Angst vor dem Loslassen: Wie wir lernen, offen für Neues zu sein

angst vor dem loslassen: wie wir lernen, offen für neues zu sein

Dr. Andreas Hagemann rät: «Loslassen will wohl überlegt sein: Ergründen Sie bitte zuvor, ob und wieviel Energie Sie in die Veränderung investieren möchten.»

Ob Job, ein Gegenstand, eine Beziehung oder ein Wohnort: Oft halten wir an Dingen fest, obwohl sie uns nicht guttun oder sie längst Vergangenheit sind. Dass wir uns mit dem Loslassen alter Dinge und dem Einlassen auf Neues schwertun, liegt unter anderem an der «Angst vor den Auswirkungen», wie Dr. Andreas Hagemann, Psychiater und Ärztlicher Direktor der Privatklinik Duisburg, im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät.

Warum tun wir uns oft so schwer damit, alte Verhaltensweisen, Dinge, Beziehungen oder Wohnorte loszulassen?

Dr. Andreas Hagemann: Jeder Verlust ist schmerzhaft. Diese Erfahrung haben wir bereits als Kinder alle irgendwann gemacht. Kein Wunder, dass wir als Erwachsene vielfach erhebliche Probleme mit dem Loslassen haben.

Nicht selten sind Ängste aus der Kindheit oder Jugend ein Grund dafür, dass wir in späteren Jahren aus belastenden Situationen oder Beziehungen keinen Weg herausfinden und lange anstehende Entscheidungen vor uns herschieben. Vielfach spielen dabei auch Schuldgefühle eine Rolle, etwa bei einer Trennung vom Partner, die naturgemäss vielen Menschen besonders schwerfällt.

Je grösser der Leidensdruck, desto grösser übrigens die Chance einer Veränderung.

Der Mensch ist bekanntlich ein Gewohnheitstier. Spielt das beim Thema loslassen auch eine Rolle?

Hagemann: Ja, einen wesentlichen. Aus Angst vor dem Neuen und Unbekannten, aber auch vor möglicher Frustration und Leere halten wir oftmals treu und brav an einem frustrierenden Job, lange sinnlos gewordenen Freundschaften oder etwa einer unglücklichen Beziehung fest – und das manchmal trotz jahrelanger Enttäuschungen und Verletzungen. Vielfach zeigt sich diese Zögerlichkeit auch bei Perfektionisten, die erfahrungsgemäss alles unter Kontrolle haben möchten.

Darüber hinaus steckt hinter mangelnder Entscheidungsfreude natürlich auch eine gewisse Bequemlichkeit: Loszulassen erfordert stets auch Flexibilität und die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen.

Warum versperren sich viele bei Veränderungen im Leben?

Hagemann: Entgegen steht dem in erster Linie die Angst vor den Auswirkungen: Vielfach fällt es uns schwer, Veränderungen durchzuführen, weil wir die Befürchtung haben, dass «alles nur noch schlimmer» werden könnte. Mein Tipp: Überlegen Sie genau, was wirklich geschehen könnte und vergegenwärtigen Sie sich auch, dass jede Veränderung Chancen zum individuell besseren bietet. Dabei kann sich die Bereitschaft zur Flexibilität auch künftig positiv auswirken: Erlaube ich es mir, neue Lebenserfahrungen zu sammeln, so habe ich bei der nächsten Entscheidungsfindung einen grösseren Erfahrungsschatz, der mir bei der «idealen Lösung» helfen kann.

Müssen wir lernen, offener für neue Dinge zu sein?

Hagemann: Das wäre sicher hilfreich. Empfehlenswert ist eine konstruktivere Denkweise, wie sie beispielsweise ein «positives Mindset» vermittelt. Durch erprobte mentale Übungen und Verhaltensmuster gelange ich zu mehr Vertrauen und Zuversicht. Beides exzellente Voraussetzungen, um auch schwierige Entscheidungen und Lebenssituationen besser zu meistern.

Ist die Entscheidung zugunsten eines Neubeginns gefallen, so erschliessen sich schnell neue Perspektiven und Möglichkeiten: Längst Überholtes, was uns nicht guttut, wird endlich über Bord geworfen. Konstruktive Herausforderungen und Erfahrungen bringen mehr Abwechslung, Ausgeglichenheit und Zufriedenheit ins Leben. Denn wer nicht loslassen kann, der leidet oftmals erheblich unter der unbefriedigenden Situation. Kopf- und Magenschmerzen sind ebenso mögliche Folge-Symptome wie Angst- und Panik-Attacken oder etwa Verstimmungen, bis hin zu Depressionen.

Gerade beim Thema Beziehung fällt vielen das Loslassen schwer. Wie schaffen wir es hier, besser und schneller loszulassen?

Hagemann: Hilfreich ist es sicher, mir klar zu machen, ob meine Vorstellungen mit der Realität wirklich übereinstimmen. Entsprach die Partnerin/der Partner wirklich meinen Idealvorstellungen? Ist der Partner oder die Partnerin im Privatleben wirklich so traumhaft? Bei den Antworten bitte ehrlich bleiben und nichts beschönigen oder idealisieren.

Trennungen sind in der Regel schwierig und mit Trauer verbunden – und die sollte man auch zulassen. Einen Abschluss zu finden, ist oft nicht einfach, aber auch nicht zu ändern. Denn: Eine Beziehung besteht immer aus zwei Personen und nicht eine allein reguliert die Nähe oder die Distanz. Nur wenn beide Personen an einem Konsens interessiert sind, kann sich Nähe (wieder) ergeben. Die Akzeptanz der Entscheidung zur Trennung kann hierbei die Lösung und weniger das Problem sein.

Es geht also nicht um Schuld, sondern um Lösungen, wie die Schwierigkeiten, die zum Ende der Beziehung führten, erkannt und in der Zukunft anders reguliert werden können. Hierbei spielen insbesondere die eigenen Erwartungen und Ansprüche an eine Partnerschaft eine Rolle. Wenn sie bewusst sind und mitgeteilt werden, kann die andere Person sich danach richten. Die Partnerschaft gewinnt an Qualität und Frustrationen über unerfüllte Wünsche und Bedürfnisse werden reduziert. Das funktioniert übrigens auch in bestehenden Beziehungen…

Was sind Ihre besten Tipps, um besser loszulassen?

Hagemann: Loslassen will wohlüberlegt sein: Ergründen Sie bitte zuvor, ob und wie viel Energie Sie in die Veränderung investieren möchten und entscheiden Sie sich dann bewusst dafür oder dagegen. Helfen kann hierbei die Beantwortung relevanter Fragen wie etwa: Wo liegen Vor- und Nachteile eines Stellenwechsels, aber auch wo liegen die Vor- und Nachteile an Ort und Stelle zu bleiben? Und was bringt es mir persönlich, wenn ich den neuen Job annehme.

Auch wenn es oft schwerfällt, nicht in Aktionismus zu verfallen, wenn man sich zu einer Entscheidung durchgerungen hat, gilt es dennoch «kühlen Kopf» zu bewahren: Schnellschüsse sind keine gute Lösung. Setzen Sie sich bei Veränderungen niemals unter Druck, sondern gehen Sie das Ganze überlegt, bewusst und geduldig an. Ebenso wichtig: Stehen Sie hinter der getroffenen Entscheidung und stellen Sie sich auf die Folgen ein.

Bei allen Neuerungen sollte die Routine nicht ganz auf der Strecke bleiben. Denn feste Gewohnheiten können vieles erleichtern und uns das Gefühl von Ruhe und Sicherheit vermitteln. Zudem verhindert Routine eine geistige Überforderung. Mein Rat: Stehen gravierende Veränderungen im Raum, bitte nichts überstürzen. Überlegen Sie gut, was Sie wirklich möchten und suchen Sie dabei gegebenenfalls auch Rat und Unterstützung bei guten Freunden und Verwandten.

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