Europas Naivität rächt sich jetzt auch im Nahen Osten

Der Iran unterstützt Terroristen, beliefert Russland mit Drohnen und hat jetzt eine neue rote Linie überschritten: Europas Strategie ist gescheitert.

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EU-Ratspräsident Charles Michel im freundlichen Austausch mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, im Herbst 2022 am Rand der UNO-Vollversammlung in New York.

Der Iran ist dem Bau der Atombombe so nahe wie noch nie, unterstützt seit Jahren Terrorgruppen in Staaten rund um Israel und hat mit dem direkten Grossangriff auf den Erzfeind jetzt eine neue rote Linie überschritten. Die EU-Aussenminister werden am Dienstag an einem Krisentreffen in Brüssel versuchen, ihre Empörung in Worte zu fassen, gefolgt von den Staats- und Regierungschefs am Mittwoch und am Donnerstag bei einem weiteren Gipfel. Viel Handlungsspielraum bleibt nicht nach Jahren des Appeasement, einer mehr oder weniger intensiven Strategie der Befriedung gegenüber Teheran. Die Europäer stehen einmal mehr vor einem Scherbenhaufen ihrer aussenpolitischen Ambitionen.

Zuerst pries man in Brüssel das Atomabkommen mit Teheran als Meisterwerk der europäischen Diplomatie, bis damals Donald Trump mit dem Rückzug der USA den Deal platzen liess. Nicht ganz zu Unrecht, denn das Atomabkommen mit dem Iran hatte von Anfang an grosse Lücken. Als Joe Biden ins Weisse Haus einzog, steckten die Europäer viel Energie in die Bemühungen, das Abkommen wieder zu beleben, das den Iran vom Bau einer Atombombe abbringen sollte. Nicht nur hat das Regime in Teheran die gefährliche Waffe in Griffweite. Die mächtigen Revolutionsgarden haben die Zeit genutzt, um die Achse von Israels Feinden hochzurüsten. Angefangen von den Hizbollah-Milizen im Libanon über die Statthalter im Jemen, in Syrien und dem Irak bis hin zu den Hamas-Terroristen im Gazastreifen.

Jetzt bleibt der EU nicht mehr viel übrig, als ohnmächtig vor dem Eskalationspotenzial zu warnen. Vielleicht schaffen es Staats- und Regierungschefs am Gipfel doch noch, die Revolutionsgarden auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen. Das ging bisher angeblich aus «rechtlichen» Gründen nicht. In einigen EU-Staaten wollte man die Gesprächskanäle nach Teheran dann doch nicht gefährden. Bei den Sanktionen gegen den Iran sind die Möglichkeiten sonst weitgehend ausgereizt, ohnehin weitgehend zahnlos, da Reise- und Kontensperren Repräsentanten des Iran kaum wehtun. Und Kampfdrohnen aus iranischer Produktion gelangen trotz EU-Sanktionen ohne grössere Probleme und in grosser Zahl nach Russland.

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Eine Drohne aus iranischer Produktion am Himmel über Kiew.

Es gibt sie, diese Achse des Bösen. Der Iran beliefert Russland mit tödlichen Kamikazedrohen, die Wladimir Putins Streitkräfte in grosser Zahl auf zivile Ziele in der Ukraine niedergehen lassen. Für Teheran ist der tödliche Deal ein gutes Geschäft, mit dem man an Geldmittel kommt und terroristische Aktivitäten im Nahen Osten quersubventionieren kann. So hilft man sich gegenseitig aus unter Autokratien und Diktaturen. Auch Nordkorea liefert Raketentechnik nach Russland und China – überhaupt alles, was Moskau aus den USA oder Europa wegen der Sanktionen nicht mehr bekommen kann.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wird am EU-Gipfel in Brüssel sicher seinen europäischen Partnern von seinem Besuch in Peking Anfang dieser Woche berichten, absolviert mit hoffnungsfrohen Wirtschaftsvertretern im Schlepptau. Es gehe darum, dass China Russland nicht dabei unterstütze, gegen die Ukraine einen brutalen Krieg zu führen, schrieb der deutsche Bundeskanzler etwas umständlich zum Ziel seiner Reise. Das Problem ist nur, dass China Russland seit bald zwei Jahren massiv dabei hilft, den brutalen Krieg gegen sein Nachbarland zu führen. Peking liefert zwar – soweit bekannt – keine Waffen, aber ausreichend Waren, damit Russland seine Rüstungsindustrie auf Kriegswirtschaft trimmen konnte.

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So sieht es nach dem Einschlag einer iranischen Drohne in einem Wohnhaus in Kiew aus.

Es ist diese Naivität, die sich im Umgang mit Russland gerächt hat, die sich gegenüber China noch rächen dürfte und sich jetzt gegenüber dem Iran als fatale Fehleinschätzung erwiesen hat. Die Bilder des lächelnden Ratspräsidenten Charles Michel oder des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell mit Vertretern des iranischen Regimes sprechen eine deutliche Sprache. Ähnlich unbedarft ist man früher nach Moskau gepilgert und fahren einige heute noch nach Peking. Die EU sieht sich als friedlicher Hegemon, der immer auf freundliche Absichten seiner Gegenspieler setzt. Nur ist die Welt da draussen zuletzt immer feindseliger geworden.

Wandel durch Handel war das hoffnungsvolle Motto, durch das sich die europäischen Akteure leiten liessen. Das ging nach dem Ende des Kalten Krieges eine Weile gut, im Glauben an ein vermeintliches «Ende der Geschichte» und Ende der Konfrontationen. Nun erweist sich das Motto angesichts der Blockbildung zwischen autoritären Regimes und liberalen Demokratien als trügerische Hoffnung, als leere Floskel gar.

Die Schweiz als Land mittendrin kann sich für eine Weile noch an ihre Neutralität klammern und hoffen, sich zwischen Autokraten und liberalen Demokratien bis auf weiteres nicht positionieren zu müssen. Die EU als Wirtschaftskoloss entpuppt sich bereits heute als aussenpolitischer Amateur, als Leichtgewicht.

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