Prozess wegen Covid-Testzentren - Im Gefängnis macht mutmaßlicher Corona-Betrüger ein brisantes Geständnis

prozess wegen covid-testzentren - im gefängnis macht mutmaßlicher corona-betrüger ein brisantes geständnis

Passanten gehen in der Innenstadt an einem Corona-Testzentrum vorbei. Ole Spata/dpa/Archivbild

In den Corona-Zeiten gab es zahlreiche Testzentren. Kriminelle haben die Chance gewittert und den Staat um Millionenbeträge betrogen. Ein mutmaßlicher Betrüger steht demnächst vor Gericht. Es ist eine schillernde Figur.

Der Vernehmungstermin im Untersuchungsgefängnis in Köln-Ossendorf an jenem Januartag führte zu einem brisanten Geständnis. Can H., ein Unternehmer aus Kerpen, der durch Betrügereien mit Corona-Testzentren ein Millionenvermögen ergaunert haben soll, berichtete von Schmiergeldzahlungen an zwei Mitarbeiter der Kreisstadt Bergheim.

Im Jahr 2022 will der heute 39-jährige Inhaber der Firma „Implura Medical“, über die er 14 Testzentren in Erftstadt, Bedburg, Bergheim, Hürth, Euskirchen und Köln betrieb, seinen mutmaßlichen Schwindel um ein weiteres Geschäftsfeld erweitert haben: den lukrativen Corona-Test-Auftrag in Flüchtlingsheimen.

Im Gegenzug für den Zuschlag, so die Aussage des Firmenchefs, habe er etwa 11.000 Euro in bar an den Ordnungsamtsmitarbeiter Mehmet B. (Name geändert) übergeben. Der soll sich die Bestechungssumme mit einem Vorgesetzten geteilt haben.

Angebliche Schmiergeldzahlungen im Ordnungsamt

Zum Beweis seiner Angaben überließ der Testzentren-Unternehmer der Polizei ein Handyfoto, auf dem die Geldscheine und im Hintergrund der Empfänger zu sehen ist. Zudem soll der Unternehmer weitere 3000 Euro für eine Haartransplantation gezahlt haben.

Mit der Schmiergeld-Beichte wollte Can H. offenbar Pluspunkte kurz vor dem Prozessauftakt um seinen mutmaßlichen Testzentren-Betrug vor dem Kölner Landgericht sammeln. Wie FOCUS online erfuhr, führte die belastende Aussage Anfang März zu einer Durchsuchung im Amt für Ordnung und Gewerbe in der Bergheimer Stadtverwaltung.

Stephanie Beller, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, bestätigte auf Anfrage, dass gegen zwei Mitarbeiter der Ordnungsbehörde der Kreisstadt Bergheim im Alter von 35 und 37 Jahren wegen Bestechlichkeit sowie gegen den angeklagten Testzentren-Betreiber wegen Bestechung ermittelt werde.

„Konkret wird den beiden Mitarbeitern der Ordnungsbehörde vorgeworfen, Gelder im niedrigen fünfstelligen Bereich von dem Beschuldigten Testzentren-Betreiber entgegengenommen und ihn im Gegenzug mit den regelmäßigen Testungen von Flüchtlingsheimbewohnern beauftragt zu haben“, führte Beller aus. Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen, elektronischen Geräte und Daten dauere noch an.

Das Versagen staatlicher Behörden

Die Korruptionsrazzia belegt einmal mehr das fehlerhafte Krisenmanagement in der Hochphase der Corona-Pandemie. Angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen drängte die Politik die Kommunen und Landkreise allerorten, neue Testzentren für das Virus zu etablieren. Der laufende Prozess gegen den Multi-Unternehmer Can H. dokumentiert das Versagen der staatlichen Behörden als auch der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV).

Letztere zahlten für jeden Corona-Bürgertest bis zu 18 Euro an die Betreiber. Angesichts der Flut der Abrechnungen war etwa die KV Nordrhein, unter anderem zuständig für den Rhein-Erft-Kreis und Köln, völlig überfordert mit der Überprüfung der Eingänge.  Für Betrüger war es offenbar ein Leichtes, das Geld für nicht erbrachte Tests einzustreichen. So soll der Angeklagte Can H. die KV Nordrhein um 19 Millionen Euro erleichtert haben.

Durch Scheinrechnungen von Drittfirmen und den Griff in seine Firmenkasse soll der Angeklagte mehr als sechs Millionen Euro in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Mit den illegalen Gewinnen finanzierte der Enddreißiger seinen luxuriösen Lebensstil.

Luxusautos dank Corona

Bei seiner Festnahme am 9. Mai 2023 beschlagnahmten die Ermittler einen Porsche, einen Lamborghini und einen Ferrari. Laut Zeugenaussagen sollen etwa der einstige Gesundheitsdezernent im Erftkreis und heutige Vizechef der Kölner Bezirksregierung, Christian Nettersheim, sowie Margot Denfeld, seine damalige Gesundheitsamtschefin, die Kontrollvorgaben der Landesregierung trotz Warnungen aus der Fachebene ignoriert haben. In einer Anlage der „Corona-Test-Strukturverordnung“

für Nordrhein-Westfalen hieß es etwa: Die Kreise und kreisfreien Städte als untere Gesundheitsbehörden koordinieren den Aufbau der Testangebotsstruktur in ihrem Zuständigkeitsbereich, sie erteilen die nach der Coronavirus-Testverordnung erforderlichen Beauftragungen sonstiger Teststellen.“

Weitere Anbieterinnen und Anbieter, die Testungen vornehmen wollen, beantragen dies bei der zuständigen örtlichen Gesundheitsbehörde. Die Betreiber müssen „zuverlässig im Sinn des Gewerberechts“ sein und „über Erfahrungen/Qualifikationen“ verfügen, die eine Einhaltung der Betriebsstandards gewährleisten könnten. Stimmten Konzept und Anforderungen, durfte die zuständige Gesundheitsbehörde das Unternehmen als Testzentrum beauftragen.

Nach Angaben einer Medizinerin, die in der Corona-Hochphase im Gesundheitsamt der Rhein-Erft-Kreisverwaltung gearbeitet hatte, habe man selbst diese Kontrollregeln nicht eingehalten – berichten Prozessbeteiligte.

„Die Marschrichtung war: Alles zuzulassen“

Vor dem Hintergrund bat der Vorsitzende Richter die beiden Behördenchefs am 18. April in den Zeugenstand. Ex-Dezernent Nettersheim räumte die laxen Kontrollen der Antragsteller für Testzentren offenbar ein. Im Zeugenstand bekundete der Spitzenbeamte, es habe Druck gegeben, in möglichst kurzer Zeit möglichst vielen Testzentren eine Erlaubnis zu erteilen.

„Die Marschrichtung war: Alles zuzulassen.“ Es habe verschiedene Anforderungen gegeben. „Die gewerberechtliche Zuverlässigkeit haben wir aber nicht überprüft. Geprüft haben wir:

Ist die Liegenschaft geeignet, gibt es einen Hygieneplan.“ Im Nachgang sei versucht worden, durch Begehungen aufzuklären. „Man hat aber nicht mit Stoppuhr dagestanden, wie viel Tests in welcher Zeit durchgeführt wurden, wie viel rechnet der denn ab.“

18 Euro pro Person sei ein natürlich starker Anreiz gewesen. „Man muss schon ein sehr positives Menschenbild haben, um nicht davon auszugehen, dass es zu „Mitnahmeeffekten“ kommt. Es gab eine allgemeine Erwartungshaltung, angefangen vom Bundesgesundheitsminister bis hinunter zu den Stadt- und Kreisräten.“ Seine damalige Amtsleiterin Denfeld, die heute die Gesundheitsbehörde in Köln lenkt, soll sich eher bedeckt gehalten haben.

Auf Anfrage wollten sich beide Zeugen nicht mehr zu dem Sachverhalt äußern. Vielmehr verwies man an die Pressestelle im Rhein-Erft-Kreis. Die Corona-Pandemie habe den Kreis, wie alle Behörden in Deutschland, ab dem Jahr 2020 vor gewaltige Herausforderungen gestellt, sagte Thomas Schweinsburg, der Sprecher des Kreises. Zu Beginn des Jahres 2021 habe gegolten, „die Erwartung beziehungsweise das gesetzliche Erfordernis der Corona-Testverordnung nach Testzertifikaten in kürzester Zeit zu erfüllen“.

„Es gab weder Hinweise noch Warnungen“

Rund 280 Teststellen hätten damals im Zuständigkeitsbereich der örtlichen Amtsträger gelegen. Nach der seinerzeit geltenden Rechtslage hätten „die Kreise als Untere Gesundheitsbehörden“ jedoch lediglich die Aufgabe gehabt, „die geplanten Betriebsabläufe unter Beachtung des Infektionsschutzes sicherzustellen“.

Das Gesundheitsamt Rhein-Erft habe die Einhaltung der Hygienekonzepte „vor der Genehmigung und auch bei späteren Begehungen während des Betriebs“ überprüft. „Dies war auch in den Zentren der Fall, die vom Angeklagten im laufenden Verfahren vor dem Landgericht betrieben wurden“, betonte Schweinsburg. Für weitere Kontrollen sei der Kreis, der seine Aufgaben erfüllt habe, nicht zuständig gewesen. Pikanterweise legt die Corona-Strukturverordnung das Gegenteil nahe.

Schweinsburg betont ferner, dass die Testzahlungen landesweit über die Kassenärztlichen Vereinigungen liefen, ohne dass die Kommunen involviert wurden.

„Ob und welche Controlling-Maßnahmen zur Verhinderung von Abrechnungsbetrug dort implementiert waren, entzieht sich unserer Kenntnis“, so Schweinsburg: „Und Hinweise oder gar Warnungen auf Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung zwischen Betreiber und KV hat es an die Adresse des Kreises im Rahmen der Genehmigung der Teststellen nicht gegeben.“

„Hauptsache Testen, Testen, Testen“

Egal, wer es jetzt verbockt hat, für Ulrich Sommer, Verteidiger des in Köln angeklagten Testzentren-Unternehmers aus Kerpen, ist der Fall klar: „Der Tenor lautete seinerzeit: Hauptsache Testen, Testen, Testen – egal, wer eine Corona-Stelle aufbaute.“

Nach den Zeugenaussagen der ehemaligen Gesundheitschefs im Prozess vor dem Landgericht dränge „sich der Eindruck auf, dass gerade im Rhein-Erft-Kreis gar kein Kontrollbedürfnis bestand – da wurden beide Augen zugedrückt.“ Wenn den Behörden egal gewesen sei, ob der Teststellen-Betreiber eine ausreichende medizinische Vorbildung besessen habe, „dann kann man auch nicht mehr von einem Betrug sprechen“, mein Sommer im Hinblick auf seinen Mandanten.

Die Anklage sieht das anders. Die Staatsanwaltschaft hat zu Beginn des Prozesses bereits auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes hingewiesen, nach dem das Ausnutzen einer pandemischen Lage bei der Urteilsfindung sogar als besonders verwerfliches Verhalten gewertet werden soll. Das Frühjahr 2021 jedenfalls bescherte findigen Geschäftsleuten sowie in manchen Fällen auch Betrügern nahezu eine Lizenz zum Gelddrucken.

Binnen drei Monaten entstanden allein an Rhein und Ruhr bis zum Juni des Jahres 9000 Corona-Testzentren. Die Behörden und die Kassenärztliche Vereinigungen schauten offenbar eher weg als hin. Insgesamt schüttete der Bund 17,2 Milliarden Euro für Bürgertests aus. Das Bundeskriminalamt beziffert den Schaden durch Betrüger auf 1,2 Milliarden Euro.

24,5 Millionen Euro sollen abgezockt worden sein

Auch die Kölner Staatsanwaltschaft führt Dutzende Verfahren. Ende 2023 wurden in der Rheinmetropole drei Gauner bis zu sieben Jahre und drei Monate Gefängnis verurteilt. Die Männer hatten 1,8 Millionen Bürgertests im Gesamtvolumen von 20 Millionen bei der KV Nordrhein abgerechnet.

Weder dem Gesundheitsamt noch der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein fiel auf, dass gar keine Test-Station existierte.  Derzeit wird der Prozess gegen einen Geschäftsmann aus Bochum wegen formaler Verfahrensfehler wieder aufgerollt.

Der 50-Jährige Oguzhan C. soll über seine Firma Medican 24,5 Millionen Euro mit fingierten Virus-Kontrollen abgezockt haben. Im ersten Prozess war der Angeklagte zu sechs Jahren Haft verurteilt worden.

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