohne zu schwitzen – geht das?
-
Häuser bereits verkauft: Dreijährige Kreuzfahrt abgesagt – Passagiere vor dem Nichts
-
Deutschland versinkt im Schneechaos
-
Von ZHAW gewählt: «Monsterbank» ist das Deutschschweizer Wort des Jahres
-
Frauen und Jugendliche – 33 weitere palästinensische Gefangene frei
-
Jans oder Pult: So stehen die Chancen der SP-Kandidaten
-
Müde und grummelig? Hier kommen 23 lustige Fails für bessere Laune
-
Innerhalb von 24 Stunden: „Wetten, dass..?“-Auftritt von Helene Fischer erreicht Meilenstein
-
So lief das Wochenende für die Schweizer Söldner: Unermüdlicher Xhaka spult Mammutprogramm erfolgreich ab
-
Hans Flatscher löst für Swiss-Ski Dinge, bevor sie ein Problem sind
-
Grenadier-Rekrut bricht auf Marsch zusammen: «Viele dachten während zwei Tagen, ich sei tot»
-
Novum: Frappart leitet Bayerns Heimspiel gegen Kopenhagen