Finanzierungsexpertin im Interview - „Wir stehen erst am Anfang der Pleitewelle bei Neubauten“

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Immer mehr Bauträger gehen pleite – Expertin beleuchtet die Folgen für den Immobilienmarkt. picture alliance / Jochen Tack

Derzeit werden nicht nur hohe Zinsen, sondern auch Insolvenzen von Bauträgern zum Hindernis für den Traum vom Eigenheim. FOCUS Online hat mit Birgit Weber gesprochen, einer Finanzierungsberaterin bei Pasch & Kruszona in Krefeld, über die gegenwärtigen Rahmenbedingungen.

FOCUS online: Frau Weber, immer mehr Bauträger gehen pleite. Wie gefährlich ist das für den Immobilienmarkt?

Birgit Weber: Ich glaube nicht, dass die Insolvenzen von Bauträgern den Immobilienmarkt gefährden. Aus meiner Sicht ist der deutsche Immobilienmarkt stabil, auch die Preise sind nur moderat gefallen. Ich sehe sie auf dem Niveau von 2019.

Sie machen sich keine Sorgen?

Weber: Doch. Sorgen machen mir die Folgen der Bauträgerpleiten für Bauunternehmer, Handwerker, Banken und Käufer, deren Bauträger in die Insolvenz geht. Nehmen wir nur die Handwerker, von denen es in Deutschland ohnehin zu wenige gibt. Die stehen jetzt vielleicht mit hohen Außenständen mit dem Rücken zur Wand. Hinzu kommt, dass Bauträgerkredite an kleine und mittlere Bauträger häufig von kleineren Sparkassen und Volksbanken vergeben wurden. Auch hier kann es zu einzelnen Schieflagen kommen, die dann die Zentralbanken der Sparkassen und Volksbanken auffangen müssen. Dies wird weitere Fusionen bei den Instituten beschleunigen.

Kommen wir zu den Kunden, die über Sie finanzieren wollen. Raten Sie Ihnen derzeit von einer Immobilie ab, wenn nicht alles passt?

Weber: Die Baufinanzierungszinsen sind seit Oktober 2023 deutlich gesunken, aktuell liegen sie wieder zwischen 3,15 Prozent (für 60 Prozent Finanzierung) und knapp unter 4 Prozent (für 100 Prozent Finanzierung). Aufgrund der weiterhin stark steigenden Mieten und des latenten Wohnungsmangels ermutige ich meine Kundinnen und Kunden, sich mit dem Immobilienmarkt auseinanderzusetzen. Dabei versuche ich, Fördermöglichkeiten wie KfW-Wohneigentumsprogramm, BAFA und kommunale Förderungen in das Finanzierungskonzept zu integrieren, um die monatliche Belastung der Baufinanzierung zu reduzieren und Zuschüsse zu generieren.

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Birgit Weber, Finanzierungsberaterin bei Pasch & Kruszona in Krefeld Pasch & Kruszona

 

Finden Sie derzeit eine Bestandsimmobilie oder einen Neubau spannender?

Weber: Ehrlich gesagt empfehle ich eher eine gebrauchte Immobilie als einen Neubau. Am besten eine „junge“ gebrauchte Immobilie, da die Risiken wie Insolvenz des Bauträgers, rechtzeitige Fertigstellung, Doppelbelastung durch Bauzeit oder Nachfinanzierung durch Mehrkosten deutlich geringer sind als bei einem Neubau. Wenn es ein Neubau sein soll, dann rate ich dazu, das Grundstück separat zu kaufen und das Haus mit einem Generalunternehmer/Bauträger selbst zu bauen. Ich halte es aber bei jedem Kauf, egal ob Neubau oder gebraucht, für wichtig, dass man neben mir als Baufinanzierungsexperten auch andere ins Boot holt.

Welche zum Beispiel?

Weber: Es ist wichtig, jemanden zu haben, der die Substanz des Hauses beurteilen oder beim Neubau helfen kann. Hier habe ich gute Erfahrungen mit dem Verband Privater Bauherren e.V. gemacht. Dieser bietet ein breites Beratungsspektrum rund um Kauf und Bau an.

Wie kann ich mich vor einer Pleite des Bauträgers schützen?

Weber: Einen hundertprozentigen Schutz vor Insolvenz gibt es weder beim Kauf vom Bauträger noch vom Bauunternehmer. Wie bereits erwähnt, hat der separate Kauf des Grundstücks den Vorteil, dass man dann als Eigentümer im Grundbuch steht. Man arbeitet dann mit einem Generalunternehmer oder Bauträger zusammen. Wenn diese in Konkurs gehen, muss man sich zwar einen neuen suchen, aber man hat es selbst in der Hand und ist Eigentümer des Grundstücks.

Warum zahle ich bei einem Neubau nach Bauabschnitten und nicht erst nach Fertigstellung? Ein neues Auto wird ja auch erst bezahlt, wenn ich einsteigen und losfahren kann.

Weber: Das ist ein wichtiger Punkt und als weitere Absicherung gibt es inzwischen auch die Zahlung erst nach Fertigstellung. Das ist aber bisher nur bei wenigen Anbietern möglich und wird eingepreist.

Das heißt, das Objekt wird tendenziell etwas teurer?

Weber: Ja, es gibt auch die Fertigstellungsbürgschaft einer Bank. Leider wird auch diese nur selten von Bauträgern oder Bauunternehmern angeboten, da die Banken dafür Gebühren verlangen. Schließlich gibt es noch eine Bauherrenschutzversicherung, die Käufer abschließen können. Wichtig ist, sich vorher über den Bauträger oder das Bauunternehmen zu informieren. Ich rate meinen Kunden: Schauen Sie sich fertige und unfertige Referenzobjekte an, holen Sie sich Bonitätsauskünfte zum Beispiel von Bürgel oder Creditreform ein und informieren Sie sich über die Firmendaten im Bundesanzeiger.

Die Bauträger haben sich in den letzten Jahren eine goldene Nase verdient. Und jetzt, wo es Gegenwind gibt, gehen die Bauträger reihenweise pleite. Oder täuscht der Eindruck?

Weber: Die Bauträger haben in den letzten Jahren hohe Gewinne erzielt. In der Regel werden für neue Projekte aber oft neue Gesellschaften gegründet. Hier ist die Schmerzgrenze niedrig, diese in die Insolvenz gehen zu lassen. Betrachtet man die Jahre 2009 und 2015, so ist dies bisher häufig der Fall gewesen. Das liegt natürlich an dem langen Zeitraum vom Grundstückskauf, Bauantrag und Genehmigung, Vergabe der Gewerke, Verkauf der Immobilie bis zur Fertigstellung. Und gerade die Genehmigungszeiten bei den deutschen Bauämtern sind ein ganz großes Problem.

Wie geht es jetzt weiter?

Weber: Ich glaube, dass wir erst am Anfang der Pleitewelle im Neubau stehen. Stark betroffen sind Objekte, die ab Anfang 2022 noch nicht verkauft und noch nicht fertiggestellt sind. Steigende Zinsen und Baukosten haben den Neubaumarkt für die Unternehmen unplanbar gemacht. Aufgrund der sinkenden Nachfrage dürften auch die Neubaupreise sinken. Bei explodierenden Baukosten können die Preise aber nicht fallen, sonst wird mit Verlust verkauft. Die Immobilie als Kapitalanlage hat Konkurrenz vom Kapitalmarkt bekommen, die Kapitalanleger sind weggebrochen.

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